Performance im Kunsthaus: Schmissige Loops durch den Blätterwald

Eine Frau und ein Mann räkeln sich, lassen ihre Schultern kreisen und setzen Gelenk für Gelenk ihres Körpers in Gang. Was zunächst noch eckige Bewegungen sind, wird fliessend. Eine Soundspur setzt einen Rhythmus, der wie ein Herzschlag pulsiert. «Loop» heisst diese Tanzperformance der Compagnie MIR. Choreografiert hat sie Béatrice Götz für den offenen Raum. Doch der Ballsaal im Kunsthaus Zofingen ist verstellt. Im Rahmen der Ausstellung Bodenlos III hängen über den Raum verteilt Papierbahnen mit Körperabdrucken, die rund 50 Zentimeter über dem Boden enden. Unter dem Titel «Ringen» hat die Aargauer Künstlerin Susanne Lemberg in elf Blättern einen inneren Dialog mit sich selbst ins Papier gepresst. Was dem Publikum entgegenleuchtet, sind Momentaufnahmen von bewegter Innerlichkeit. Das wechselnde Tageslicht – am Abend flimmern Neonröhren – lässt die Abdrucke ganz unterschiedlich anmuten. Die Installation ist frontal, aber auf keinen bestimmten Fluchtpunkt ausgerichtet. Nur wer sich selbst bewegt, mitten in die vielschichtige Installation hineinbegibt, vermag sie – Stück für Stück – zu erfassen.

Rotierende Powermoves
Mit ihrem Tanz «Loop» leisten Chantal Sieber und Toschkin Schalnich diesem Lockruf Folge. Und sie tun noch sehr mehr als das. Ihr spannungsgeladener Tanz ist selbst ein Ringen. Ihre Körper umtanzen einander im steten Spiel zwischen Anziehung und Abstossung. Dem inneren Ringen Susanne Lembergs setzen sie ihren eigenen Dialog entgegen. Die Papierbahnen sind Sichtbarrieren, die die Tänzer stets umzirkeln müssen, um einander im Blickfeld behalten zu können. Der rund 12- minütige Tanz ist sehr akrobatisch. Mit House und Breakdance sowie raumgreifendem Street Dance durchstösst das Duo die Fluchten des Raumes. Das tänzelnde Top Rocking verschafft der Performance eine wunderbare Leichtigkeit. Breakdance-Footwork und Bodenfiguren scheinen wie angegossen auf die Installation zu passen. Die Tänzer umkreisen die Körperabdrucke nicht nur, sie schliddern mit ihren Glides auch unter den Blättern hindurch. Die Dramaturgie spitzt sich zu. Immer enger umkreisen sich die beiden Performer. Kritisch beäugen sie sich gegenseitig in ihrem Tun. Schalnich setzt mit kreiselnden Powermoves wie Headspin, Flare und Windmill zentrifugale Kräfte ins Spiel. Das zieht Sieber hypnotisch in den Bann. Doch hält sie entgegen, provoziert und lockt ihn mit ihren eigenen Moves. Die Umarmung, zu der es unweigerlich kommt, ist ein Freeze. Das Spiel ist nun befreiter, zugleich baut sich die Spannung dann aber auch bis zum Stillstand ab.

Die aktionsgeladene Performance besticht durch ihre Geschlossenheit und Ausdruckskraft. Und sie versetzt das Publikum selbst in Bewegung. Über die Aussenwände des Ballsaales verteilt, muss es sich seine ideale Blickperspektive während dieser aktionsreichen Minuten stets von neuem suchen, verlagert etwas die Position, um in die Zwischenräume hineinsehen zu können. Der Tanz findet in stark reduzierter Form damit auch in den Körpern des Publikums seinen Widerhall. Der begeisterte Applaus des Publikums verdeutlicht: Einmal mehr ist es der Ausstellungsreihe Bodenlos gelungen, Kunst und Tanz auf sehr anregende Art miteinander zu verbinden.

Das Schlussfurioso zu Bodenlos III im Kunsthaus wird am 17. Dezember Yasmine Hugonnet mit Auszügen aus ihrer Performance «Le Récital des Postures» setzen. Auch sie wird Lembergs Installation im Ballsaal bespielen. Der Vergleich mit «Loop» von MIR dürfte weitere Erkenntnisse über die zahlreichen Möglichkeiten bringen, wie Tanz und Bildende Kunst einander gegenseitig beleuchten und befördern können.