
«No Billag»: Wer Freiheit ernst nimmt, stimmt Nein
Am 4. März stimmen wir über ein Volksbegehren ab, das seit Monaten auf allen Kanälen und an allen Stammtischen für hitzige Diskussionen sorgt. Wieder einmal erbringt das Land den Beweis, wie lebendig die Grundlage unseres Zusammenlebens ist; Demokratie at its best quasi.
Genau diese Grundlage droht die «No-Billag»-Initiative zu unterspülen. Stimmen wir zu, wird der demokratische Boden wackliger.
Dass die SRG-Bosse lange auf dem hohen Ross sassen: stimmt. Dass wir trotz vier Landessprachen nicht 17 TV- und Radiokanäle brauchen: stimmt auch. Dass mancher Quatsch, der über den Bildschirm flimmert, nichts mit Service public zu tun hat: geschenkt.
Doch darum geht es nicht. Es geht um Grundlegendes. Es geht um die Freiheit.
Auf Ihrer Website führen die «No-Billag«-Initianten schon im ersten Satz die Freiheit ins Feld. Der Satz lautet: «Radio- und Fernsehgebühren sind Zwangsgebühren, welche die Entscheidungsfreiheit jedes Einzelnen einschränken.»
Es lohnt sich, einmal etwas genauer über die Freiheit nachzudenken, den Begriff, den die Initianten selbst so hoch hängen. Und sie haben recht: Man kann ihn nicht hoch genug hängen.
Egal, wo man im Nachdenken über Freiheit ansetzt, ob bei Leibniz, Rousseau, Kant oder Heidegger: Stets lassen sich zwei grundlegende Aspekte von Freiheit unterscheiden. Üblicherweise spricht man von positiver und von negativer Freiheit. Ein einfaches Beispiel für negative Freiheit ist der Umstand, dass wir sagen können, was wir denken, ohne von jemanden daran gehindert zu werden. Niemand übt Zwang oder Druck aus. Wir sind frei von Zensur. Positiv wird diese Freiheit erst, wenn wir auch wirklich den Mund aufmachen: Wir beschaffen und die Mittel, unsere Meinung zu äussern, machen es bei einem bestimmten Thema und auf einem bestimmten Kanal. Wir sind frei, uns zu längeren Ladenöffnungszeiten, zu mehr Tempo-30-Zonen oder zur Legalisierung von Cannabis zu bekennen.
Eigentlich ist damit schon alles zur «No-Billag»-Initiative gesagt. Diese meint mit Freiheit fast ausschliesslich deren ersten Aspekt, die Freiheit von Zwang. Es die Position, die als klassisch ultraliberal gilt. Der Staat soll sich, bitte schön, aus allem heraushalten, was nicht absolut nötig ist, um Ordnung und Frieden aufrecht zu erhalten. Jeder soll selbst entscheiden können, was er lernen, kaufen, glauben will. Jeder soll selbst entscheiden können, ob er sein Geld für Bücher, Zeitungen oder Netflix-Serien ausgeben will. Freiheit über alles halt. Das klingt auf den ersten Blick bestechend einfach und überzeugend, hat haber einen entscheidenden Haken.
Diese Freiheit fällt nicht einfach vom Himmel. Freiheit ist ein «Handwerk», wie es der Schweizer Philosoph Peter Bieri in einem Buchtitel auf den Punkt bringt. Die Ausübung von Freiheit, gerade von politischer Freiheit, ist an Voraussetzungen gebunden. Bürgerinnen und Bürger müssen sich über alle relevanten Fakten und Positionen ein Bild machen können, um im wirklichen Sinn frei zu sein. Dieser Zustand fällt aber auch nicht vom Himmel. Deshalb sorgt der wirklich liberale Staat dafür, dass eine Öffentlichkeit hergestellt wird. Öffentlichkeit ist ein höchst sensibles Gebilde. Gerade in den letzten Jahren ist dieses Gebilde anfälliger geworden: In den sozialen Medien sorgen Algorithmen dafür, dass gewisse Positionen ausgeblendet, andere überhöht werden. Die Absicht dahinter ist nicht Öffentlichkeit, sondern in erster Linie Kommerz. Fake News bedrohen das Gebilde ebenfalls: sie zielen auf das Gegenteil von Öffentlichkeit, nämlich Manipulation.
Die «No Billag»-Initiative will die öffentliche Plattform, die die 17 SRG-Sender darstellen, ohne Not schleifen. Die Befürworter glauben, dass aus den Trümmern etwas Neueres, Besseres, Gesünderes wächst. Das kann sein. Möglich ist aber auch das Gegenteil: eine durch und durch kommerzialisierte Medienschweiz, in der das Bekenntnis zu unseren Landeskulturen und -sprachen nur noch schöne Worte sind und jene mit den gefülltesten Kriegskassen sagen, wo es lang geht.
Die Konzepte für eine Billag-freie Schweiz sind mehr also unausgegoren. Der Aargauer SVP-Nationalrat und «No Billag»-Befürworter Thomas Burgherr etwa sagt, die Schweiz müsse dann für zentrale Informationssendungen 100 bis 200 Millionen Franken Fördergelder jährlich einschiessen. Die Initiative wolle ja nur verbieten, dass der Staat TV- und Radiostationen subventioniert; die Unterstützung von einzelnen Formaten sei aber erlaubt.
Man fragt sich: Wie soll es möglich sein, regelmässige Formate zu senden, denen die Rahmenbedingungen zur Produktion fehlen? Diese Rahmenbedingungen sind ja in ihrer Gesamtheit nicht anders als die Stationen selbst. Der Hund beisst sich den eigenen Schwanz. Was Burgherr und anderen vorschwebt, ist eine SRG light, für die es laut Initiativtext gar keinen Spielraum gibt.
Billag-Befürworter sollten sich im Klaren sein, dass sie eine fundamental andere Schweiz wollen. Das ist zu respektieren, bei einem Ja geht unsere Demokratie nicht unter. Wenn es aber um so Grundsätzliches wie bei «No Billag» geht, sollten wir uns stets Rechenschaft darüber ablegen, wie viel wir ihr zumuten wollen.
Ich für meinen Teil bin fest überzeugt: Wem die Freiheit wirklich am Herzen liegt, legt am 4. März ein Nein in die Urne.