
Oftringer Tierhalter vor Gericht: «Er ist kein Monster, er ist ein Mensch»
Es war eine unappetitliche Verhandlung, die am Mittwoch vor dem Bezirksgericht Zofingen anberaumt war. Zu verantworten hatte sich der 59-jährige Tierhalter aus Oftringen, der mit seinem «Hobby» im Februar 2020 schweizweit in die Schlagzeilen geraten war. Die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm wirft ihm unter anderem mehrfache vorsätzliche und mehrfache fahrlässige Tierquälerei sowie Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte vor.
Bei einer Polizeikontrolle am 4. Februar 2020 stiessen Beamte auf etliche abgemagerte oder sogar tote Tiere. Die Schafe und Ziegen wurden in einem Gehege gehalten, in dem geeignete Fütterungseinrichtungen gefehlt haben sollen; die vorhandenen Futterkrippen waren zum Teil mit Mist gefüllt. Zudem lagen im Gehege Glasscherben, Holzpfähle und scharfkantige Drahtgeflechte herum. Ein Schaf soll qualvoll verendet sein, weil es sich in einem Drahtgeflecht verfangen haben soll. Den Hühnern standen laut Anklage weder Wasser, Futter noch genügend geeignete Nester fürs Eierlegen zur Verfügung. Auch seine Hunde und Katzen soll der Beschuldigte stark vernachlässigt haben.
«Woher kommt der Schädel?» – «Keine Ahnung»
Zur Sprache kamen auch Widerhandlungen gegen das Tierschutzgesetz, die der kantonale Veterinärdienst im Frühling und Sommer 2019 festgestellt hatte: Die Schafe sollen trotz Verfügung über längere Zeit und bei sommerlicher Hitze nicht geschoren worden sein. Die Staatsanwaltschaft hat den Beschuldigten deswegen im November 2019 per Strafbefehl verurteilt, wogegen dieser Einsprache erhoben hat.
Vor Gericht zeigte er sich gestern wenig beeindruckt von der Anklage. Für fast alle Vorwürfe, die ihm der Gerichtspräsident vorhielt, hatte er eine Erklärung oder Relativierung parat. Nein, die Felle der ungeschorenen Schafe seien nicht verfilzt gewesen. Legehennen habe er gar nie gehabt, sondern nur junge Hühner – es sei nur dann und wann vorgekommen, dass ein Huhn Eier gelegt habe. Fehlende Sitzstangen? Solche seien im Stall nicht möglich gewesen. Und ja, gefüttert habe er seine Tiere immer.
An Manches mochte sich der Angeklagte nicht erinnern – auch nicht, als der Gerichtspräsident ihn nach vorne bat ihm einige der «erschreckenden Bilder» zeigte. Oder der Gerichtspräsident wollte von ihm wissen, wie er sich erkläre, dass ein Tierschädel auf der Weide gelegen habe. «Keine Ahnung», lautete die Antwort. Auch dass er seine Hunde und Katzen vernachlässigt haben soll, bestritt er vehement. Er habe diese geliebt. Dass einer der beiden Hunde massiv übergewichtig war, (56,9 statt 30 Kilogramm), stimme zwar; allerdings seien viele Hunde übergewichtig. Und Übergewicht komme auch beim Menschen vor, das stelle man ja auch fest, wenn man seine Postur mit jener des (deutlich schlankeren) Gerichtspräsidenten vergleiche – was im Saal leise Lacher auslöste.
Der Beschuldigte schilderte, wie die Pflege seiner hochbetagten und inzwischen verstorbenen Mutter ihn immer mehr forderte – und er mit der Tierhaltung schliesslich überfordert gewesen sei. Er habe am Schluss nur noch funktioniert, sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. Davon, dass er er Kontrolleuren des Veterinärdienstes Anfang April 2019 mit einem Holzknüppel Gewalt angedroht haben soll, wollte er nichts wissen. Er sei im übrigen damals zu diesem Vorwurf nicht einmal befragt worden.
Polizist bezeichnete Angeklagten als «Tubel»
Im Plädoyer versuchte der Anwalt des Tierhalters die seiner Ansicht nach ungenügende Anklage zu zerpflücken. Er wies auf einen involvierten Polizisten hin, der in einer Email den Beschuldigten als «Tubel» bezeichnet hatte – «die Behörden haben über ihn gespottet.» Der Angeklagte sei aber weder ein «Horror-Bauer» noch ein «Tubel» oder ein «Monster», sondern ein Mensch, der von der Situation mit seiner Mutter stark überfordert gewesen sei.
Nicht erstellt seien vor allem die Vorwürfe, der Angeklagte habe seine Tiere vorsätzlich und böswillig vernachlässigt. So sei ein totes Schaf, das man gefunden habe, 22 Jahre alt gewesen. Andere könnten von Passanten mit altem Brot gefüttert worden sein, was immer wieder vorgekommen und mit Bildern dokumentiert sei. Frässen Schafe zu viel Brot, könne dies Blähungen auslösen, die tödlich enden könnten. Ein Tierarzt, der 18 beschlagnahmte Schafe im Februar 2020 untersucht habe, habe zudem festgestellt, dass manche Tiere zwar mager gewesen seien, aber immer noch im tolerierbaren Rahmen.
Die von der Staatsanwaltschaft beantragte unbedingte Freiheitsstrafe von zehn Monaten und eine Busse von 3000 Franken sei unbegründet und unverhältnismässig. Sein Klient habe nicht «leichtfertig und rücksichtslos gehandelt» und habe auch nie die Absicht gehabt, Tiere zu quälen. Er sei lediglich in einigen Punkten wegen Verstössen schuldig zu sprechen, beispielsweise, dass er einen Miststock nicht genügend gesichert habe, worauf eine Ziege hineingefallen und später verstorben sei. Oder dafür, dass er Tierkadaver nicht fachgerecht entsorgt habe. Angemessen sei eine bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 30 Franken plus eine Busse von 2000 Franken.
Das Gericht will das Urteil nächste Woche verkünden.