Robert Baumlis Kälber fressen das CO2 weg – mit der verfütterten Pflanzenkohle wird das Treibhausgas gespeichert

Mit Appetit fressen die zwei fünf Monate alten Kälber das Futter, das ihnen Robert Baumli zuvor in die Futterkrippe gekippt hat. Zwischen Heu, Silogras und Mais scheinen kleine schwarze Kohlenstücke auf: Pflanzenkohle. «Probieren Sie selbst», sagt Baumli. Herzhaft zubeissen mag man aber nicht. Das kleine Stück hat kaum einen Geschmack, ausser wie erwartet nach Kohle.

Den 200 Kälbern in Baumlis Rindermast im luzernischen Rain scheint das ökologische Zusatzfutter aber zu schmecken. Seit Ende des vergangenen Jahres mischt es Baumli den Zentralschweizer Kälbern jeden Tag ins Futter. Kälber von Milchkühen, die nicht mehr zur Zucht genutzt werden und von einem Fleischrassen-Stier gedeckt worden sind, kommen im Alter von vier Wochen nach Rain auf den Hof der Familie Baumli. Diese führt dort mit Blick auf den Pilatus auch noch ein exklusives Speise-Restaurant.

Ein Prozent des Futters

Ein Prozent des Futters besteht bei der Rinderzucht aus Pflanzenkohle, das sind etwa zehn Kilogramm pro Tag für seine Kälber. Und der Bauer ist zufrieden damit. Baumli sagt:

«Die Pflanzenkohle entzieht die Giftstoffe, die Verdauung wird besser. Ich beobachte, dass die Kälber weniger Durchfall haben.»

Baumli gewinnt den Mais und das Gras für seine Rinder auf einer 45 Hektaren grossen Fläche seiner Betriebsgemeinschaft. Auch sein Betriebspartner gibt seinen Schweinen Pflanzenkohle.

Auf den Einsatz von Pflanzenkohle ist Robert Baumli durch die Firma EOC Energyocean gekommen, welche der Meeresbiologe und langjährige TV-Wissenschaftsjournalist Sylvan Oehen und der Wirtschaftsingenieur Benjamin Schmeisser führen. Sie versuchen, mit Karbonsenken CO2 zu binden. Das kann man mit Aufforstungen erreichen oder aber mit Pflanzenkohle, mit welcher der Kohlenstoff gespeichert wird, welcher der Atmosphäre mit dem CO2 entzogen wurde. Um die Erderwärmung zu stoppen, reiche die Emissionsreduktion nicht, Milliarden Tonnen CO2 müssten gebunden und sicher beseitigt werden, sagen die beiden.

 Mit der Pflanzenkohle wird CO2 gebunden.

Mit der Pflanzenkohle wird CO2 gebunden.

Bild: Eveline Beerkircher

Die Pflanzenkohle muss erhalten bleiben

Bäume und Sträucher fangen beim Wachstum das COaus der Atmosphäre auf. Der Kohlenstoff C wird dabei in der Pflanze gespeichert, der Sauerstoff O wird in die Atmosphäre freigesetzt. Verkohlt man die Biomasse, entsteht zum einen Gas, das zur Wärmeproduktion genutzt werden kann, und zum anderen die Pflanzenkohle, die den Kohlenstoff C speichert. Die Kohle darf allerdings nicht verbrannt werden, sonst entweicht das C wieder in die Atmosphäre. Pflanzenkohle ist also nur dann eine Karbonsenke, wenn die Pflanzenkohle erhalten bleibt. Gemäss Energyocean bindet eine Tonne Pflanzenkohle 2,6 Tonnen CO2-Emissionen.

Ohne Karbonsenken seien die CO2-Ziele des Bundes und das Netto-Null-Ziel nicht erreichbar, sagt Oehen, und erklärt, wie die von Energieocean bereitgestellte Pflanzenkohle hergestellt wird. «Sie wird aus Biomasse, aus organischem Material von Holz bis Klärschlamm hergestellt, die auf 500 bis 700 Grad erhitzt wird. Und das unter kontrollierter, stark reduzierter Sauerstoff-Zufuhr», sagt der Meeresbiologe. Die Produktion von einer Tonne Pflanzenkohle benötigt rund 14 Stunden. Produktionsanlagen gibt es in Graubünden, Zug, Basel und Zürich. «Verkohlen lässt sich alles, was Kohlenstoff drin hat», sagt Oehen. Es gibt über 50 Anwendungen von Pflanzenkohle, die je nach pflanzlichem Ausgangsstoff unterschiedliche Eigenschaften haben kann (siehe Kasten).

Kaskade von Vorteilen

Der Bauer Robert Baumli verwendet die Pflanzenkohle als Nahrungsergänzung und hat dabei eine Kaskade von Vorteilen. «Wenn man Tiere hat und Boden, macht es Sinn, zuerst die Tiere von den Effekten der Pflanzenkohle profitieren zu lassen. Dabei wird die Kohle im Tier mit Nährstoffen und Mikroorganismen befrachtet», sagt Oehen. Baumli hat auch festgestellt, dass es im Stall weniger stinkt. Das hat damit zu tun, dass Pflanzenkohle den Stickstoff bindet und dieser deshalb nicht in Gasform entweicht.

Reduktion des Lachgases

Gelangt die umgesetzte Pflanzenkohle als Kohlenstoff via Gülle danach aufs Feld, sind Stickstoff und andere Stoffe gebunden. «Was das Treibhausgas Lachgas N2O betrifft, ist die Feldausbringung von Pflanzenkohle über die Gülle am vorteilhaftesten», sagt Oehen. Pflanzenkohle direkt auf ein Feld auszubringen sei dagegen nicht zielführend. Sinnvoller ist auf jeden Fall die Kaskadennutzung in der Nutztierhaltung, beim Einsatz als Futter, im Einstreu und in der Gülle.

Die Bauern haben mit dem Einsatz von Pflanzenkohle einen finanziellen Zusatzaufwand. Doch Baumli hält sie für lohnend. «Innovationsfreudigere Bauern wenden Pflanzenkohle ungeachtet des Preises seit längerer Zeit an, weil sie die positiven Effekte schätzen», sagt Oehen. Und:

«Die Tiere sind gesünder, die Tierarztkosten sind tiefer und es sterben weniger Tiere.»

Zudem werden gemäss dem Biologen keine Antibiotikaresistenzen gezüchtet, das Körpergewicht der Tiere sei grösser, die Fleischqualität besser.

Versuchsanstalt in Sursee

Konventionellere Bauern warten nach Oehen dagegen oft noch auf Signale des Bundes – also Erlass von Auflagen oder Vergütungen. Helfen würde gemäss dem Biologen, wenn die Lachgas-Verminderung gleich begünstigt würde wie die CO2-Verminderung. In Sursee hat die Forschungsanstalt Agroscope im Februar eine Versuchsanstalt mit dem Fokus auf Nährstoffflüsse, Stickstoff und Phosphor in der Landwirtschaft eröffnet, die solche Fragen klären sollen. Derweil helfen Baumlis Kühe weiterhin mit, den Carbongehalt zu senken.