
Passivsport kann gefährlich sein
Die Ski-WM in St. Moritz ist zu Ende und ich bin deswegen nicht unglücklich. Für einmal hat es nichts mit meiner Antipathie tiefen Temperaturen und Schnee gegenüber zu tun. Es geht um meine Nerven. Luca Aernis Goldmedaille und Mauro Caviezels Bronze in der Kombination: verpasst! Wendy Holdeners Sieg und Michelle Gisins Silberfahrt in derselben Disziplin der Frauen: verpasst! Wendy Holdeners Edelmetall im Spezialslalom: verpasst! Nicht, dass ich die Termine vergessen oder keinen Zugang zu einem Fernseher gehabt hätte, ich wollte nicht live dabei sein – oder besser gesagt, ich konnte nicht. Ich kann keinem Wettkampf beiwohnen, ohne für eine Sportlerin, einen Sportler oder ein Team zu fanen. Und selbst, wenn sich für einmal die Sympathien in Grenzen halten, bleibt mir ja immer noch, gegen jemanden zu sein. Der ehrlichen Bewunderung wegen fällt es mir besonders schwer, die Spiele von Roger Federer mitzuverfolgen. Der Puls steigt in ähnliche Höhen wie beim Protagonisten und auch die Schweissproduktion wird vom puren Zuschauen angekurbelt. Ähnlich geht es mir bei den technischen Disziplinen im Skisport. Bei jedem Tor ist die Gefahr eines Ausscheidens omnipräsent und am Schluss entscheidet oft ein Wimpernschlag über Erfolg oder Niederlage. Ich bin Schweizer und
freue mich, wenn «wir» uns gegen die meist grösseren Nationen durchsetzen. Mit Pleiten habe ich aber Mühe und es kann Stunden dauern, bis ich mich wieder beruhigt habe. Auch ich werde älter und mein Herz anfälliger. Deshalb schalte ich heute öfters als früher den Fernseher einfach ab – und schaue mir später die Zusammenfassung an.
Die Achillesferse stammt als Begriff aus der griechischen Mythologie: Sagenheld Achilleus war nur an der rechten Ferse verwundbar. Verletzliche Stellen im System sind auch Thema dieser Kolumne.