
Öffnungsturbos im Nationalrat krebsen zurück, kein Maulkorb für die Task Force
Neun Stunden lang hat der Nationalrat am Montag bis kurz vor Mitternacht über das Covid-19-Gesetz debattiert. Insbesondere bei grundlegenden Entscheiden gingen die Wogen hoch. Am Ende verzichtete die grosse Kammer aber darauf, dem Bundesrat das Heft aus der Hand zu nehmen und ein fixes Öffnungsdatum ins Gesetz zu schreiben. Auch ein Maulkorb für die wissenschaftliche Task Force ist vom Tisch. Mit den folgenden Entscheiden des Nationalrats muss sich nun der Ständerat erneut befassen:
Kein Fixes Öffnungsdatum am 22. März:
Die Mehrheit der nationalrätlichen Wirtschaftskommission wollte einen fixen Öffnungsplan ins Covid-19-Gesetz schreiben. Ab dem 22. März sollten Restaurant- und Unterhaltungsbetriebe, sowie Fitnesscenter und Schiessstände wieder öffnen. Sie argumentierte mit einer Entspannung der Situation in den Spitälern, tieferen Infektions- und Todeszahlen und der angespannten wirtschaftlichen Situation vieler Betriebe.
«Völlig unverantwortlich» fanden das die Gegner. Es sei nicht möglich, das Ende einer Pandemie im Gesetz festzuschreiben, sagte Jürg Grossen (GLP/BE). Die Öffnungsstrategie per Gesetz fand nur in der SVP Zustimmung. Sowohl Die Mitte als auch die FDP lehnten den Plan ab, dem ihre Vertreter in der Kommission noch zugestimmt hatten. Keine Mehrheit fand auch ein Antrag, per 22. März die Homeoffice-Pflicht aufzuheben.
Kantonale Erleichterungen sollen möglich sein:
Der Bundesrat soll Kantonen, die eine stabile oder rückläufige epidemiologische Lage aufweisen, Erleichterungen gewähren können. Der Nationalrat ist mit dieser Bestimmung dem Ständerat gefolgt. Deutlich abgelehnt hat er einen Antrag, die Dauer von Lockdown und Homeofficepflicht auf maximal 90 Tage zu beschränken. Chancenlos blieb zudem ein Antrag der SVP, dass der Bundesrat bei weiteren Massnahmen die Zustimmung der zuständigen Kommissionen einholen muss.
Doch kein Maulkorb für die Task Force
Von einem «Maulkorb» für die Schweizer Covid-Task-Force war die Rede, als die nationalrätliche Wirtschaftskommission ihre Forderungen zur Kommunikation des wissenschaftlichen Gremiums publizierte. Vorgesehen war, dass die Task Force nach aussen nur noch durch den Präsidenten und in Absprache mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) kommuniziert. Diese Regelung fand im Nationalrat keine Mehrheit und wurde mit 116 zu 78 Stimmen aus dem Gesetz gestrichen. Auch die Mitte- und die FDP-Fraktion sagten Nein.
Seitens der FDP-Fraktion hiess es, wenn die Kommunikation nicht funktioniere, handle es sich um ein Führungsproblem des Bundesrates. Wie die Task-Force kommunizieren soll, stehe bereits im Mandatsvertrag, deshalb gehöre die Regelung nicht ins Gesetz.
Privilegien für Geimpfte:
Der Ständerat will, dass geimpfte Personen nicht mehr in die Quarantäne müssen. Dem hat auch der Nationalrat zugestimmt. Die SVP wollte festschreiben, dass niemand, der nicht geimpft ist, diskriminiert werden darf. Der Antrag hatte in der Abstimmung keine Chance.
Verschärfungen oder Lockerungen? Diese Kriterien sollen gelten
Die Geister scheiden sich daran, welche Kriterien angewandt werden sollen, um die Coronasituation zu beurteilen. Der Nationalrat will im Gesetz festschreiben, dass die bundesrätlichen Massnahmen aufgrund von «objektiv messbaren Werten» getroffen werden sollen. Darunter fallen sollen die Positivitätsrate, die Auslastung von Spitalkapazitäten, die Reproduktionszahl R sowie die Neuansteckungen.
Bei der Berechnung der Positivitätsrate sollen nach dem Willen des Nationalrates die positiven wie auch die negativen Resultate von Massentests berücksichtigt werden. Gescheitert ist ein Antrag der SVP, den R-Wert und Anzahl positiv getesteter Personen gar nicht mehr zu berücksichtigen. SP und Grüne hatten sich dafür eingesetzt, auf Kriterien im Gesetz komplett zu verzichten. Sie sprachen von «Mikromanagement» des Parlaments.