Rassismus-Debatte: Warum zeigen zwei Aargauer Gemeindewappen einen Mohren?

Der Tod des Afroamerikaners George Floyd hat weltweite Massenproteste und Demonstrationen ausgelöst – auch in der Schweiz. Daraus entstanden Diskussionen über latenten und offensichtlichen Rassismus. Das zeigt sich beispielsweise in der Entscheidung der Migros, künftig keine Dubler «Mohrenköpfe» mehr zu verkaufen. Oder aber in mutmasslich rassistischen Darstellungen in Gemeindewappen, wie AZ-Leser bemerkten.

Im Kanton Aargau gibt es zwei Gemeinden, die einen sogenannten «Mohren» im Wappen tragen. Eine davon ist Möriken-Wildegg. Laut der Blasonierung, also der sprachlichen Beschreibung eines Wappens, heisst es dort: «In Gelb Mohrenkopf mit roten Lippen und Ohrringen über schwebendem rotem Sechsberg.»

Das Wappen von Möriken-Wildegg zeigt einen Mohrenkopf.

Das Wappen von Möriken-Wildegg zeigt einen Mohrenkopf. © zvg

Der Sechsberg wurde aus dem aus dem Familienwappen der Schlossherren von Wildegg übernommen. Zum Kopf des Mohren gibt dagegen es zwei Erklärungen. Zum einen stamme der Mohrenkopf aus einer volkstümlichen Deutung des Namens Möriken, wie es auf der Gemeinde-Website von Möriken-Wildegg heisst.

Der Name der Gemeinde wurde erstmals 1292 schriftlich als «Mörinkon» erwähnt, nachdem bereits 1283 in einer Urkunde ein Ulricus de Moerinchon als Zeuge erscheint. Zwischen den beiden ähnlich lautenden Begriffen Möriken und Mohr wurde also offenbar ein Zusammenhang hergestellt, der sich letztlich auf das Wappen auswirkte. Eine derartige Darstellung ist bereits seit Ende des 16. Jahrhunderts überliefert.

Keine Änderung vorgesehen

Zum anderen wurde die kleine Kapelle, die um 1200 auf dem Möriker Kirchhügel erbaut wurde, dem Schutz Antonius des Grossen anbefohlen. Antonius, der auch als «Vater der Mönche» gilt, wurde um das Jahr 251 in Ägypten geboren. Als Nubier war er möglicherweise von dunkler Hautfarbe. In mittelalterlichen Darstellungen wird der Heilige stets mit helleren Hauttönen abgebildet, die wenig mit dem Kopf des Mohren übereinstimmen.

Gleich welche Erklärung nun letztlich zutreffend ist, blickt die Gemeinde Möriken-Wildegg auf eine bis zu 700-jährige Geschichte ihres Wappens zurück. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, wie die Gemeinde auf Nachfrage der AZ bestätigt. Schliesslich habe das Wappen nichts mit Rassismus zu tun.
Das Mandacher Wappen zeigt den heiligen Mauritius.

Das Mandacher Wappen zeigt den heiligen Mauritius. © zvg

Auch das Wappen der Gemeinde Mandach kann im Zuge der aktuellen Diskussionen den Betrachter auf den ersten Blick vor den Kopf stossen. Es zeigt ein rot-weisses Wappen «mit aus der Teilung wachsendem schwarzem Mohr mit roten Lippen und weissem Halsschmuck». Laut der Gemeinde-Website Mandachs geht das Wappen auf einen Helmschild der Herren von Mandach aus dem 13. Jahrhundert zurück. Es soll eine stilisierte Seitenansicht des heiligen Mauritius darstellen. Da der Schutzheilige der Kirche Mandach der Legende nach ebenfalls aus Ägypten stammte, wird er im Mandacher Wappen also mit schwarzer Hautfarbe und stark karikiert mit krausem Haar und breiten, roten Lippen als Mohr gezeigt.

Künstlerische Gestaltungsfreiheit

Nun ist diese Darstellung durchaus keine Seltenheit. Sie findet sich mehreren Wappen, unter anderem auch in Deutschland. Dennoch kann ein und dieselbe Person auch ganz anders aussehen, wie das Beispiel St. Moritz zeigt. Der Ort, der sogar nach dem heiligen Mauritius benannt ist, zeigt in seinem Wappen eben diesen mit Rüstung und heller Hautfarbe.

Der heilige Mauritius auf dem Wappen von St. Moritz.

Der heilige Mauritius auf dem Wappen von St. Moritz. © zvg

Auch wenn ein Gemeindewappen natürlich nicht so ohne Weiteres verändert werden darf, gäbe es theoretisch die Möglichkeit einer grafischen Anpassung. Denn laut dem Wappenregister des Kantons Aargau ergibt sich die Rechtsverbindlichkeit der Wappen ausschliesslich aus der Blasonierung. Dort heisst es, die Blasonierung gibt mit der Aufzählung aller Elemente, deren Farben und Stellung im Schild den vom Zeichner oder Grafiker einzuhaltenden Rahmen. Innerhalb dieses Rahmens hat der Künstler Gestaltungsfreiheit. Ob das für die Gemeinde Mandach eine Option ist, bleibt unklar. Sie war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. (phh)