
Riklin-Brüder suchen Nachtportiers für Zofinger Stadttelefon
Interessenten können sich per E-Mail beim Kunsthaus Zofingen melden: info@kunsthauszofingen.ch
Da laut dem Kunsthaus Zofingen aufgrund des Stadttelefons Nachtruhebeschwerden von Altstadtbewohnern eingegangen sind und das interaktive Kunstwerk nicht nur tagsüber, sondern scheinbar auch nachts durchklingelt, wollen Frank und Patrik Riklin diese Unannehmlichkeiten der Bevölkerung ernst nehmen und proaktiv nach Lösungen suchen. Jedoch nicht bedingungslos: Eine Beschneidung oder gar Abschaltung ihres Kunstwerks kommt für die Konzeptkünstler aus St. Gallen nicht in Frage, wie sie in einer Mitteilung an die Medien schreiben. Denn: Sie stünden für ungewohnte Lösungen ein.
Deshalb rufen die Riklins die Bevölkerung auf, das Problem der Nachtruhestörung mittels «Stadttelefon-Nachtportiers» zu beheben. Die Aufgabe dieser Nachtwächter: das klingelnde Telefon zu nächtlicher Stunde innert Sekunden abzunehmen und sich mit dem unbekannten Anrufer verbinden zu lassen. Insgesamt werden 18 «Stadttelefon-Nachtportiers» gesucht, die sich jeweils in der Zeit von 22 bis 7 Uhr im Drei-Stunden-Rhythmus abwechseln und so die gesetzliche Nachtruhe gewährleisten.
Das Stadttelefon soll erfreuen, nicht verärgern
Dass das interaktive Kunstwerk «Stadttelefon» nicht unumstritten ist, sei von Anfang an klar gewesen, schreiben die Künstler. In der Alltagshektik sei es nicht selbstverständlich, dass jeder Passant fähig sei oder den Mut habe, das klingelnde Telefon abzunehmen. Das Kunstwerk habe nicht zum Ziel, Leute zu verärgern oder jemanden vor den Kopf zu stossen. Im Gegenteil: Das klingelnde Objekt soll Menschen erfreuen und spontan zusammenbringen, wer sich noch nicht kennt. «Kunst ist auch, negative Stimmen und Ärger in positive Interessen umzuwandeln», sagen die Riklin-Brüder und ergänzen: «Provokation allein der Polarisierung zuliebe ist langweilig. Wir wollen hinter die Polarisierung gelangen. Dort befindet sich die neue Wirklichkeit.»
Kunstwerke im öffentlichen Raum sind den Meinungen stärker ausgesetzt und werden per se anders rezipiert als in einer Kunsthalle. Für die Riklin-Brüder und das Kunsthaus Zofingen ist es deshalb selbstverständlich, nicht gleich beim ersten Gegenwind einzuknicken. Widerstand gegenüber Abweichendem in der Alltagskultur ist normal. Der Ärger ist dann begreiflich, wenn das Kunstwerk nachts klingelt und einem den Schlaf raubt, weil sich zu dieser Zeit niemand in der Altstadt aufhält, der das Telefon vom Klingeln erlöst. «Was also tun, wenn die zeitliche Eingrenzung des Klingelns zur Wahrung der Nachtruhe technisch nicht möglich ist?», fragten sich die beiden Künstler. Kurzerhand die Glocken abschrauben, so wie es letzte Woche dem Stadttelefon erging, als eine unbekannte Person selber Hand anlegte? Oder ganz abbrechen? «Nein. Jetzt können wir mit den ‹Waffen der Kunst› neue Lösungen experimentieren und Türen öffnen, die wir nicht kennen», sagt Claudia Waldner, Künstlerische Leiterin des Kunsthauses Zofingen.
Die Lösung: Aufruf an die Bevölkerung
Oder dem Pragmatismus des Alltags ein Schnippchen schlagen, wie die Künstler ergänzen: «Die Prämisse unserer Kunst ist der Bruch mit der Norm. Das schafft tendenziell Probleme, inspiriert aber im positiven Sinne zu neuen Möglichkeiten im alltäglichen Zusammenleben», schreiben die Riklins. «Wo Probleme mit gängigen Methoden gelöst werden, ist die Kunst nicht gerne Komplizin.» Da wehren sich die Künstler von Berufes wegen.
Die riklinsche Lösung heisst Partizipation: Gesucht ist eine 18-köpfige «Stadttelefon-Nachtportier-Allianz», die sich für die unmittelbare Reaktion auf das nächtliche Klingeln verantwortlich zeigt. Gemeinsam werde so das Kunstwerk noch kommunikativer gemacht. Ganz im Sinne der Ausstellung «neoscope19» sind Frank und Patrik Riklin überzeugt. Erfahrungsgemäss würden sich die Probleme mit unüblicher Lösungspraxis in Luft auflösen, ohne dass irgendetwas entfernt, abgebaut oder eliminiert werden muss. Die Künstler rufen deshalb die ganze Stadt Zofingen auf und hoffen, dass sich unter den 11 966 Einwohnerinnen und Einwohnern 18 Personen finden lassen, die Lust auf dieses Kunstexperiment haben. Die Riklins fantasieren weiter und prophezeien mit heiterem Ernst, dass alle diejenigen Personen, die sich über das nächtliche Klingeln anfänglich beschwert haben, die ersten sein werden, die des Nachts anrufen. (pd/pmn)
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