Pro und Contra: Soll man sich sofort impfen lassen?

Pro: Janine Müller

Ich habe genug davon, dass ich Menschen, die ich gern habe, nicht umarmen kann. Aus Angst davor, ihnen im schlimmsten Fall den Tod zu bringen. Ich habe genug davon, dass ich nicht unbeschwert im Restaurant essen oder Leute zu mir nach Hause einladen kann. Ich habe genug davon, dass Veranstaltungen immer und immer wieder verschoben werden. Ich habe genug davon zu hören, dass Menschen in Altersheimen alleine sterben müssen, weil die Angehörigen aufgrund der Pandemie nicht zu ihnen dürfen.

Darum habe ich kürzlich an einer Telefonkonferenz mit dem Team gesagt: «Ich stelle mich zuvorderst in die Schlange, wenn wir uns impfen lassen können.» Dafür erntete ich nicht nur Verständnis. Die Skepsis gegenüber der Corona-Impfung kann ich zu einem gewissen Mass nachvollziehen. Als medizinische Laien können wir schlecht einschätzen, wie diese Vakzine funktionieren. Transparente Kommunikation seitens der Hersteller und Regierungen ist daher umso wichtiger.

Viele können zudem nicht glauben, dass in einer derart kurzen Zeit ein Impfstoff entstehen kann. Dabei gilt zu beachten, dass die Pharmaunternehmen ihre Ressourcen auf die Entwicklung des Impfstoffs konzentriert haben. Forscher, Pharmaunternehmen und Regierungen haben eng zusammengearbeitet. Die Zulassungen wurden administrativ beschleunigt. Das heisst aber nicht, dass nicht genau hingeschaut wird. Denn letztlich dürften weder die Pharmaunternehmen noch die WHO noch die Regierungen eine Interesse daran haben, einen Impfstoff zu verbreiten, der ungenügend ist. Zudem sollten wir vom Gedanken wegkommen, dass es eine 100-prozentige Sicherheit gibt. Die gibt es nämlich nie.

43 000 Menschen haben bei einer Studie von Biontech und Pfizer mitgemacht. Die Hälfte davon bekam ein Placebo verabreicht. Die meisten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen und/oder Fieber. Das nehme ich gerne auf mich, wenn wir damit der Pandemie ein Ende setzen können. Denn diese macht mir definitiv mehr Sorgen als die Nebenwirkungen einer Impfung. Denn ich habe genug. Genug von dieser Pandemie.

Contra: Philippe Pfister

Damit man mich gleich von Anfang an richtig versteht: Ich zweifle den medizinischen Nutzen von Impfungen nicht an. Impfungen gehören zu den ganz grossen zivilisatorischen Fortschritten. Sie retten unzählige Menschenleben.

Aber nein, ich werde mich nicht zuvorderst anstellen, wenn die Covid-Impfung verfügbar ist. Zunächst stecken unzählige Menschen in grösseren Risiko-Situationen als ich. Meine privaten Kontakte tendieren gegen null, ich wasche mir zehnmal am Tag die Hände und habe mir auch den Gang ins Fitness-Center abgewöhnt, was nicht leicht fällt. Eigentlich wollte ich diesen Winter wieder mal auf die Ski stehen. Das lasse ich lieber. Verletzungsrisiken einzugehen ist in diesen Wochen keine gute Idee. Kurz und gut: Ich gehe, so gut es eben geht, auf Tauchstation.

Macht das Spass? Natürlich nicht. Aber irgendwann habe ich mich dazu entschieden, diese Sache an mir vorbeiziehen zu lassen und vorerst gar nicht daran zu denken, wie unbeschwert das Leben ohne dieses Virus und ohne diese lästigen Masken eigentlich war. So sicher wie das Amen in der Kirche ist auch, dass Corona eines Tages Geschichte sein wird.

Und ja, so eine Impfung nimmt den Körper auch ordentlich her. Mit dem Impfstoff gelangt eine unbekannte Substanz in den Körper – eine Reaktion des Immunsystems ist die beabsichtigte Folge. Eine Studie von Biontech und Pfizer, die im «New England Journal of Medicine» publiziert wurde, zeigt, dass die Hälfte der Geimpften über Kopfweh und Erschöpfung klagte (allerdings auch 14 bis 24 Prozent jener, die ein Placebo bekamen). Jede siebte geimpfte Person bekam Fieber. Das muss jetzt nicht unbedingt sein. Man könnte es unverblümt auch so sagen: Ich bin ein wehleidiger Angsthase. Meinetwegen halt.

Und ja, wenn es denn wirklich nötig ist, kremple ich meinen linken Hemdsärmel für den Einstich ebenfalls hoch. Schwere Nebenwirkungen traten in der oben erwähnten Studie bei 0,6 Prozent der Geimpften auf. Bei der Placebo-Gruppe waren es 0,5 Prozent.