Raumplanung bleibt Top-Thema: Jetzt rückt das Bauen ausserhalb der Bauzonen in den Fokus

Überraschend ist die Schlappe zwar nicht, das Resultat fiel dann aber doch sehr deutlich aus. Die Stimmberechtigten haben die Zersiedelungsinitiative gestern mit 63,7 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt, bei den Ständen fiel sie auf der ganzen Linie durch. Das Volksbegehren der Jungen Grünen, mit dem die Gesamtfläche der Bauzonen in der Schweiz eingefroren werden sollte, war vielen wohl zu radikal. Neue Bauzonen hätten nur noch dann geschaffen werden dürfen, wenn andernorts eine mindestens gleich grosse Fläche als Bauzone aufgehoben worden wäre.

Unterstützt worden war die Initiative von der SP, den Grünen, der EVP sowie verschiedenen Umweltverbänden, wobei die gewichtige Stiftung für Landschaftsschutz Stimmfreigabe beschlossen hatte. Luzian Franzini, Co-Präsident der Jungen Grünen und der Zersiedelungsinitiative, zeigte sich gegenüber Radio SRF zwar enttäuscht über das Resultat – betonte gleichzeitig aber auch, dass man eine «spannende Diskussion angestossen» habe.

Bundesrat plant neue Regelungen

 

Und die geht schon bald weiter, denn das Thema Raumplanung bleibt auch nach der gestrigen Abstimmung noch eine Weile ganz oben auf der politischen Agenda. Nächste Woche befasst sich die Umweltkommission des Nationalrates erstmals mit der zweiten Etappe des Raumplanungsgesetzes (RPG 2). Anders als bei der ersten Etappe und der Zersiedelungsinitiative geht es diesmal um das Bauen ausserhalb der Bauzonen. Dafür plant der Bundesrat neue Regelungen. So sollen die Kantone künftig einen grösseren Gestaltungsspielraum erhalten und unter bestimmten Voraussetzungen über die bisherigen Vorschriften zum Bauen ausserhalb der Bauzonen hinausgehen können. Unter dem Strich muss die «räumliche Gesamtsituation» aber verbessert werden.

Das bedeutet, dass die damit zugelassenen Nutzungen mit Kompensations- und Aufwertungsmassnahmen verbunden werden müssen. Dazu gehört zum Beispiel, nicht mehr genutzte Bauten abzureissen. «Auch beim Bauen ausserhalb der Bauzonen wurden in der Vergangenheit zu viele Ausnahmen gemacht», sagte Umweltministerin Simonetta Sommaruga gestern vor den Medien, als sie auf das RPG 2 angesprochen wurde. Die Bevölkerung habe bereits mehrmals klargemacht, dass ihr der Schutz von Natur und Landschaft wichtig sei.

Lösung nicht in Sicht

Aus dem Parlament bläst dem Bundesrat beim RPG 2 jedoch bereits jetzt ein rauer Wind entgegen – und zwar aus verschiedenen Richtungen. Bauernpräsident und CVP-Nationalrat Markus Ritter (SG) will gar nicht erst auf die Vorlage eintreten und hat bereits mit dem Referendum gedroht, falls sie ohne grosse Änderungen durchs Parlament kommt. Für ihn geht das RPG 2 viel zu weit. Gegenüber der «NZZ» sprach er von «Kommunismus» und einem «Debakel». Ritter stört sich neben dem Planungs- und Kompensationsansatz auch an den neuen Strafbestimmungen, die vorgesehen sind. Auch aus anderen Parteien sind kritische Stimmen zu hören. So plädiert der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen dafür, dass man «das Tempo rausnehmen» soll. Er sagt: «Wir müssen die zweite Etappe des Raumplanungsgesetzes grundsätzlich infrage stellen.» Zuerst müsse klar sein, wie die Umsetzung der ersten Etappe verlaufen sei, bevor man die Kantone und Gemeinden mit einer nächsten Revision konfrontiere.

Ähnlich tönt es bei der SVP. Es müssten erst aussagekräftige Ergebnisse der noch nicht überall umgesetzten Massnahmen der ersten Revision abgewartet werden, bevor die «schädliche Regulierungsflut» weitergetrieben werde, teilte die Partei gestern mit. Für den Walliser SVP-Nationalrat Franz Ruppen ist aber klar, dass es künftig mehr Kompetenzen für die Kantone braucht. «Das Pendel schlägt aus Sicht der Randgebiete wieder zurück», sagt er. Das Volk habe mit seinem gestrigen Votum gezeigt, dass es keine «zentralistische Raumplanung» wolle. Die Bündner SP-Nationalrätin Silva Semadeni hingegen bezeichnet den Vorschlag der Landesregierung als «interessant». Ob sie ihn auch unterstützen wird, will sie nach den Anhörungen in der Kommission entscheiden.

Raimund Rodewald, der Geschäftsleiter der Stiftung für Landschaftsschutz, ist mit der Vorlage des Bundesrates ganz und gar nicht einverstanden: «Inakzeptabel», sagt er. Sie führe zu einer neuen «Kantonalisierung» mit einem «Dschungel von verschiedenen Bestimmungen».