
«Off Balance» – Neun Tage lang tanzt die Welt wieder in Olten
Off Balance – aus dem Gleichgewicht: diesem Etikett haben sich die 24. Oltner Tanztage verschrieben, die gestern Abend mit dem Ballet Junior de Genève in der Schützi eröffnet wurden. Ob die Zahl der Mitwirkenden mit der Anzahl der Tanztage-Ausgaben zufällig korrespondiert? 24 junge Tänzerinnen und Tänzer jedenfalls überzeugten mit eindrucksvoller Körpersprache. Die Mitglieder der ambitionierten Compagnie pflegen mit international namhaften Choreografen ein Repertoire zu erarbeiten, welches sich, wie Tanzbegeisterte zu verstehen geben, auf allen grossen Bühnen der Welt sehen lassen kann.
Die Welt tanzt in Olten
Noch bis 29. November also tanzt die Welt – oder eben eine internationale Handvoll Ensembles in Olten; wie immer nicht etwa um die Wette, sieht man von der erstmaligen Vergabe des Förderpreises ab. Nein, die Oltner Tanztage sind, bald ein Vierteljahrhundert alt, zu Inbegriff und Heimat des breiteren Tanzverständnisses geworden. Expressiv-wilde, verschlungen-poetische, zartbitter-übergossene Produktionen der Gegenwart geben sich in der Schützi die sprichwörtliche Klinke in die Hand. Tanz kommt – immer wieder.
Ursula Berger ist die eigentliche Mutter der Veranstaltung. Ob der Bemerkung, im kommenden Jahr werde die 25. Ausgabe wahr, sagt sie lachend: «Ja, die meisten gaben uns 1996 gerade mal zwei Jahre.» Heute sind die Oltner Tanztage derart etabliert, dass Ursula Berger schon einen Blick auf die Jubiläumsausgabe im kommenden Jahr wirft. «Ich glaube, wir werden ein Kinderstück zur Aufführung bringen», sagt sie. Und wer Ursula Berger kennt, der weiss: Wenn sie glaubt, ist sie sich sicher.
Jetzt mit Förderpreis
Doch zurück zur Gegenwart. «Wir haben uns in all den Jahren konsequent der sogenannten freien Szene des zeitgenössischen Tanzes gewidmet», sagt Berger. Nicht zuletzt deshalb wird Tanz in Olten mit Bewerbungen fast überrannt. Künstlerinnen und Künstler dieser Szene suchen sich ihre Auftrittsmöglichkeiten gerne in Olten. Und zu einer der kommenden Aufführungen weiss Ursula Berger besonders beeindruckt zu erzählen. Vom verblüffenden Setting des Schnottwiler Tänzers und Choreografen Thomas Hauert nämlich, der morgen Freitagabend mit seiner Compagnie ZOO «How to proceed» (etwa: wie vorgehen) gibt und damit eine nationale Premiere feiert. Just jene Produktion, die zur Deutschlandpremiere im Mai dieses Jahres an den Potsdamer Tanztagen mit dem Prädikat «lässt zahlreiche Perspektiven und Diskurse aufblitzen» versehen wurde. «Eine grandiose Produktion», sagt Ursula Berger darüber.
Erstmals wird auch ein Förderpreis ausgerichtet. «Die Idee haben wir lange vor uns hergetragen», so die Mutter der Tanztage. 4000 Franken beträgt die Preissumme. Als «ausbaufähig» bezeichnen Insider den Preis. Über 40 Bewerbende wurden im Rahmen der Jurierung von Fachpersonen beurteilt. Am Sonntag sind die Finalisten ab 19 Uhr in der Schützi zu sehen. Dagegen gehört es seit Jahren zur Praxis der Tanztage, die Tore zu öffnen, den Tanz als Ausdrucksmittel unter die Leute zu bringen. «Singen, musizieren, das sind Schulfächer», sagt Berger. Tanz jedoch ist noch weit davon entfernt. Deshalb arbeiten die Tanztage stets mit Schulen zusammen; heuer mit dem Heilpädagogischen Schulzentrum (HPSZ). Am 28./29. November kommen die Compagnie BewegGrund und 20 Kindern der HPSZ zum Handkuss. «Kipppunkt» nennt sich das Programm.
Kipppunkt, Off Balance. Sinnverwandte Begriffe. Tanz versuche, die Wirkungsgrenzen der Schwerkraft zu ertasten oder deren Grenzen für Momente zu überschreiten, sagt Berger. Jetzt ist’s in Olten wieder soweit.