
«Orient-Express Catering»: Kochen ist für die Syrerin Layla Ibrahim ein Stück Heimat
Layla Ibrahim bereitet in ihrer Küche aleppinische Speisen zu. Bilder: Janine Müller Layla Ibrahim bereitet in ihrer Küche aleppinische Speisen zu. Bilder: Janine Müller Layla Ibrahim bereitet in ihrer Küche aleppinische Speisen zu. Bilder: Janine Müller Layla Ibrahim bereitet in ihrer Küche aleppinische Speisen zu. Bilder: Janine Müller Layla Ibrahim bereitet in ihrer Küche aleppinische Speisen zu. Bilder: Janine Müller Layla Ibrahim bereitet in ihrer Küche aleppinische Speisen zu. Bilder: Janine Müller Layla Ibrahim bereitet in ihrer Küche aleppinische Speisen zu. Bilder: Janine Müller Layla Ibrahim bereitet in ihrer Küche aleppinische Speisen zu. Bilder: Janine Müller
Heimat, das ist für Layla Ibrahim in der Schweiz syrisches Essen. Besser: aleppinisches Essen. Und weil sie das selbst gerne kocht, hat sie daraus eine Geschäftsidee entwickelt. Unter dem Namen «Orient-Express Catering» baut sie unter Mithilfe von Lama Ziada und Samira Mohamad ein Unternehmen auf, das in der ganzen Schweiz aktiv sein soll. Mehr und mehr will sie syrische Frauen, die in der Schweiz leben, einbinden, um diesen eine Einkommensmöglichkeit zu bieten. Denn Layla Ibrahim weiss, wie schwer es ist, sich in der Schweiz zurechtzufinden.
Die heute 47-Jährige flüchtete 2012 aus der syrischen Stadt Aleppo über den Libanon in die Schweiz. Sie arbeitete als Personalverantwortliche am Universitätsspital von Aleppo und verhalf einem Arzt zur Flucht vor dem syrischen Geheimdienst. Das brachte Layla Ibrahim selbst in Gefahr. Über Nacht musste sie aus ihrer Heimat fliehen. Im Libanon schlug sie sich zehn Monate durch. Die Lebenskosten in Beirut waren unwahrscheinlich hoch, am Ende war alles Ersparte aufgebraucht.
In Zofingen fühlte sie sich sofort wohl
Dank der Möglichkeit eines Familiennachzugs – Layla Ibrahims Schwester wohnte schon in der Schweiz – konnte die syrische Kurdin mit der Mutter in die Schweiz einreisen. Erste Station war das Asylzentrum in Suhr. In der Unterkunft war sie aktiv; sie machte Übersetzungen, schaute zu den Kindern. «Ich konnte nicht einfach den ganzen Tag herumsitzen», sagt sie. Stolz sei sie auf die zusätzlichen 7 Franken gewesen, die sie sich damit pro Tag verdiente. In Syrien sei sie als 22-Jährige selbstständig gewesen, als 40-jährige Asylbewerberin in der Schweiz nicht. Das betrübte die damals alleinstehende Frau. Bald aber erhielt sie den B-Ausweis und zog nach Zofingen.
Sie hatte zum ersten Mal Glück: Der Vermieter reduzierte die Miete der Wohnung so, dass sich Layla Ibrahim das überhaupt leisten konnte. Die Stadt hat sie von Beginn weg ins Herz geschlossen. «Hier fühlte ich mich sofort wohl.» Zum zweiten Glück verhalf ihr der Markt in der Altstadt. Interessiert schaute sie dem Treiben zu und entschied, selbst einen Stand zu mieten und syrische Spezialitäten zu verkaufen. Diese waren derart beliebt, dass sie mit leeren Gefässen nach Hause ging. «Damals dachte ich zum ersten Mal daran, ein Catering anzubieten», erinnert sich Layla Ibrahim. Die Teilnahme am Markt verhalf ihr zu einem Teilzeitjob im Zofinger Bioladen. Gleichzeitig wurde die Reformierte Kirchgemeinde Zofingen auf das Essen der Syrerin aufmerksam. Oft hat sie für den Anlass «Meet & Eat» sowie für Jugendlager gekocht und an Weihnachten in der Küche geholfen. Zwei Mal durfte sie auf Bestellung Essen liefern.
Dabei kam es zu ihrem dritten Glück. Anlässlich ihres Cateringeinsatzes hielt Theologieprofessor Thomas Staubli aus Fribourg einen Vortrag über die Entstehung des Christentums im Orient. «Ein Europäer, der einen Vortrag über den Orient hält, das wollte ich hören», sagt Layla Ibrahim und lacht. In der Pause gesellte sie sich zum Referenten, wollte wissen, ob er schon mal in Syrien war. Thomas Staubli bejahte und überzeugte Layla Ibrahim zudem mit ein paar Brocken Arabisch. Gut ein Jahr pflegten die beiden eine Freundschaft, bis daraus Liebe wurde und sie 2018 heirateten. Inzwischen wohnen sie im Mühlethal. «Thomas hat orientalische Gewürze in sich, obwohl er Schweizer ist», scherzt Layla Ibrahim. Er wiederum war schon vor der Begegnung mit Layla Ibrahim begeistert von Syrien. Am Esstisch im Haus im Mühlethal schwärmt er vom kurdischen Teil Syriens im Norden, erzählt von grünen Tälern, bestellten Feldern und eben: vom wunderbaren aleppinischen Essen, das sich deutlich von der syrischen Küche abhebe. Das lockt Layla Ibrahim ein Lächeln auf die Lippen. Sie erklärt: «Aleppo ist eine Handelsstadt. Das macht sich in der Küche bemerkbar.»
Was die aleppinische Küche ausmacht
Ausführlich erzählt sie, was die aleppinische Küche ausmacht. Es sei die Mischung zwischen süss und sauer, sagt sie und präsentiert der Journalistin gleich ein ganzes Menü. Unter den Vorspeisen befinden sich Baba Ghanusch, Hummus oder mit Randen gefärbte Räben. Fünf bis sechs Stunden steht Layla Ibrahim dafür in der Küche. Je nach Anzahl der Vorspeisen. Zum Hauptgang präsentiert sie zwei typische aleppinische Gerichte: Lammfleisch in einer Quittensauce (Safardschaliye) sowie Hackbällchen aus Lammfleisch in einer Sauce mit Sauerkirschen, serviert auf Fladenbrot (Lahme beKeres). Zum Dessert serviert sie Köstlichkeiten wie süsse Auberginen mit Baumnüssen (Murabba al-Banjan), eingelegte Kabbad (eine Art Zitrusfrucht) oder einen Teig, bestehend aus Weizengriess, Mozzarella, Zuckersirup und Pistazien (Halawa al-Jibn).
Das alles sind Gerichte, die in ihrem Catering-Unternehmen zu haben sind. Und stets sollen sie perfekt und frisch sein, wie Layla Ibrahim betont. «Die Qualität muss in der ganzen Schweiz gleich sein.» Darum wird sie zu Beginn die Frauen begleiten. «Wir wollen zeigen, dass wir keinen Krieg bringen, sondern gutes Essen und damit auch einen Teil unserer Kultur», sagt Layla Ibrahim. Mit der syrischen Küche will sie beweisen, dass aus ihrem Land nicht nur Schlechtes kommt. «Wir bringen ein grosses Erbe mit uns, tatsächlich aber entwickelt sich unsere Gesellschaft gerade nicht positiv.» Derzeit wird sie das Essen nur auf Bestellung (ab zehn Personen) ausliefern. Später sollen eigene Räumlichkeiten, allenfalls sogar ein Restaurant, dazukommen.
Ein Verein soll die Frauen untereinander vernetzen
Zusätzlich zum Catering-Unternehmen gründet Layla Ibrahim einen Verein, der syrische Frauen unterstützt und vernetzt. «Viele syrische Frauen haben eine gute Ausbildung, müssen hier aber einfache Arbeiten ausführen», erklärt Layla Ibrahim. «Ich möchte erreichen, dass syrische Frauen hier in der Schweiz ein Studium absolvieren können oder so vernetzt werden, dass sie eine gute Arbeitsstelle finden.» Syrische Frauen würden noch mehr unter Druck stehen als ihre männlichen Landsleute. «Sie haben Druck durch das Patriarchat, Druck durch die Gesellschaft, Druck durch die Fremde und manchmal auch Druck durch die Kinder, die in eine neue Kultur hineinwachsen.» Das bedeute sehr viel Stress. «Dabei versuchen sich die Frauen oftmals mehr zu integrieren als die Männer», sagt Layla Ibrahim. Unterstützt wird sie bei ihrem Projekt vom jungen Syrer Hasan Hawar, der Layla Ibrahims Website (www.orient-expresscatering.com) erstellt hat und diese auch betreut.
Entstanden ist die ganze Idee übrigens während Layla Ibrahims Masterstudium an der Uni Bern in Humangeografie. Von diesem schwärmt die Kurdin: «Im Studium ist für mich eine neue Welt aufgegangen. Hier darf man über alles diskutieren. In Syrien wurde sie zur Elektroinstallateurin ausgebildet, zudem studierte sie auch dort schon Humangeografie. Ihre Masterarbeit in Bern schreibt sie zum Thema «Entqualifizierte syrische Frauen». Die Erfahrungen dazu sammelt sie an der Uni Zürich, wo sie in einem Programm zur Bewältigung von Alltagsschwierigkeiten für Menschen aus Syrien mitarbeitet. «Damit finden wir heraus, mit welchen Problemen die Flüchtlinge zu kämpfen haben.» Informationen zur Welt der Migranten in der Schweiz sammelt Layla Ibrahim auch als Moderatorin beim Internetsender «Diaspora TV».
Positiv für ihr Projekt stimmt sie, dass sie in der Schweiz viel Frauensolidarität erfahren hat, zum Beispiel am Frauenstreik in Bern. «Ich war schon in Syrien eine Feministin, obwohl ich den Begriff da noch nicht kannte», sagt sie. «Ich wollte mich selbst befreien.» Mit ihrem Catering-Unternehmen und der Vereinsgründung ist Layla Ibrahim-Staubli auf bestem Weg dazu.