
Pizza, Prämien und Peitsche: Wie die Menschen zum Impfen bewegt werden sollen
Jetzt sind gute Ideen gefragt, um die Menschen zur Impfung zu bewegen. Denn die Impfquote ist noch immer zu tief, erst 48 Prozent der Bevölkerung haben sich bis jetzt vollständig impfen lassen. Die Schweiz bildet in Westeuropa das Schlusslicht beim Piksen, auch wenn gerade Ferien sind und viele Impfwillige erst nach der Rückkehr zur Tat schreiten werden. Trotzdem stellt sich die Frage, wie man hierzulande die Impfquote steigern könnte. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zeigt sich besorgt: «Die Fallzahlen steigen, unsere wieder gewonnene Freiheit ist fragil.»
Deshalb hat das BAG am Mittwoch die Kantone zu einem Workshop geladen. Rund 100 Expertinnen und Experten trafen sich zu einer Online-Sitzung, um Ideen zu wälzen. Impfbusse, Walk-ins, spontane Impf-Angebote in Einkaufszentren, an Fussballmatchs oder Grossveranstaltungen. Gemäss Michael Jordi, Generalsekretär der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK), wolle man vor allem den Zugang zur Impfung mit möglichst niederschwelligen Angeboten erleichtern.

Thüringer Bratwurst als Dank für alle, die sich impfen lassen.
Eine Wohnung als Belohnung
Im Ausland scheinen sich Impf-Belohnungen zu bewähren. So ködern israelische Städte die Impfmuffel mit Hummus und Pizza, in Thüringen mit Bratwurst und in Sachsen gibt es Freikarten für Fussballfans. In Hong Kong haben Bauherren zusammen mit philanthropischen Stiftungen einen Lotteriefonds gegründet und verlosen Wohnungen an ausschliesslich geimpfte Einwohner. Und auch die USA richten mit grosser Kelle an. Dort stellt Präsident Biden jedem neu geimpften US-Bürger 100 Dollar in Aussicht.
Geldgeschenke stehen auch in Österreich zur Diskussion. Dort geht man davon aus, dass Prämien von 100 Euro zu einer Impfbereitschaft von 80 Prozent führen würden, bei 500 Euro wäre gar eine Impfquote von 90 Prozent möglich, schreibt die österreichische Tageszeitung «Der Kurier». Auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat hierzulande auf dem Bundesplatz schon einmal Kuchen verteilt für Geimpfte. Aber: «Seitens Bund sind aktuell keine Impfbelohnungen vorgesehen, die Kantone können das jedoch frei entscheiden», schreibt das BAG auf Anfrage.

Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom (links) übergibt Geldgeschenke an zwei Gewinnerinnen der Impf-Lotterie.
Was bringen Belohnungen? Und wären sie hierzulande auch so effektiv wie andernorts? Ein Verhaltensökonom sagt in einem Hintergrundgespräch, dass jeder Anreiz stets einen Nebeneffekt habe. Wenn man zum Beispiel Geimpften 500 Franken verspreche, habe das einen einmaligen Effekt und sei kaum nachhaltig. «Wir brauchen die Impfung langfristig, die Pandemie ist nicht vorbei und wir wissen nicht, ob wir noch einen dritten oder vierten Piks brauchen werden.»
Zu bequem, um den automatischen Termin abzusagen
Ausserdem, so sagt der Verhaltensökonom, führten solche Anreize zu einer sogenannten Ungleichaversion. Das heisst, all jene, die sich freiwillig geimpft haben, erhalten keine Belohnung, was zu Unmut unter den Geimpften führe. Er sagt ausserdem: «Testen muss gratis bleiben, das ist ausserordentlich wichtig.» Das sei von grosser Bedeutung für jene mit einer negativen Bereitschaft, die also Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen, um sich nicht impfen zu müssen.
Denn negative Anreize, wie zum Beispiel ein Verbot von Restaurantbesuchen für Ungeimpfte, würden negative Reaktionen auslösen. «Für Leute, die sich nicht impfen lassen möchten, muss es niederschwellige Auswegoptionen geben, denn sonst verhärten sich die Fronten.» Der Experte widerspricht damit Bundespräsident Guy Parmelin. Dieser sprach sich unlängst dagegen aus, dass der Bund weiterhin die Testkosten für Ungeimpfte übernehme.
Denn übers Portemonnaie, so der SVP-Magistrat, könne Druck auf die Ungeimpften ausgeübt werden. Der geimpfte Steuerzahler solle die Tests für Ungeimpfte nicht mitbezahlen müssen. Der «Blick» rechnete gestern vor, dass sich die Testkosten für Ungeimpfte auf 20 Millionen Franken pro Monat belaufen. Auch der Verhaltenswissenschaftler Gilles Chatelain widerspricht und bringt eine andere Idee ins Spiel: Man solle Impfunwilligen einen automatischen Terminvorschlag zuschicken. Er sagt:
«Menschen folgen meistens Voreinstellungen: Zum Beispiel der Eco-Modus bei der Abwaschmaschine, das oftmals unpassende Mobilabonnement, Zustelloptionen beim Onlineshopping, und vieles mehr.»
Entscheidend sei, dass weiterhin Impf-Unwillige den Terminvorschlag ohne Aufwand oder persönliche Nachteile ablehnen könnten. «Seriöse verhaltenswissenschaftliche Strategien basieren generell nie auf Zwang», sagt der Experte.