Noch kennen nur wenige Oltner die Abholdienste für Recyclinggut – doch Nachfrage steigt

Das Bewusstsein über korrekte Abfalltrennung wächst: Alle zehn auf der Strasse befragten Oltner trennen ihren Abfall. Von Alu, Glas, Papier bis hin zu Kunststoff. Die Stadt bietet ihnen im Gegenzug die notwendige Infrastruktur zur Entsorgung: Kehricht-, Altpapier-, Karton- sowie Grüngutabfuhren, Kunststoffsammelsäcke, Sammelstellen an 14 Standorten in der Stadt und Annahmestellen beim Werkhof, bei der Altola und der Turuvani AG. Auch Detailhändler wie Coop oder Migros haben den Bedarf der Bevölkerung nach unkomplizierten Entsorgungsmöglichkeiten erkannt und bieten in ihren Filialen Sammelstellen an. Wie sich bei einer nicht repräsentativen Strassenumfrage in der Stadt herausgestellt hat, ist die Bevölkerung mehrheitlich zufrieden mit dem Angebot.

Abholdienst für Recyclinggut

Was aber keiner der zehn Befragten wusste: Seit einigen Monaten mischen Privatanbieter und gemeinnützige Vereine in der Recyclinglandschaft der Stadt und der Region mit. Spitzenreiter ist Pinkbags mit Sitz in Zürich. Ihr Prinzip: Recyclingabfälle – sei dies Glas, Kleidung, Styropor oder Altgold – werden unsortiert in einen Sack geworfen und vor die Haustüre gestellt. Das Unternehmen holt ihn jeweils einmal im Monat ab, trennt den Abfall und entsorgt ihn für ihre Abonnenten. Jeweils für Fr. 19.50 im Monat kommt der Recyclingkurier mit einem Lieferwagen vorbei. «Die Leute befinden sich in einem Dilemma: Sie wollen recyceln, aber haben oft weder Zeit noch die passenden Möglichkeiten dazu», erklärt David Gloor, Zuständiger für Pinkbags in der Region Mittelland. Ihre Dienstleistung sei die simple Antwort auf unpassende Öffnungszeiten der Entsorgungsanlagen sowie Unwissenheit der Leute über korrekte Abfalltrennung und die damit einhergehende Unsicherheit. Und sie haben Erfolg: Innerhalb von sieben Jahren ist das Unternehmen aus der Region Zürich ins Mittelland bis nach Biel expandiert. In Olten haben sie in den letzten fünf Monaten 35 und im Bezirk Gösgen über 20 Abonnenten alleine mit Flyerwerbung gewinnen können. Auch in den Bezirken Gäu und Thal sind sie bereits präsent.

Dass solche Recyclingkuriere an Beliebtheit gewinnen, beweisen auch zwei Oltner Projekte. Die Umweltfreunde der Organisation Suchthilfe Ost ist eines davon. Das Sozialprojekt ist im Rahmen «Unterstütztes Arbeiten» entstanden und im Juni 2018 definitiv eingeführt worden. Ihr Prinzip ist im Grunde dasselbe wie bei Pinkbags: Auch sie wollen die Hemmschwelle zur Abfalltrennung herabsetzen und bieten einen Abholdienst an. Für 16 Franken im Monat oder 180 Franken im Jahr holt die Suchthilfe Ost jeweils wöchentlich die grünen Recyclingsäcke mittels Elektrovelo ab. Die Haushalte dürfen diese ebenfalls mit unsortiertem Recyclingabfall füllen, der später getrennt und im Oltner Werkhof entsorgt wird. Die Sortierung wird von Beteiligten des Programms «Unterstützes Arbeiten» übernommen und soll damit die soziale und berufliche Integration von Randständigen fördern.

Das Projekt zählt mittlerweile 78 Jahres- sowie 36 Monatsabonnenten, die wöchentlich 100 bis 120 Säcke zusammenbringen. Auch der gemeinnützige Verein Velolieferdienst-Olten bietet mit dem Unternehmen Collectors ihr eigenes Abholangebot: Als Abonnent aus den Gemeinden Olten, Trimbach und Starrkirch-Wil kann man bereits vorsortierten Recyclingabfall holen und entsorgen lassen. Auch private Säcke mit entsprechenden Gebührenmarken, beispielsweise Oltner Kunststoffsammelsäcke, holen die Collectors auf Anfrage ab. Abonnementskosten: 330 Franken im Jahr inklusive weitere Abhol- und Hausliefer-angebote. Nebst privaten Kurierdiensten sind vor allem die Recyclingabos für Gastronomie und Gewerbe von Collectors sehr gefragt: Mit ihren Dienstleistungen erleichtern sie Unternehmen etwa in der Altstadt die Abfall- und Recyclingentsorgung.

Im Gegensatz zu den Recyclingkurieren Pinkbags aus Zürich stehen die Umweltfreunde und Collectors im Kontakt mit der Stadt Olten: Sie entsorgen ihr Recyclinggut im Oltner Werkhof und unterstützen damit die kommunale Entsorgung.

Werkhof ist bereits ausgelastet

Die Nachfrage nach Abholdiensten ist also vorhanden. Doch laut René Wernli, Leiter des Werkhofs in Olten, sei ein grossräumiger Abholdienst für Recyclinggut in Olten undenkbar. «Wir haben nicht die notwendige Infrastruktur für solch ein grosses Angebot», sagt er auf Anfrage. Auch die Kapazität fehle: Mit den wöchentlichen Abfuhren sei der Werkhof komplett ausgelastet. Einzig über einen Abholdienst für die Kunststoffentsorgung sei man im Gespräch mit der Transport AG aus dem aargauischen Buchs: Man sei momentan auf der Suche nach einer Depot-Möglichkeit in der Nähe. «Wir müssten jedes Mal mit dem Kunststoffabfall nach Buchs fahren, um ihn zu deponieren», sagt Wernli. «Das wäre natürlich wieder schlecht für die Ökobilanz.»

Mit regelmässigen Aufklärungsangeboten versucht der Werkhof, die Bevölkerung für die Abfalltrennung zu sensibilisieren und die Hemmschwelle herabzusetzen – auch ohne Abholdienste. Ob diese eine geeignete Lösung für recycling-resistente Mitbürger sein könnte, darüber sind die Gemüter ohnehin gespalten.

Einige der Befragten äusserten bei der Strassenumfrage eine gewisse Skepsis: Sie glauben nicht daran, dass überzeugte Nichtrecycler bekehrt werden können und deuten auf das Littering in der Stadt hin. Es sei schlichtweg auf Ignoranz und Faulheit zurückzuführen, Aufklärungsmassnahmen würden bei jenen abprallen. Eventuelle Lösungsansätze sehen die Befragten unter anderem auch in Bussen. Andere betrachten die Abholdienstleistung als einen Kompromiss, welche Nichtrecycler doch noch zur Abfalltrennung ermutigen könnte. So spare man schliesslich auch Kehrichtsäcke. Vielleicht aber müsste man ganz woanders ansetzen, sagte eine 48-jährige Befragte: Die Wegwerfmentalität sei das Grundproblem. Unabhängig davon, wo die Schwierigkeit liegt: In der Stadt Olten gibt es mittlerweile für jeden eine Recyclinglösung.

Wiederverwerten statt verbrennen

45 Tonnen Kunststoff sammelte der Oltner Werkhof letztes Jahr. Das entspricht rund 27 110-Liter-Kunststoffsammelsäcken pro Tag. Innerhalb von vier Jahren hat sich diese Menge mehr als verdreifacht. Und sie nimmt schweizweit jährlich um 20 Prozent zu. Bis 2014 wurde Kunststoff gemeinsam mit dem Kehricht verbrannt oder nach China exportiert. Doch seitdem das Land einen Importstopp für Kunststoff verhängt hat, wird dem Material mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Insbesondere auch, weil dadurch das Kunststoffrecycling lukrativer geworden ist.

Im Gegensatz zur Kehrichtverbrennung liesse sich Kunststoff mehrmals recyceln und wiederverwenden, weiss Hanspeter Hösli, Projektberater der
Innorecycling AG in Eschlikon TG. Seit 20 Jahren sammelt und verwertet das Unternehmen Kunststoffe von Gewerbe und Industrie in der ganzen Schweiz. «Es ist einfach störend, dass in den 31 Schweizer Kehrichtverbrennungsanlagen jährlich 650 000 Tonnen Kunststoff verbrannt werden und die Bevölkerung nur mangelhaft darüber informiert ist», fährt er fort und klärt auf. Dank moderner Sortierungstechnologien verarbeite man heute bereits 60 Prozent des gesammelten Kunststoffs zu sogenannten Regranulaten. Sie finden Verwendung unter anderem in der Herstellung von Paletten, Rohren oder Kisten. Sie sind daher sehr gefragt und werden an Schweizer Firmen verkauft oder ins Ausland exportiert.Nicht wiederverwertbare Mischkunststoffe, wie beispielsweise Chipsverpackungen, werden zu Flocken verarbeitet und ersetzen in Zementwerken importierte Braunkohle als Ersatzbrennstoff. Hanspeter Hösli betont: Granulate ersetzen erdölbasiertes Kunststoffneumaterial und sind in der Herstellung viel energieeffizienter. Zudem spare man mit den Flocken die Transportwege der umweltschädlichen Kohle und den CO2-Ausstoss der damit einhergeht.

Seit sechs Jahren landet auch Haushaltskunststoff in der Sammel- und Verwertungsanlage im Thurgau. Mehr als 300 Gemeinden, darunter auch Olten, sammeln aktiv mit. Laut Hanspeter Hösli jedoch bestehe in der Schweiz noch viel Luft nach oben bezüglich Rücklaufzahlen von Kunststoff. Das läge daran, dass sich noch nicht in allen Regionen Sammelstellen befinden. «Es gibt Regionen in der Schweiz, wo noch nicht aktiv gesammelt wird, weil es dort noch keine Sammelstellen gibt. Aber die stark zunehmende Zahl von Gemeinden stimmt uns sehr positiv.» Olten bietet die Möglichkeit, Kunststoff sowohl beim Werkhof wie auch bei der Entsorgungsanlage der Turuvani abzugeben. Für bereits Fr. 2.50 erhält man beim Werkhof Kunststoffsammelsäcke, die man ohne weitere Gebühren gefüllt wieder zurückbringen kann. Wer keine Zeit dafür hat, kann auch die Velokurier-Firma Collectors für die Abgabe engagieren. Sie arbeiten mit dem Werkhof gemeinsam für denselben Zweck. Die Turuvani-Entsorgungsanlage in der Oltner Industrie ist eine Annahmestelle für Sammelsäcke der Innorecycling AG. Diese kann man entweder online oder bei diversen Verkaufsstellen in der Region erwerben und bei Annahmestellen zurückbringen. Der Kunststoff landet unter anderem schliesslich bei der Innorecycling AG in Thurgau und damit nicht in den Mägen von Meerestieren.