
Rechts vorbeifahren links liegen lassen
Wer oft auf Schweizer Autobahnen unterwegs ist, weiss, welches Gedränge da oft herrscht. Gut, dass die allermeisten Lenkerinnen und Lenker entspannt unterwegs sind. Der Bussendruck hilft, dass kaum jemand auf die Idee kommt, sich als Lewis Hamilton zu fühlen.
Es fällt deshalb schwer, nachzuvollziehen, warum der Bundesrat das Rechtsvorbeifahren auf Autobahnen erlauben will. Das Vorhaben ist Teil der «Änderung der Verkehrsregeln und Signalisationsvorschriften». Diese war bis gestern in der Vernehmlassung.
Die geplante Massnahme stiftet nichts als Verwirrung. Das Rechtsvorbeifahren in parallelen Kolonnen – das heisst im Stau – ist heute schon erlaubt. Nun soll also das Rechtsvorbeifahren generell zugelassen werden. Nur: Das Rechtsüberholen bleibt weiterhin verboten.
Kann mir jemand den Unterschied erklären? Möglicherweise sitzen unsere Bundesrätinnen und Bundesräte kaum mehr selbst am Steuer, sonst wüssten sie, dass diese Abgrenzung schwierig bis unmöglich ist. Es entsteht also Rechtsunsicherheit. Aber nicht nur das: Kommt die Regelung, werden sich ein paar, die sich halt doch ein bisschen als Hamiltons fühlen, zu Slalom-Fahrten verleiten lassen. Vielleicht ist das dann legal, vielleicht auch nicht. Fast so sicher wie das Amen in der Kirche ist indes: Zu mehr Sicherheit auf den Autobahnen trägt die geplante Massnahme null und nichts bei, im Gegenteil. Sie wird wohl Unfälle produzieren.
Wird die Massnahme wenigstens helfen, den Verkehrsfluss zu verbessern? Punktuell vielleicht ja; aber gegen das Hauptübel, die täglichen Staus, ist sie nicht mal ein Tropfen auf den heissen Stein.
Sollte man also besser gleich das Rechtsüberholen bevorzugen, wie manche vorschlagen? Das wäre noch schlechter. Dann haben wir amerikanische Verhältnisse, würden unser einigermassen gesittetes Regime ohne Not aufgeben – ohne dass wir auch nur eine Minute Zeit gewinnen.
Fazit: Der Bundesrat sollte die Idee, das Rechtsvorbeifahren zu gestatten, links liegen lassen.
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