Polit-Neuling Peter Siegrist: «Auf einmal war ich Stadtrat»

(Bild: Oliver Schweizer)
(Bild: Oliver Schweizer)

ZUR PERSON

Peter Siegrist wurde am 16. Mai 1966 in Zofingen geboren, wo er aufgewachsen ist. An der HWV Olten (heute Fachhochschule Nordwestschweiz) hat Siegrist Betriebswirtschaft, Organisation und Wirtschaftsinformatik studiert. Nach dem Studium arbeitete er als Projektleiter bei einer Grossbank, bis er anfangs der Nullerjahre als Geschäftsführer den Moonwalker Music Club (Heute «Musigburg») übernahm, den er bis 2014 erfolgreich führte. Seit 2014 ist Siegrist Geschäftsführer des Altstadtlokals «Key 69». Siegrist wohnt seit über 20 Jahren in der Zofinger Altstadt.

Herr Siegrist, wie ging es Ihnen am Sonntag, dem 25. Juni 2017, als klar war, dass Sie als Stadtrat gewählt waren?

Siegrist: Ich weiss noch, wie ich den Wecker auf 9 Uhr gestellt habe in der Meinung, ich könne noch gemütlich einen Film auf DVD schauen, bis das Telefon aus dem Rathaus klingle. Daraus wurde aber nichts: Kurz nach 9 Uhr kam bereits der Anruf mit der Nachricht, ich sei gewählt. Nach dem ersten Wahlgang, in dem mir nur 55 Stimmen gefehlt hatten, war ich natürlich vorgewarnt. Es war trotzdem ein überwältigendes Gefühl, beinahe ohne Wahlpropaganda den Sprung in den Stadtrat geschafft zu haben. Meine Kandidatur habe ich ja sehr spontan zwei Tage vor Anmeldefrist eingereicht. Ohne die gütige Hilfe von Vize-Stadtschreiberin Catrin Friedli hätte ich nicht mal die Anmeldung korrekt hinbekommen. Aber die Wahlparty am Sonntagabend habe ich selber organisiert, das war übrigens bei weitem der grösste Budget-Posten in meinem Wahlkampf (lacht schallend).

Hand aufs Herz: Bekamen Sie es nicht ein wenig mit der Angst zu tun, als Sie realisierten, dass Sie nun tatsächlich Stadtrat werden?

Die Sache ist die: ich hatte zu diesem Zeitpunkt so gut wie gar keine Ahnung, was da auf mich zukommt. Meine Kenntnisse der politischen Abläufe in einer Gemeinde tendierten stark gegen Null. Ich wusste also gar nicht, wovor ich Angst haben sollte.

Aber bereut haben Sie Ihre Kandidatur nie?

Nein. Es mag jetzt etwas pathetisch klingen, aber es macht mir ehrlich sehr viel Freude, meiner Stadt dienen zu dürfen.

Haben Sie sich im halben Jahr zwischen Wahl und Amtsantritt spezifisch auf Ihre Aufgabe vorbereitet?

Nach der Wahl kam Stadtammann Hans-Ruedi Hottiger direkt auf mich zu und bot mir eine Art Einführungsprogramm in allen Bereichen der Stadtverwaltung an. Dieses Angebot nahm ich natürlich dankend an und ich rechne es Hans-Ruedi bis heute hoch an, dass er mir den Einstieg so unkompliziert ermöglicht hat. Meine Stadtratskolleginnen und –Kollegen konnten natürlich erahnen, dass ich als absoluter Polit-Neuling ein potentieller Störfaktor werden würde – insofern war es auch in ihrem Interesse, mich schnell für meine Aufgabe fit zu machen, damit ich den Betrieb weniger aufhalte (lacht).

Würden Sie sagen, dass der Stadtrat sie wohlwollend in seine Reihen aufgenommen hat?

Absolut! Ich hatte schon vor Amtsantritt mit all meinen neuen Kolleginnen und Kollegen Kontakt, mit Christiane Guyer organisierte ich zum Beispiel bereits im Herbst 2017 das Fest für die Helfer, die die Stadt bei der Beseitigung der Unwetterschäden unterstützt haben. Einige Stadträte kannte ich natürlich schon länger, ich wohne ja seit einer halben Ewigkeit in der Altstadt und bin als Gastronom tätig und früher als Kulturveranstalter, da läuft man sich immer wieder über den Weg. Generell würde ich unser Verhältnis als sehr kollegial bezeichnen, auch wenn wir in gewissen Geschäften bisweilen ziemlich unterschiedliche Meinungen vertreten.

Hatten Sie ein Wunschressort?

Ich glaube, wenn man eine strukturierte Vorgehensweise hat, kann man jedes Ressort erfolgreich führen. Mein Ressort heisst «Natur und Unterhalt, Stadtmarketing und Sport». Ein ziemlich umfangreiches Ressort, hinter dem sich mehr verbirgt, als ich anfangs dachte. Zum Beispiel gehört die Forstwirtschaft da rein, der Werkhof, der Friedhof, die Badi, die Sportanlagen und so weiter. Eigentlich wollte ich eine Art Prioritätenliste mit Themen anlegen, aber mein Amtsantritt fiel ja ziemlich genau mit dem Sturm Burglind zusammen. Danach brauchte ich keine Prioritätenliste mehr (lacht). Die ersten Wochen standen ganz im Zeichen des Waldes. Das war mir eine Lehre: Wenn’s brennt, muss man handeln.

Sie sind sich aus ihrem Berufsleben gewohnt, alleine zu entscheiden und Pläne rasch in die Tat umzusetzen. In der Politik mahlen die Mühlen bekanntlich etwas langsamer. Mussten sie Geduld üben?

Allerdings! Auf einmal reden nun sechs Leute mit, die nicht zwingend gleicher Meinung sein müssen wie du selber. Und dann realisierst du, dass auch innerhalb des Stadtrates immer ein absolutes Mehr vonnöten ist. Das kann dazu führen, dass etliche deiner Ideen im Papierkorb versenkt werden, das musste ich anfangs öfter erleben. Aber da muss man halt durch und ich denke, dass ich nicht schlecht einstecken kann.

Kann es für den Stadtrat auch von Vorteil sein, einen unverbrauchten Polit-Neuling in den eigenen Reihen zu haben?

Ich hoffe es. Meine Fragen – und ich stelle immer noch sehr viele Fragen – sind für meine politisch erfahrenen Ratskollegen vielleicht manchmal etwas mühsam, weil sie den Betrieb aufhalten. Andererseits kann es vorteilhaft sein, wenn man mit gesundem Menschenverstand über den Tellerrand rausdenkt, ohne ständig das einengende «politische Korsett» im Hinterkopf zu haben.

Noch eine kleine Anmerkung: Ich musste nicht nur lernen, wie der politische Betrieb funktioniert, sondern auch meine Geographiekenntnisse der Region stark verbessern. So habe ich an den Stadtrats-Sitzungen eine kleine Karte der Region dabei, damit ich nachschauen kann, wo die Orte, über die wir sprechen, überhaupt liegen (lacht), ich kenne ja quasi nur die Altstadt! Als ich die Charity-Strecke des Powermans kürzlich ablaufen wollte – ich möchte da gerne mitmachen – und wegen Holzschlags einen Umweg machen musste, habe ich mich trotzdem wieder heillos verlaufen.

Welches waren die Highlights Ihres ersten Amtsjahres als Stadtrat?

Als in der dritten Einwohnerratssitzung, an der ich als Stadtrat teilnahm, die erste Frage direkt an mich gerichtet wurde und ich in der Funktion als Stadtrat darauf antworten konnte, fand ich das sehr befriedigend. Oder als mein erster Antrag im Stadtrat angenommen wurde, dem etliche Fehlversuche vorangegangen waren (lacht). Das waren schöne Momente.

Ein Highlight waren natürlich die Leichtathletik-SM und das PowerMan-Jubiläum. Ich durfte an der Leichtathkletik-SM sogar Siegerehrungen vornehmen und am PowerMan die Medaillen übergeben.

Ein persönliches Highlight war für mich auch der Stadtrat-Workshop im Zofinger Ferienheim in Adelboden. Nach getaner Arbeit verbrachten wir viel Zeit am Töggelikasten. Nicht ganz ohne Stolz darf ich verkünden, dass der neue Stadtschreiber Fabian Humbel und meine Wenigkeit Hans-Ruedi Hottiger und «Hämu» Plüss nach jahrelanger Dominanz vom «Töggeli-Thron» stossen konnten (lacht herzlich).

Gab es auch schwierige Momente?

Als Neuling im Polit-Zirkus musste ich lernen damit umzugehen, dass ich nicht alle meiner Ideen, auch wenn ich sie mit viel Herzblut verfolge, durchbringen kann. Das sind manchmal schon kleine Dämpfer, aber entmutigen lassen sollte man sich davon nicht.

Mussten Sie eigentlich den Krawatten-Knopf lernen und Anzüge kaufen nach Ihrer Wahl?

Das Lustige ist: ein paar Wochen vor der Wahl entsorgte ich die Anzüge, die ich früher bei der Bank getragen habe, in der Meinung, so etwas würde ich nie mehr brauchen (lacht). Leider geht es als Stadtrat nicht ohne. Auf Wunsch meiner sehr fürsorglichen Kolleginnen und Kollegen schmeisse ich mich nun ab und zu in die neu gekauften Anzüge, aber den Krawattenknopf musste ich mir von Philipp Geiser von Mode Geiser binden lassen, den schaffe ich nicht (lacht). Zum Glück hat mir Philipp angeboten, den Knopf jederzeit wieder zu erneuern, falls es nötig werden sollte.

Hat das Amt als Stadtrat Einfluss auf ihr Privatleben?

Ich glaube eher nicht. Bei der Arbeit im Key 69 ist Politik kein grosses Thema, generell bemühe ich mich, Arbeit, Stadtrat und Privatleben klar voneinander zu trennen. Was sich mit der Wahl etwas geändert hat: Ich treibe mehr Sport. Schuld daran ist mein Vermieter und Freund, der mir vor Amtsantritt geraten hatte, mich auf die Waage zu stellen und das Gewicht zu notieren. Nach der ersten Amtsperiode wäre ich dann bestimmt 5 Kilo schwerer, bei all den Aperos (lacht). Er darf auf keinen Fall Recht kriegen, deshalb habe ich mit Sport begonnen und im ersten Amtsjahr präventiv 5 Kilo abgenommen. Aber das mit den Aperos hat schon was: Ein derart weissweinlastiges Jahr wie 2018 habe ich wohl noch nie erlebt.

A propos Alkohol: An der Grossratspräsidenten-Feier haben Sie zu Ehren von Renata Siegrist einen GLP-Drink kreiert. Wann kommt der Stadtrat-Drink und was wäre drin?

Das könnte schwierig werden. In farblicher Hinsicht war der GLP-Drink natürlich einfach, er musste nur grün sein. Würde ich für einen Stadtrat-Drink alle Parteifarben mixen, wäre das optische Ergebnis wohl eher unsexy, geschmacklich könnte das schon gehen… Ich müsste mir das mal gründlich überlegen.

(Bild: Oliver Schweizer)
(Bild: Oliver Schweizer)