Posten-Schacher bei Bundesbetrieben? So sind die Parteien in den Verwaltungsräten bei SBB, Post, Swisscom & Co. vertreten

Bundesrätin Simonetta Sommaruga (SP) hievt ihren Parteikollegen Christian Levrat an der Spitze des Verwaltungsrats der Post. Die Kritik am Entscheid ist heftig. «Es ist offensichtlich, dass er nicht die am besten geeignete Person für diese Funktion ist», sagte SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi zu Tamedia. FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen sprach von einer «klaren Fehlbesetzung» – dem Parteibuch geschuldet.

Steht der Fall Levrat stellvertretend für ein politisches Job-Geschacher, in dem sich Politiker gegenseitig prestigeträchtige Mandate und Positionen zuschanzen? Oder ist der Fall nur das letzte Aufbäumen eines alten Systems, das sich seit dem Grounding der Swissair allmählich selber abschafft? CH Media hat sich auf eine Spurensuche quer durch die Verwaltungsräte von Post&Co. gemacht.

Bei der Post löst Levrat den CVP-Politiker Urs Schwaller ab. Im Gremium wird er auf einen weiteren Parteikollegen treten: SP-Mann Corrado Pardini wurde letztes Jahr als Vertreter des Personals ins Gremium gewählt. Eine Ausnahme ist die Post nicht. Auch in den anderen bundesnahen Betrieben besetzen Politiker Sitze im Verwaltungsrat. Bei der Flugsicherung Skyguide sind mit dem Nidwaldner Regierungsrat Res Schmid die SVP und mit Bernhard Müller die CSP im Verwaltungsrat.

SP-Mitglieder dominierten SBB-Verwaltungsrat

Im Verwaltungsrat der SBB sitzen mit Fabio Pedrina und Daniel Trolliet zwei SP-Mitglieder. Sie wurden allerdings als Personalvertreter gewählt und von den Verbänden vorgeschlagen. Früher war das anders: SP-Politiker wie Andrea Hämmerle oder Peter Siegenthaler drückten dem SBB-Verwaltungsrat ihren Stempel auf. SP-Mitglied Ulrich Gygi präsidierte das Gremium während sieben Jahren. Heute besteht das Gremium grösstenteils aus unpolitischen Experten.

Gleich sieht es bei der Ruag International aus. Sie kommt ohne bekanntes politisches Gesicht im Verwaltungsrat aus. Trotz der Personalie Levrat gilt deshalb: In den letzten Jahren haben sich die Verwaltungsräte der bundesnahen Betriebe von der Politik entfernt.

Tech-Experten statt Politiker

Auch bei der Swisscom sitzt kein Politiker mehr im Gremium. Drei der neun Verwaltungsräte besitzen gar eine andere als die Schweizer Staatsbürgerschaft. Das war vor wenigen Jahren noch anders. Damals bestimmten Politiker wie der verstorbene Thurgauer CVP-Regierungsrat Felix Rosenberg oder der SP-Politiker Hans Werder die Strategie des Verwaltungsrats.

Heute sitzen dort Experten für Künstliche Intelligenz wie die schwedische Managerin Anna Mossberg oder Cybersicherheits-Fachleute wie der Niederländer Guus Dekkers. «Politische Erfahrungen können in Bezug auf ein solides Beziehungsnetz in der Schweiz ein relevantes, aber nicht zentrales Auswahlkriterium für ein Verwaltungsrats-Mandat sein, begründet Sprecher Josef Huber:

«Da die Anzahl Mitglieder neben dem Staatsvertreter und den zwei Personalvertretern im Verwaltungsrat limitiert ist, stehen unternehmerische und branchenspezifische Kriterien im Vordergrund.»

Ähnlich tönt es bei der Skyguide. Politische Tätigkeiten spielten für die Besetzung des Verwaltungsrats keine Rolle, sagt eine Sprecherin. Die Flugsicherung besetze den Verwaltungsrat nach einem bestimmten Kriterienkatalog. Den kommuniziere sie aber nicht öffentlich. Tatsächlich ist der CSP-Vertreter auch Kommandant der Luftwaffe. Der SVP-Vertreter war lange Militär -und Testpilot.

«Die Post hat keinen direkten Einfluss»

Fachkompetenz ersetzt immer häufiger das politische Beziehungsnetz. Früher war das selbst in der Privatwirtschaft noch anders. Die Swissair stand wie keine andere Firma für die Verflechtung von Wirtschaft und Politik. Der Zürcher Freisinn gab sich im Verwaltungsrat der stolzen Airline die Klinke in die Hand. Die FDP-Vertretung durch Grössen wie Vreni Spoerry oder Eric Honegger verhinderte allerdings nicht, dass die Airline unterging.

Ihr Grounding war auch in Sachen Personalpolitik eine Zäsur: Politische Gegner von SP bis SVP zeigten auf den Filz im Verwaltungsrat. Direkte Verbindungslinien zwischen Parteien und Verwaltungsräten sind seither seltener geworden. Als letztes Refugium konnten sich die Bankräte der Kantonalbanken halten. Im 13-köpfigen Bankrat der Zürcher Kantonalbank sitzt beispielsweise kein einziger Parteiloser. Gewählt wird er vom Kantonsrat.

Vor diesem Hintergrund erstaunt die Ernennung von Levrat zum Post-Präsidenten umso mehr – schliesslich hat er bisher weder ein Unternehmen geleitet noch im Post-Bereich gearbeitet. Wie begründet die Post die Wahl? Sie habe darauf keinen direkten Einfluss, sagt eine Sprecherin. «Das Verfahren und die Auswahl erfolgen beim Präsidium direkt durch den Eigner, das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation.»

«Entwicklung geht nicht mit Anruf an Sommaruga»

Dass Persönlichkeiten mit einem exzellenten politischen Netzwerk von bundesnahen Betrieben wie der Post den Verwaltungsrat präsidieren, kann Guido Schilling, der sich auf die Suche von Kandidatinnen und Kandidaten für Spitzenpositionen spezialisiert hat, nachvollziehen. «Gerade die Post befindet sich im Clinch zwischen privatwirtschaftlich geführtem Unternehmen und Leistungsauftrag», sagt er. Im Verwaltungsrat brauche es ein «ausgezeichnetes Sensorium» für die langfristigen Entwicklungen.

«Die Post ist in gewissen Bereichen Monopolist», sagt Schilling. Gleichzeitig sei das Unternehmen in anderen Teilbereichen stark dem Markt ausgesetzt. «Es muss sich entlang dieser Leitlinien entwickeln. Das geht nicht mit einem Anruf an Simonetta Sommaruga. Das Parlament spielt eine wichtige Rolle. Es entscheidet auch über das Postgesetz.» Ein Verwaltungsratspräsident müsse nicht nur verstehen, wie der Bund als Aktionär ticke, sondern auch das politische System der Schweiz verstehen.

Können Linke Reformen besser durchsetzen?

«In Deutschland führte SPD-Politiker Gerhard Schröder die grössten Reformen durch. Häufig hatte er mit seiner politischen Herkunft die anspruchsvollere Seite schon an Bord», sagt Schilling. «Würde man bei der Post einen Ultraliberalen einsetzen, wäre das Unternehmen in seiner Entwicklung auf Jahre blockiert, weil die Widerstände zu gross wären.» Das breite Poststellennetz sei in seiner Grösse sehr teuer und koste die Schweiz viel. «Das leistet man sich heute noch», sagt Schilling. «Wenn man es weiterentwickeln will, braucht es das Parlament an Bord.»

Es könne in bundesnahen Betrieben ein grosser Vorteil sein, auf politisch erfahrene Mitglieder im Verwaltungsrat zählen zu können. Das habe sich bei der SBB gezeigt. Dort habe Peter Siegenthaler, der bis Ende 2018 im Verwaltungsrat sass und zuvor die Eidgenössische Finanzverwaltung geleitet hatte, das Kollegium «auf viele Sachen aufmerksam machen können», sagt Schilling.

«So etwas ist ein riesiger Vorteil. Den Besitzer zu verstehen, ist matchentscheidend.»

Dass der Verwaltungsrat der Swisscom weniger politisch sei, liege daran, dass das Unternehmen den grössten Teil seines Umsatzes im nicht-regulierten Umfeld erziele. «Da braucht es entsprechend andere Kompetenzen.» Generell sei er der Meinung, dass die öffentlich-rechtlichen, selbständig geführten Unternehmen eine gute Corporate Governance hätten. «Da ist viel an Kompetenz in den letzten 10 Jahren dazu geholt worden.»