
Restart oder Saisonabbruch – eine Frage der Vernunft?
Melanie Gamma: Im Dezember brach der regionale Volleyballverband die Saison ab. Im Unihockey hiess es vor zwei Wochen ebenfalls: Saisonabbruch in allen Ligen ausser in der Nationalliga A. Die Planungsunsicherheit sei zu gross und man könne nicht garantieren, dass die Meisterschaft fair und gesundheitlich unbedenklich ablaufe. Der Abbruch macht für mich aus verschiedenen Gründen Sinn. Wir Breitensportler haben seit Wochen nicht trainiert, wann wir wieder mit dem ganzen Team in die Halle dürfen, ist offen. Zuhause trainieren die Wenigsten diszipliniert. Würden wir plötzlich weiterspielen, würde wohl die Verletzungshexe zuschlagen. Deshalb finde ich es seltsam, dass die Handballer und Fussballer ihre Saison im Frühling fortsetzen wollen. Was hältst du von diesen Plänen?
Michael Wyss: Zwei Herzen schlagen in meiner Brust. Als ehemaliger Mannschaftssportler habe ich das Training immer als notwendiges Übel gesehen, um sich dann in einer Meisterschaft mit anderen Teams messen zu können. Die Spiele waren sozusagen der Lohn für die Trainings. In diesem speziellen Fall gibt es aber für die meisten nicht einmal eine Möglichkeit, sich zusammen auf die Partien vorzubereiten. Eine «gültige» Form der Meisterschaft zu finden, wird meines Erachtens nicht funktionieren, denn zu unterschiedlich sind die Voraussetzungen. Ich bin also dafür, dass sich die Mannschaften zu gegebener Zeit auf freiwilliger Basis messen können, sie aber nicht dazu gezwungen werden dürfen und es folglich auch keine Auf- und Absteiger geben soll.
gam: Ja, diese Idee hegen auch die Verbände. Im Unihockey läuft die Entwicklung von alternativen Spielformen, damit sich die Teams wieder messen können, wenn es die epidemiologische Lage zulässt. Bei den Volleyballern hiess es, man solle die bis Mitte März angesetzten Meisterschaftsspiele – sofern die Corona-Massnahmen gelockert werden – in Freundschaftsspiele umwandeln. Wäre ich Trainerin, würde ich meine Equipe vorerst nicht an solche Pseudo-Ernstkämpfe schicken. Lieber legen wir doch bis im Sommer eine gesunde Basis, holen Verpasstes nach, arbeiten an Kondition, Kraft, Technik, Athletik, Taktik und beschränken uns bei den Spielformen auf mannschafts- oder vereinsinterne Duelle. Dann können wir im Herbst umso hungriger in eine richtige Saison mit Auf- und Abstiegen.
mwy: Das Problem ist einfach, dass mit jeder Woche, in der die Sportlerinnen und Sportler pausieren müssen, wertvolle Grundlagen verloren gehen. Leider ist es nicht in jeder Sportart so, dass man die altbekannte Weisheit «Velofahren verlernt man nicht» anwenden kann. Vor allem im Nachwuchsbereich ist jedes Training, ist jeder Ernstkampf für die Entwicklung wichtig. Ausserdem sind Spiele auch zentral, um die Motivation möglichst hoch zu halten. Es muss unser aller Ziel sein, dass sich die Menschen möglichst bald wieder zusammen bewegen können, denn in der Gruppe ist es nun einmal viel einfacher als alleine. Aber, wie gesagt, auf freiwilliger Basis.
gam: Zusammen bewegen ja, aber Meisterschaft und Freundschaftsturniere bitte erst wieder, wenn in allen Kantonen dieselben Regeln gelten und man nicht vor jedem Match ein Schutzkonzept lesen muss. Und was ist schon ein «verlorenes» Jahr für Breitensportler oder einen talentierten Junior. Was wir da «verlernten», holen wir wieder auf oder wurden währenddessen woanders stärker.
mwy: Die Coaches werden noch stärker gefordert sein und werden es deshalb danken, wenn der Wiederbeginn nicht noch länger auf sich warten lässt. Selbstverantwortung sollte für ambitionierte Sportler selbstverständlich sein, aber wir alle wissen, dass das manchmal nur ein frommer Wunsch ist. Je schneller wir – bei aller Vorsicht – wieder aufs Feld können, umso besser.
Was denken Sie? Ball ruhen lassen oder bald wieder harte Duelle austragen im Amateur- und Breitensport, was macht Sinn?