Oh, là, là, Fantoche: Das Animationsfilmfestival zeigt seine sinnlichen Seite

16. Internationale Fantoche Animationsfilmfestival

Ab Dienstag 4. September steht Baden während sechs Tagen im Zeichen der Animationsfilme. Insgesamt finden 185 Veranstaltungen an 14 Locations statt. Informationen zum Programm unter: www.fantoche.ch

Die Programmverantwortlichen des Fantoche überraschen das Publikum jedes Jahr aufs Neue. Nachdem im letzten Jahr der britische Animationsfilm und Brexit im Fokus standen, setzt das Festival in seiner 16. Ausgabe auf Erotik. Unter dem Schwerpunkt «Doucement Sexy» (Kuratorin: Eliška Děcká) wird ab dem 4. September der animierten Leibeslust gefrönt. Wer sich auf schmuddelige Füdli-Filme freut, wird enttäuscht sein.

Am Fantoche wird die menschliche Sexualität auf künstlerisch-sinnliche Weise erkundet. Das klingt furchtbar kopflastig, doch Festivalleiterin Annette Schindler erklärt, dass die Filme sich oft mit einem Augenzwinkern dem Thema annähern: «Im Schwerpunkt ist mehr als nur eine Prise Humor drin und man darf bei den Kurzfilmen lachen.»

Das Publikum kommt in drei Kurzfilmprogrammen in den Genuss von neueren, aber auch älteren Animationsfilmen und erlebt so, wie sich der Blick auf die Sexualität über die Jahrzehnte verändert hat. Dabei gibt es die eine oder andere Trouvaille aus der Vergangenheit zu entdecken. «Es ist erstaunlich, wie offen einige der früheren Animationsfilme mit der weiblichen Sexualität umgingen», so Schindler.

Als Beispiel nennt die Festivalleiterin die Kurzfilme von Monique Renault. Die französisch-holländische Animatorin spricht seit den 1970er- Jahren offen Themen wie die weibliche Sexualität und Vorurteile über Geschlechterrollen an. Im Rahmen einer Retrospektive zeigt das Festival eine Auswahl von Renaults Kurzfilmen. In einer weiteren Retrospektive wird zudem das Schaffen von Vera Neubauer gewürdigt, ebenfalls eine Pionierin des Animationsfilms.

Erotik im Gottesdienst

Der Schwerpunkt Erotik beschränkt sich nicht nur auf die Leinwand, sondern erstreckt sich darüber hinaus auf eine Reihe von Projekten. Aus einer Zusammenarbeit mit dem Theater Marie ist beispielsweise «Animeo & Humania» entstanden. Das Comic Festival Fumetto hat hingegen in der Galerie DoK ein Boudoir errichtet, wo flauschige Sofas und erotische Comics zum Verweilen locken.

Ungewöhnlich, aber alles andere als uninteressant dürfte die Zusammenarbeit mit der Reformierten Kirche Baden werden. Annette Schindler erzählt, dass Pfarrerin Christina Huppenbauer seit längerem mit dem Festival zusammenarbeiten wollte. Als die Festivalleiterin Huppenbauer den diesjährigen Schwerpunkt präsentierte, antwortete die Geistliche kurzerhand «wieso nicht». Im Zentrum von Huppenbauers Gottesdienst stehen der Kurzfilm «Adam» (Regie: Evelyn Ross) und die komplizierte Beziehung zwischen Sinnlichkeit und Glaube. Gäste, die ob all der nackten Haut auf der Leinwand ebenfalls die Kleider ablegen wollen, können das im Bagno Popolare an der Limmatpromenade tun – bitte mit Badehose.

Nebst der Erotik öffnet das Festival seine Türen für den lettischen Animationsfilm. Aus Anlass des 100-jährigen Staatsjubiläums gibt Fantoche einen Einblick in das wenig bekannte Animationsfilmschaffen Lettlands.

Der Wettbewerbsteil des Festivals ist, wie in den vorherigen Ausgaben, in drei Kategorien unterteilt: Internationale Filme, Schweizer Filme und Kinderfilme. Dieses Jahr hätten sich so viele Filme für das Fantoche beworben wie nie zuvor, so Festivalleiterin Schindler. Von den insgesamt 2349 Einreichungen wurden schliesslich 73 Kurzfilme für die Wettbewerbe selektioniert. Erfreulich ist, dass mit «SELFIES» (R: Claudius Gentinetta) und «Crossing Over» (R: Lotti Bauer) erneut Schweizer Beiträge im Internationalen Wettbewerb mit von der Partie sind. Ausserdem sind im Schweizer Wettbewerb bemerkenswert viele Beiträge aus der Westschweiz vertreten.

Viele politische Filme

Die Wettbewerbskategorien stehen Filmen von maximal 40 Minuten Dauer offen, doch am Fantoche finden von jeher auch animierte Langfilme ihren Platz. Unter den 21 selektionierten Langfilmen fällt auf, dass viele von ihnen historisch-politische Themen aufgreifen. «Funan» (R: Denis Do»), der Eröffnungsfilm, spielt Mitte der 1970er-Jahre in Kambodscha, als die Roten Khmer die Macht über das Land ergriffen.

 

Nora Twomeys «The Breadwinner» zeigt den Kampf eines Mädchens in Kabul unter der Herrschaft der Taliban. Zu diesen Filmen gesellt sich auch «Chris the Swiss» von Anja Kofmel. Der Animadoc untersucht den Tod von Kofmels Cousin im Jugoslawienkrieg und wurde dieses Jahr in Cannes begeistert aufgenommen. Kofmel wird am Festival persönlich anwesend sein und dem Publikum über die schwierige Herstellungsgeschichte hinter ihrem Film berichten.