
Opus 48 spielt Mozarts Requiem: Schön herausgearbeitete Klangfarben
Mozarts konnte sein Requiem kurz vor seinem Tod gerade noch zu zwei Dritteln ausführen, Franz Xaver Süssmayer hat es dann schliesslich fertig ausgearbeitet. So wurde es zur legendumrankten eigenen Totenmesse. Sie geniesst eine unverändert hohe musikalische Wertschätzung und war stets populär bis sogar staatstragend. Das Publikum glaubt zu wissen, wie sie zu klingen hat. Dankbar ist das Requiem für Chor, Orchester und Solisten trotzdem. Es gilt Dramatik und Reichtum dieser Seelenmesse ergreifend herauszuarbeiten, ohne dem Pathos zu verfallen.
Kontrapunkt mit Bach
Das in Zofingen angesiedelte Vokalensemble Opus 48 macht es an diesem Sonntagspätnachmittag in der vollen Stadtkirche Zofingen spannend. Begleitet vom Capriccio Barockorchester stimmt es das Publikum mit Bachs Kantate «Es wartet alles auf dich» (BWV 187) auf das Konzert ein. Das Werk lehnt an die in den Evangelien beschriebene wundersame Brotvermehrung an und bildet einen lebensbejahenden heiteren Gegensatz zu dem, was später noch kommen soll. Die Kraft, die aus einer abgemessenen Ruhe entspringt, bringt das Ensemble überzeugend zum Ausdruck. Das formgebende Orchester brilliert mit stupender Sicherheit. Das Drängen des Chores, der nach Nahrung verlangt, wird von den Solisten zur gelassenen Zuversicht in die Fürsorge Gottes aufgelöst. Die Solisten Kai Florian Bischoff (Bass), Roswitha Müller (Mezzosopran) und Barbara Zinniker (Sopran) glänzen mit ihren stimmlichen Qualitäten.
Behutsame Kraft
Es ist ein zurückgenommenes Pathos, mit der das Barockorchester Capriccio zum dunkel ahndungsvollen Introitus des Requiems anhebt. Der Chor erklingt hell und klar, die Dynamik ist mit Feingefühl ausgearbeitet. Die Zuhörer können sich unbeschwert in die Motivik des Werks und dunkle Moll-Stimmung hineinversenken. Das in Sechzehnteln abwärts fliessende «Kyrie Eleison» veranschaulicht die Fähigkeit des Chors, die Klangfarben sorgfältig zu gestalten und auszuloten. Der Vortrag ist schmissig und zugleich gefühlvoll. Das Orchester bildet den Taktgeber für ausdifferenzierte Spannungsbögen, die das Publikum fesseln. Das feierliche «Dies Irae» ist druckvoll gestaltet, im «Tuba Mirum» glänzen die Solisten, hinzugekommen im Tenor: Tino Brütsch, sehr souverän in Intonation und Textdeklamation. Das Zuhören ist ein Genuss, was auch für das «Rex tremendae» und das «Ricordare» gilt. Das «Confutatis» wirkt dann etwas blass. Die drängend-druckvollen Chorpassagen der Höllenvision («confutatis maledictis …») sind den Engelszungen gleichen-Frauenstimmen, die um Aufnahme ihrer Seelen bitten («voca me cum benedictis …»), zu wenig scharf und präzis entgegengesetzt. Anrührend sind die weichen, präzisen, sich zu einer stimmigen Dynamik ausweitenden Klänge im «Lacrimosa».
Im Offertorium («Domine Jesu Christe …)» zerfasert und verwischt der Chorgesang etwas. Die einzelnen Stimmen sind nicht ganz klar voneinander abgesetzt. Chor und Orchester stimmen im Metrum nicht ganz überein. Die Spannung lässt da leider etwas nach, man fühlt sich zu wenig gut geführt. Möglich, dass es an der spezifischen Akustik der Kirche liegt. Am Vorabend in Lenzburg ist dieser Teil auf Nachfrage hin weit besser gelungen. Die stimmig vorgetragenen «Sanctus» und «Agnus Dei» machen dies wieder wett. Und mit der «Communio» gibt es einen strahlenden Abschluss.
Dem Vokalensemble Opus 48, dem Capriccio Barockorchester und den vier Solisten unter der Gesamtleitung von Peter Baumann gelingt eine berührende, ja oftmals ergreifende Darbietung. Zahlreiche Facetten sind mit viel Sinn für Details stimmig herausgeschält, das Thema ist mit Behutsamkeit, aber auch Kraft und Dynamik erfasst. Der Applaus in der Stadtkirche kommt von Herzen. Das Konzert ist ein emotionales Erlebnis, das man gerne genossen hat.