Odyssee in einem fast leeren Bus: Mit dem Fernbus unterwegs durch die Schweiz

Ein Fernbus rauscht heran. Die Sonne drückt durch die Wolkendecke, es ist schwül. Vis-à-vis dem Oltner Bahnhof hängt etwas versteckt ein schlichtes Schild, das auf den Fernbus-Halt hinweist. Vorne am heranbrausenden Doppeldecker prangt der Eurobus-Schriftzug, darüber etwas kleiner: «Flixbus».

Die Hierarchie ist klar: Eurobus fährt, Flixbus ist omnipräsenter Vertriebspartner. In der Nähe laufen Pendler in Richtung Bahnhof Olten über die Aare. In Kürze fährt ein Zug nach Zürich. 30 Minuten später sind die Passagiere in der Limmatstadt. Länger reist, wer den Fernbus wählt. Drei Stunden und zehn Minuten später rollt der Doppeldeckerbus in Zürich ein. Dazwischen: ein zweifacher Umweg und praktisch keine Kunden.

Es ist 10.10 Uhr, der Bus fährt los. Das Navigationssystem dröhnt durch den Doppeldecker-Car. «In 500 Meter bitte wenden», sagt die Stimme. Die Odyssee durch die halbe Schweiz beginnt: von Olten nach Füllinsdorf BL, Basel, Basel Flughafen, Baden, Zürich. «Wir fahren eigentlich immer auf der Autobahn. Nur hin zu den Haltestellen auf anderen Strassen», sagt der Buschauffeur. Doch das ist zuerst einmal Theorie.

Statt die nächste Autobahnauffahrt zu nehmen, fährt er an der Einfahrt vorbei. Wir fahren gemütlich mit 80 km/h übers Land, nebenan brettern die Autos auf der Autobahn vorbei. Bei der Verzweigung Egerkingen geht es endlich auf die Autobahn. Eine halbe Stunde sind wir unterwegs, normalerweise wäre die Strecke in rund 15 Minuten zu schaffen.

Eurobus fährt die drei Strecken erst seit Sonntag. Da ist naturgemäss noch nicht alles perfekt. Doch der Car ist komfortabel, es gibt ein zweckmässiges WC, Steckdosen sind vorhanden. Mittlerweile funktioniert auch das Buchen mit Generalabo und Halbtax, welche auf den Eurobus-Strecken gültig sind.

Keine Verbindung an Flughafen
Mit Verspätung erreichen wir Füllinsdorf im Baselbiet, gleich neben der Kantonshauptstadt Liestal. Der Bus hält an einer Tankstelle, noch weist kein Schild auf die Einsteigemöglichkeit hin. Von hier wäre der Euro-Airport in Basel innert 50 Minuten zu erreichen, ungefähr gleich schnell wie von der naheliegenden Busstation mit dem herkömmlichen öV: eine durchaus praktikable Verbindung, ganz ohne umzusteigen. Doch Eurobus darf diese Strecke gar nicht anbieten.

Man dürfe keine Verbindungen fahren, welche innerhalb eines Tarifverbunds sind, sagt Roger Müri, Leiter Fernbus bei Eurobus. Das sei Teil der Auflage des Bundesamts für Verkehr (BAV). Wir verlassen Füllinsdorf mit einer Verspätung von sieben Minuten; Pendler müssen sich an Fernbusverhältnisse erst gewöhnen. Das Reisen mit dem Fernbus unterscheidet sich deutlich vom gewohnten öV. Kleines Beispiel: 15 Minuten vorher müsse man beim Einsteigeort sein, heisst es auf dem Reise-Billett. Bei den SBB ist dies undenkbar. Doch das Fernbusangebot ist etwas Neues, das eine andere Klientel anspricht und keineswegs Pendler. Doch gibt es dafür wirklich einen Markt in der Schweiz?

Acht Stunden von Lugano nach Zürich sind eine lange Zeit. Passagiere mit viel Zeit, aber wenig Geld will die Firma mit dem neuen Angebot ansprechen. Das funktioniert in Europa recht gut. Eurobus-Kooperationspartner Flixbus wächst stetig. Die Schweiz ist jedoch viel kleinräumiger. Die Fahrt gestern zeigte: Sehnsüchtig hat man nicht auf das neue Angebot gewartet. Ab Olten sind nur gerade zwei Fahrgäste im Bus. In Basel steigen drei weitere Passagiere ein.

Ob Fernbusse in der Schweiz eine Zukunft haben, wird sich weisen. Eurobus muss sich wohl auf Kunden wie die zwei Amerikanerinnen konzentrieren, welche sich auf ihrer Tour durch Europa für den Bus entschieden haben. «Für uns ist es nicht so wichtig, wenn wir etwas länger mit dem Bus fahren. Aber es ist viel günstiger als mit dem Zug», sagt eine der Touristinnen aus Kalifornien. Zum Vergleich: 34 Franken kostet eine Fahrt von Basel nach Zürich mit den SBB. Die gleiche Strecke kostet mit dem Fernbus Fr. 8.80. 50 Prozent Rabatt zur Neulancierung sei Dank. Wobei: «Wir haben vor, im Sinne von Sparbilletten auch in Zukunft für Frühbucher vergünstigte Tarife anzubieten», sagt Müri.

Strecken sollen verbessert werden
Nach rund drei Stunden erreichen wir Zürich, die Verspätung ist mittlerweile aufgeholt. Eine Odyssee durch die ganze Schweiz und noch etwas weiter. «Es ist uns bewusst, dass die Strecke so keinen Sinn macht», sagt Müri. Wenn Eurobus auf der grünen Wiese hätte planen können, dann hätte die Firma nicht diesen Umweg gewählt. Deshalb versucht Eurobus, in den nächsten Monaten das Angebot zu überarbeiten.

Das sei kompliziert: Denn die Konzession, welche das BAV dem Eurobus-Rechtsvorgänger Domo Swiss Express erlassen hat, müsste verändert werden, sagt Müri. Momentan sei Eurobus daran, zu klären, wo es überhaupt eine Nachfrage gibt. Das heutige Streckennetz wird sich also verändern. Bis dahin müssen Reisende von Lugano nach Zürich mit einer Fahrtzeit von acht Stunden rechnen. Oder auf den teureren Zug umsteigen.