Oftringen: Als der Vater von den Russen Essen erhielt

Die Musikgesellschaft Oftringen-Küngoldingen spielt auf, zwei kleine Mädchen tanzen zwischen den Festbänken und die grösseren Mädchen des Volleyballclubs sammeln eifrig den Abfall ein. Im Schatten des Schulhauses sitzen rund 350 Oftringerinnen und Oftringer auf Festbänken und geniessen den Brunch zum 1. August.

Gemeindeammann Hanspeter Schläfli entschuldigt bei der Begrüssung einige Abwesende. Darunter den Jodlerchor Küngoldingen, der ferienhalber zu dezimiert ist, um aufzutreten. Er betont, dass die Bundesfeier zeige, wie die beiden Dorfteile trotz räumlicher Trennung ein gemeinsames Leben pflegen. Dann übergibt er aber schnell das Wort an die Festrednerin, die Zofinger FDP-Grossrätin Sabina Freiermuth. Diese betont ihre Verbundenheit zu Oftringen unter anderem mit dem Glücksgefühl, das sie am Ende einer Velotour mit ihrem Mann beschleicht, wenn sie auf dem Heimweg durch Oftringen fährt. Dann sei jeweils klar, dass sie keine anstrengende Steigung mehr zu bewältigen habe.

Dann wird Freiermuth ernster. Sie erzählt zum Thema Heimat und Dankbarkeit aus der Biografie ihres Vaters. Dieser wuchs im Zweiten Weltkrieg in Berlin auf und musste als 10-Jähriger mit seiner ganzen Schule ohne Eltern nach Polen, wo er zuerst unterrichtet wurde, später auch auf dem Feld und im Lazarett arbeiten musste. Er habe viel Glück gehabt, habe ihr Vater jeweils gesagt, so Freiermuth. Bei Kriegsende marschierte er zusammen mit den Russen zurück nach Berlin. Und die sowjetischen Soldaten hätten ihr Essen auf dem Marsch oft mit den Kindern geteilt.

Zurück in Berlin habe er in der zerbombten Strasse, wo die Familie früher gewohnt hatte, per Zufall seine Mutter getroffen, die kurz vor ihrer Abreise in die Schweiz – ihr Heimatland – noch ein wenig Silber in der Wohnung suchen wollte. So konnte Freiermuths Vater gleich mit in die Schweiz und erhielt die Chance, in einer neuen Heimat glücklich zu werden. Der Vater habe immer wieder betont, dass man für so viel Glück dankbar sein müsse und den Humor nicht verlieren solle. Freiermuth sagt dann im Hinblick auf die aktuelle Politik, dass man bei aller Krisentendenz auf der Welt auch das Positive sehen müsse. Sicher gebe es noch eine Ungleichheit. «Aber in der weltlichen Welt lebten noch nie so viele Menschen unter so guten Bedingungen wie heute.» Vor 50 Jahren habe eine Familie 30 Prozent ihres Einkommens für Essen ausgegeben, heute seien es noch 5 Prozent, sagt Freiermuth. Auch die Mobilität sei viel günstiger als noch vor Jahren. Und die Gesundheitsversorgung sei so gut, dass die Lebens-erwartung ständig steige.

Zum Schluss appelliert Freiermuth an das Verantwortungsbewusstsein. Eigentlich würden wir in der Schweiz ja nach dem Motto leben: Freiheit und Verantwortung für alle. Doch leider gebe es eine Tendenz zur Freiheit für alle und Verantwortung den anderen, sagt Freiermuth, nimmt dann von Gemeindeammann Schläfli einen Blumenstrauss entgegen und singt kräftig mit, als der Schweizerpsalm erklingt.