Raiffeisen mit zwei GVs auf einen Streich?

Verwaltungsrat und Geschäftsleitung der Raiffeisenbank Zofingen hatten sich schon lange auf die bevorstehende Generalversammlung am 3. April gefreut. Letztes Jahr hat die Bank bei der Bilanzsumme die magische Milliardengrenze geknackt. Dies hätte man den rund 900 Genossenschafterinnen und Genossenschaftern, die jeweils zum GV kommen, gerne nochmals verkündet. Nun hat die Corona-Krise der Bank einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im Interview erklärt Verwaltungsratspräsident Thomas Lehner, wie es nun weitergeht.

Herr Lehner, dass die Raiffeisen-GV nicht stattfinden kann, ist klar. Haben Sie die Genossenschafterinnen und Genossenschafter schon informiert?

Der Verwaltungsrat hat vor drei Wochen entschieden, am 16. März den Beschluss zu fassen, ob die GV am 3. April stattfindet oder nicht. Im Laufe der letzten Woche wurde klar, dass eine GV Anfang April unrealistisch ist. Der Bundesrat hat uns dann mit seinen Massnahmen den Entscheid sowieso abgenommen. Ein Informationsschreiben an alle 12 000 Genossenschafterinnen und Genossenschafter wird im Verlauf dieser Woche bei den Adressaten eintreffen.

Gibt es ein neues Datum?

Wir sind Stand heute nicht in der Lage, ein Verschiebungsdatum bekannt zu geben. Wir müssen die Entwicklung abwarten und schauen, was überhaupt möglich ist. Wir hoffen, diesen Entscheid bis Ende April fällen zu können.

Sie hatten auf die GV nach 14 Jahren den Rücktritt als Verwaltungsratspräsident erklärt, das bisherige Verwaltungsratsmitglied Robert Böck hätte Ihre Nachfolge antreten sollen. Was passiert jetzt?

Ich bin grundsätzlich gewählt, bis ein neuer VRP bestimmt ist. Wenn die Generalversammlung bis Ende Juni stattfinden kann, behalte ich das Präsidium sicher bis zu diesem Zeitpunkt und Robert Böck kann ordentlich gewählt werden. Falls diese Situation über den Juni hinaus andauert, haben wir im Verwaltungsrat verschiedene Szenarien vorbesprochen.

Es stellen sich auch neue rechtliche Fragen, gerade bezüglich Fristen.

Ja. Wir sind von Gesetzes wegen verpflichtet, die Generalversammlung innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres abzuhalten. Wir haben die Unterlagen verschickt, an den Traktanden ändert sich nichts. Wenn wir die neue GV rechtzeitig abhalten können, ändert sich also gar nichts. Im ersten Halbjahr haben wir rechtlich also überhaupt kein Problem. Der Rechtsdienst von Raiffeisen Schweiz setzt sich aber bereits mit der Frage auseinander, was passiert, wenn wir die Frist nicht einhalten können.

Was passiert dann?

Bei den Juristen setzt sich die Meinung durch, dass es aufgrund der besonderen Lage unproblematisch wäre, die GV auch nach Ablauf der sechs Monate abzuhalten. Die Juristen von Raiffeisen Schweiz erwägen aber auch die Möglichkeit, die Generalversammlungen 2020 und 2021 zusammenzulegen. Ich selbst will natürlich noch nicht an diese Variante denken. Ich hoffe, dass sich die Situation bis im Juni normalisiert.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise sonst auf die Bank?

Erste Priorität ist, die Gesundheit unserer Kunden und Mitarbeitenden sicherzustellen und gleichzeitig unsere Dienstleistungen für die Kundinnen und Kunden aufrechtzuerhalten. Was die Krise für die Wirtschaft bedeutet, ist sehr schwer abzuschätzen. Es ist damit zu rechnen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer plötzlich mit Kurzarbeit konfrontiert sind und nicht mehr den vollen Lohn bekommen. Das wird Folgen haben, beispielsweise wenn Mitte Jahr die Hypothekarzinse belastet werden. Ich kann mir vorstellen, dass es den einen oder anderen schwierigen Fall geben wird. Unser Ziel muss es sein, mit den Kunden zusammen nach Lösungen zu suchen. Wir wollen niemanden im Regen stehen lassen.

Haben Sie sich mit dem Szenario beschäftigt, dass Sie sogar die Filialen schliessen müssen?

Dieses Szenario haben wir diskutiert. Stand heute sind Lebensmittelgeschäfte, Apotheken, Post und Banken dazu angehalten, offen zu halten. Ziel ist, unsere Dienstleistungen aufrechtzuerhalten. Aber klar: Wenn entsprechende Weisungen kommen, halten wir uns selbstverständlich daran.

Entsteht durch die Absage der GV der Bank ein grösserer Schaden?

Wir hatten in der Vergangenheit immer rund 900 Genossenschafterinnen und Genossenschafter, die die GV besuchten. Die Raiffeisen-GV war auch immer ein gesellschaftliches Ereignis. Die Absage schmerzt also. Aber klar: Die Gesundheit geht vor. Ein unmittelbarer Schaden entsteht nicht, da wir den Anlass noch rechtzeitig absagen respektive verschieben können.