Rivella-CEO nach Migros-Knatsch: «Wir prüfen den Direktvertrieb, um weniger abhängig zu sein vom Detailhandel»

Nein, auf die gestapelten Harassen setzt sich Erland Brügger nicht mehr. Das hat er für Fotoshootings auch schon gemacht, aber die Suva hat keine Freude daran. Und einen Fehler müsse man ja nicht mehrmals machen, sagt er lachend, während er für ein Foto im Rivella-Lager posiert.

Sie waren im Preisstreit mit der Migros, worauf der orange Riese Rivella Refresh (zuckerreduzierte Version von Rivella Rot) und Focuswater aus dem Sortiment nahm. Der Streit soll beigelegt sein. Aber Focuswater ist noch immer nicht zurück in den Regalen. Warum?

Erland Brügger: Focuswater ist ab Mitte September wieder im Migros-Sortiment. Wir haben uns nur so einigen können. Das ist besser als nichts. Denn wir sind natürlich auf die Grossverteiler angewiesen, gerade wenn wir neue Produkte etablieren wollen.

Inwiefern?

Die Machtkonzentration im Detailhandel bei Migros und Coop ist europaweit einmalig. Hinzu kommt, dass beide stark auf Eigenmarken setzen. Bei der Migros sind 90 Prozent der verkauften Produkte Eigenmarken, bei Coop sind es auch über die Hälfte. Das erschwert für Marken-Hersteller wie Rivella das Geschäft wesentlich.

Wie gehen Sie damit um? Gibt es Überlegungen stärker auf Direktvertrieb zu setzen wie beispielsweise Nespresso?

Das ist eine Option, die wir anschauen. Aber so einfach ist es nicht. Die Margen sind im Getränkehandel tief. Da werden die Versandkosten schnell zum Problem. Digitec oder Zalando können das kompensieren. Bei uns wird das schwierig, da kann es schnell sein, dass Rivella in der Heimlieferung mehr kostet, als wenn man es im Laden kaufen ginge. Zudem wird heute viel unterwegs konsumiert.

Die Öffnung der Gastronomie wird Ihnen entgegenkommen.

Ja, damit sinkt unsere Abhängigkeit von den Detailhändlern wieder etwas. Der Absatzkanal der Gastronomie war während Corona fast gänzlich zum Erliegen gekommen.

Erland Brügger ist ein Mann, der viel lacht und seinen Mitarbeitenden auf Augenhöhe begegnet.

Erland Brügger ist ein Mann, der viel lacht und seinen Mitarbeitenden auf Augenhöhe begegnet.

Britta Gut

Mussten Sie eigentlich viele Getränke zurücknehmen?

Wir haben versucht, das anders zu lösen. Denn was von den Gastro-Betrieben zu uns zurückgekommen wäre, hätte entsorgt werden müssen. Darum haben wir Restaurants und Getränkehändlern eher nahegelegt, Verkaufsaktionen zu machen, an denen wir uns auch beteiligten. Und wir haben auch mit den Kantonschemikern nach Sonderlösungen gesucht.

Wie denn das?

Insbesondere bei Tanks, die vor allem in Selbstbedienungsrestaurants und grösseren Betrieben zum Einsatz kommen, haben wir Lösungen gesucht, dass sie länger gebraucht werden können, solange sie nicht angestochen sind.

Rivella ist stark in der Schweiz verwurzelt. Nur knapp ein Drittel des Umsatzes wird im Ausland gemacht. Gibt es Expansionspläne?

Da haben wir Potenzial, aber vor allem in den schon bestehenden Märkten. Holland, wo wir schon kurz nach der Gründung eintraten und Rivella Blau lancierten, noch bevor es in der Schweiz verfügbar war, Luxemburg und Frankreich.

Als er vor zehn Jahren zu Rivella stiess, wollte man im Ausland durchstarten. Die Pläne haben sich geändert.

Als er vor zehn Jahren zu Rivella stiess, wollte man im Ausland durchstarten. Die Pläne haben sich geändert.

Britta Gut

Und neue Märkte?

Das war das grosse Thema und der grosse Wunsch, als ich vor rund zehn Jahren bei Rivella anfing. Aber ein Erfrischungsgetränk aus Milchkomponenten ist selbst in milchaffinen Ländern schwierig zu vermitteln, wie wir merkten. Es braucht viel Zeit und Hartnäckigkeit, um das Getränk zu etablieren. Der Fokus ist für die Marke Rivella nicht mehr die Auslandexpansion.

Bei Focuswater könnte das anders aussehen, oder?

Da könnten wir uns vorstellen, dass es auch im Ausland Potenzial gibt, ja. Aber zuerst müssen wir unsere Hausaufgaben in der Schweiz machen und noch bekannter werden. Dann können wir darüber nachdenken. Es ist auf jeden Fall ein Markt mit viel Dynamik.

Wie ist es zum Kauf von Focuswater gekommen?

Wir haben uns vor fünf Jahren entschieden, dass wir weitere Brands ins Portfolio aufnehmen wollen. Das haben wir zum einen durch Eigenkreationen gemacht, zum anderen haben wir auch angefangen, den Markt genauer zu beobachten und nach interessanten Start-ups Ausschau zu halten. Und in den Getränkemarkt ist viel Bewegung gekommen in den letzten Jahren. Nicht ganz so extrem wie beim Bier, wo bald jede Stadt ein eigenes hat, aber es sind doch zahlreiche neue Produkte auf den Markt gekommen, die den Konsumenten Freude machen. Focuswater ist unseres Erachtens eines der vielversprechendsten Produkte.

Wie hat der Kauf eines Start-ups Rivella verändert?

Sie haben viel guerillamässig gemacht, wir sind eher so unterwegs, dass wir gleich ganze Events organisieren. Da kann man gegenseitig voneinander lernen. Seit Anfang 2021 sind die Mitarbeitenden von Focuswater voll bei uns integriert, aber ihr Büro am Schanzengraben in Zürich besteht weiterhin. Das ist jetzt eine Art Co-Working-Space, wo alle unsere Leute arbeiten können. Es ist schon auch verjüngend für ein Traditionshaus wie Rivella.