Neue Kuratorin Eva Bigler: «Für die Kunst ticken wir in vielen Dingen ähnlich»

Will das Kunsthaus weiter öffnen: die neue Kuratorin Eva Bigler.
Will das Kunsthaus weiter öffnen: die neue Kuratorin Eva Bigler.
War stets neugierig auf den Dialog mit dem Publikum: Claudia Waldner.
War stets neugierig auf den Dialog mit dem Publikum: Claudia Waldner.

Die beiden Kuratorinnen

Eva Bigler aus Bern ist Kunsthistorikerin und Kuratorin. Sie hat Kunstgeschichte und Erziehungswissenschaften an der Universität Bern studiert. Sie leitete zuletzt die Kunstsammlung der Migros Aare und war unter anderem tätig für die auf Videokunst spezialisierte Kunstsammlung von Günther und Carola ­Ketterer-Ertle.

Claudia Waldner aus Niedergösgen ist Kuratorin, Künstlerin und Kunstvernetzerin. Von Herbst 2014 bis Frühjahr 2021 war sie die Künstlerische Leitung im Kunsthaus Zofingen. Sie studierte Medienkunst an der Fachhochschule Nordwestschweiz und Videokunst an der Akademie der Bildenden Künste in München und war in diversen Gruppen- und Einzelausstellungen im In- und Ausland vertreten. Am 31. Mai hat sie ihren letzten Arbeitstag beim Kunsthaus Zofingen. (mif)

Der abtretenden Kuratorin Claudia Waldner ist es während der letzten sieben Jahre gelungen, das Kunsthaus Zofingen mit ihren ambitionierten Ausstellungen zu einem wichtigen Ausstrahlungsort in der Aargauer Kultur zu entwickeln. Für Kontinuität dürfte gesorgt sein, wie das Interview mit ihr und ihrer Nachfolgerin Eva Bigler zeigt.

Eure Kleidung ist farblich aufeinander abgestimmt. Ist das Absicht?

Eva Bigler: Wir haben schon oft ohne Absprache ähnliche Farben und Muster ausgewählt. Das spiegelt sich auch in unserer Grundhaltung wider. Wir ticken in vielen Dingen ähnlich, haben ähnliche Berührungspunkte mit der Kunst.

Claudia Waldner: Das schafft Vertrauen. Auch wenn ich mit meinem Weggang viel Herzblut hergebe: Das macht es mir etwas leichter, diese so vielfältige und bereichernde Aufgabe loszulassen.

Eva Bigler, Sie haben im März angefangen. Konnten Sie sich bereits mit dem Haus vertraut machen?

E. B.: Zum Teil konnte ich Leute und Abläufe kennenlernen. Jeden Montag konnte ich im Austausch vom grossen Fachwissen von Claudia profitieren. Mir passt die Richtung des Kunsthauses: Kunst von Künstlerinnen und Künstlern zu zeigen, die aus dem Aargau und angrenzenden Kantonen stammen oder sich Zofingen verbunden fühlen. Das ist mir von der Migros Aare her vertraut. Diesen Weg will ich fortsetzen.

C. W.: Du hast hier ja auch einen Gestaltungsspielraum, wie er andernorts nicht gleichermassen gegeben ist. Im Kunsthaus Zofingen gibt es keine zementierten Strukturen und eingeschliffenen Traditionen. Eine Kuratorin kann hier ihre Handschrift einbringen und Einfluss auf die Weiterentwicklung nehmen.

Was macht diese Handschrift aus?

E. B.: Das Grundgerüst wird bleiben. Vier Ausstellungen im Jahr, das Schaufenster im Sommer mit Junge Kunst Olten – JKON – und die Ausstellung mit Mitgliedern des Kunsthauses alle drei Jahre. Anderes wird sich ändern: Die Betreuung der Video-Kunst-Sammlung von Günther und Carola Ketterer-Ertle hat mich mit der Videokunst verbunden. Bewegtbilder werden daher mehr Gewicht erhalten. Da die Vorbereitungen bereits ein bis zwei Jahre vor der Ausstellung beginnen, wird meine Handschrift erst 2022 sichtbar sein.

C. W.: Wobei du ja bereits eingebunden bist. Den Atelierbesuch bei der jungen Künstlerin Delia R. Ferraro zum bevorstehenden Sommer-Schaufenster – look@JKON – hast du in Eigenregie vorgenommen. Oder auch jene zur Herbstausstellung «Stay With Me» mit vier Generationen einer Malerfamilie.

E. B.: Auf Delia R. Ferraro dürfen wir uns besonders freuen, sie hat einen erfrischend direkten Blick auf die Themen junger Frauen. Mir sind solche Positionen wichtig.

Sie haben die Schaufenster im Erdgeschoss angesprochen. Wie werden Sie den Saal im oberen Stock nutzen?

E. B.: Die Fensterfronten mit wenig Wandfläche sind zwar eine Krux für Wandbehängungen. Zugleich bietet dieser grosse Saal mit hohen Räumen aber auch eine Chance. Raumgreifende, mehrteilige und trotzdem luftige Installationen sind hier möglich. Diesen Erfahrungsraum will ich nutzen.

Mit welcher Grundhaltung wollen Sie das Publikum ansprechen?

E. B.: Das Kunsthaus soll ein offenes Museum sein. Ich will die Bogenfenster bespielen und die Innenräume für die Aussenwelt durchlässig machen. Ich habe die klare Vision, Themen der Gegenwartskunst anschaulich greifbar zu machen und dadurch Berührungsängste abzubauen.

Claudia Waldner, Ihre Leidenschaft für die Kunst und die Künstler, aber auch Ihr Engagement für die Stadt Zofingen war stets spürbar. Welche Ausstellung bleibt Ihnen besonders in Erinnerung?

C. W.: Jede Ausstellung war in sich stimmig und einzigartig. Dazu kamen magische Momente wie etwa Neoscope-­Filmprojektion auf die Heliumballone, die wir dann in die Luft gelassen haben. Oder auch die Performance von Victorine Müller im Elefanten, um nur zwei zu nennen. Dass wir eine Ausstellung mit Manon machen durften, war glamourös. Bereichert haben mich auch zahlreiche Anlässe, Gespräche und Begegnungen.

Sie sind von aussen her zu Zofingen gestossen, haben sich aber rasch mit der Stadt vertraut machen können.

C. W.: Kunst ist ortsspezifisch. Position zu beziehen heisst ja, sich zu verorten. Ich habe mich unter anderem auf Spurensuche zur Identität Zofingens gemacht. «Zofiscope 74» oder «Schwarz – Weiss in Farbe» sowie die Ausstellung «PENG» zum Alten Schützenhaus, ­waren solche Projekte. Am meisten ­genossen habe ich es, mit anderen ­zusammen eine Ausstellung zu erarbeiten. Sei es mit den Künstlerinnen und Künstlern, sei es mit Handwerkern, dem Werkhof, der Stadtgärtnerei, dem Stadtmuseum oder anderen Institutionen von Zofingen. Der Prozess war mir mindestens so wichtig wie das Resultat.

Was nehmen Sie mit?

C. W.: Einmalige Erfahrungen mit zahllosen Menschen. Hier ist dank enormer gegenseitiger Unterstützung – auch von Leuten, die zuvor kaum Zugang zur Kunst hatten – ehrliche Kunstarbeit passiert. Vieles erschien uns zunächst unrealisierbar – dann haben wir den Beweis angetreten, dass es dennoch machbar ist. Kunst und Kultur sind grenzüberschreitend und damit notwendige Pfeiler der Gesellschaft. Sie erlauben uns, unser Zusammenleben weiter zu denken und weiter zu entwickeln. Die Leidenschaft dazu kann man nicht erkaufen. Aber sie ist da. Es gilt sie zu finden und ihr eine Ausdrucksform, eine Bühne zu bieten. Ich wünsche meiner Nachfolgerin viel Glück und Erfolg.

Sieben Jahre engagiertes Wirken

Nachdem die Künstlerin Susanne Lemberg mit ihrer konzeptionellen Herangehensweise vorgespurt hatte, erhielt das Kunsthaus Zofingen mit Claudia Waldner 2015 erstmals seit seinem 33-jährigen Bestehen eine Kuratorin. Sie startete mit einem 10-Prozent-­Pensum und setzte ihren Fokus auf ­ambitionierte Gegenwartskunst zu ­aktuellen Fragestellungen. Zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler konnte sie dafür gewinnen, anspruchsvolle Themen künstlerisch zu reflektieren. Immer wieder spezifisch auf Ausstellungen hin. Die oftmals jungen Stimmen der Kunst warfen Fragen auf, bezogen lustvoll und hintersinnig Position und trafen den Nerv der Zeit. Die kaleidoskopartigen Reflexionsräume mit engagierter Kunst im Hier und Jetzt befeuerten den Dialog. Dieser Dialog fand weit über Zofingen hinaus Widerhall. Das Kunsthaus Zofingen mauserte sich zu einem wichtigen Ausstrahlungsort der aktuellen zeitgenössischen Kunst im Kanton Aargau.

Das sorgsam betreute vielschichtige Ineinandergreifen von Malerei, Fotografie, Skulptur, Installation, Tanz und Performance war nur möglich dank unzähliger Stunden Freiwilligenarbeit. Die Stadt Zofingen erhöhte ihren Beitrag 2017 und machte es möglich, die Stelle der Kuratorin auf ein 40-Prozent-Pensum auszubauen. Heute ist das Kunsthaus mit Beiträgen der Stadt Zofingen, des Aargauer Kuratoriums, den Firmen Siegfried und Ringier sowie des Privatmäzens Heiner Hörni breit abgestützt. Für Ausstellungsprojekte sucht das Kunsthaus situativ selber nach zusätzlichen Sponsoren. Das Kunsthaus Zofingen erhält jährlich einen Beitrag von der Stadt an den Betrieb und Unterhalt aus dem knappen Kulturbudget. Nur dank viel Freiwilligenarbeit kann das vielfältige kulturelle Programm in Zofingen überregional ausstrahlen.

Michael Flückiger