
Rohstoffmangel, Lieferprobleme, Preiserhöhungen: Aargauer Firmen spüren die Nachwehen der Pandemie
Das Schlimmste scheint in unseren Breitengraden vorbei. Einzelne Länder haben die Pandemie schon für beendet erklärt. Die Zahl der Infektionen, Hospitalisationen und Todesfälle ist rückläufig. Doch während sich das gesellschaftliche Leben langsam normalisiert, leidet die Wirtschaft weiterhin. Nicht unter den direkten Folgen der Pandemie. Lockdown und Betriebsschliessungen sind vorbei. Aber fast alle Firmen leiden unter den Nachwehen des Virus. Das feinjustierte System von Rohstoffbeschaffung und Lieferketten ist aus der Balance geraten und beschäftigt Geschäftsführer von grösseren und kleineren Betrieben. Ein Einblick in vier Unternehmen aus dem Aargau.
Zehnder Group, Gränichen, Haustechnik: «Stahlpreise mehr als verdoppelt»
Matthias Hünerwadel, CEO: «Die Stahlpreise sind in den letzten 12 bis 18 Monaten massiv angestiegen. Während man im September 2020 noch rund 550 Dollar für eine Tonne kaltgewalzten Stahl bezahlte, sind es unterdessen rund 1300. Der Preis hat sich also mehr als verdoppelt. Und doch ist die Situation angenehmer als zu Beginn des Jahres, wo es beim Stahl zu starken Verknappungen kam.
Unterdessen haben sich Angebot und Nachfrage wieder einigermassen eingependelt, einfach auf einem deutlich höheren Preisniveau als vor der Pandemie. Vor respektive während der Krise hatten wir tendenziell ein Überangebot und es kam zu einem Preiswettbewerb unter den Stahlanbietern. Sie werden sich hüten, noch einmal in eine solche Situation zu kommen, jetzt, da sie ein vernünftiges Margenniveau haben.
Das hat sich insbesondere auf unser Radiatoren-Geschäft ausgewirkt. Die Preiserhöhungen können wir nicht einfach mit Effizienzsteigerungen in der Produktion wettmachen, weshalb Preiserhöhungen im tiefen zweistelligen Bereich unumgänglich sind. Allerdings ist das Verständnis seitens der Kunden da.
Anders ist die Situation im Lüftungsbereich. Da ist die Lage bei einzelnen Komponenten auch heute noch sehr angespannt. Wir sind da sehr spät in der Wertschöpfungskette, deshalb die zeitliche Verzögerung. Gerade bei den Chips, die praktisch in jedem elektronischen Gerät verbaut werden, herrscht ein massiver Engpass.
Das kommt zum einen, weil es nicht allzu viele Unternehmen gibt, die die Chips herstellen. Einzelne mussten wegen Corona vorübergehend schliessen. Zugleich stieg die Nachfrage nach Computern, Fernsehern und anderen Geräten während der Pandemie an. Auch bei gewissen Plastikteilen kämpften wir mit ähnlichen Problemen.
Wir waren vereinzelt von Lieferausfällen betroffen und mussten uns nach Alternativlösungen umschauen. Wir konnten nicht immer so viel einkaufen, wie wir eigentlich hätten verkaufen können. Realistischerweise werden wir noch bis weit ins 2022 mit diesen Problemen zu kämpfen haben. Neben reduzierten Kapazitäten und geschlossenen Betrieben spielten und spielen da immer wieder auch Logistikprobleme mit rein. Lieferverzögerungen können schwere Folgen haben, denn viele Industrien produzieren heute just in time.»
Siegfried AG, Zofingen, Chemie: «Setzen auf mehr Lieferanten»
Wolfgang Wienand, CEO: «Die Materialverfügbarkeit war für uns vor allem zu Beginn der Pandemie ein grosses Problem. Da haben uns aber Erfahrungen aus der Vergangenheit geholfen. So tragisch die Tianjin-Explosion 2015 auch war (bei der Chemie-Katastrophe starben fast 180 Menschen; Anmerkung der Redaktion), wir haben unsere Lehren gezogen.
Die chinesische Regierung setzte in der Folge die Umweltbestimmungen viel rigoroser durch, zahlreiche kleinere Betriebe waren lange geschlossen und es kam zu Lieferengpässen im Bereich von chemischen Vorstufen, sogenannten Intermediates. Das bekamen auch wir vereinzelt zu spüren. Aber in der Folge haben wir angefangen, unsere Mehrfach-Sourcing-Strategie konsequent umzusetzen.
Für die wichtigsten Rohstoffe, gerade für jene, für die es nicht beliebig viele Lieferanten gibt, haben wir unterdessen mehrere Lieferanten qualifiziert. Im Pharmaumfeld ist die Regulierung sehr hoch, weshalb es Zeit braucht, eine solche Strategie umzusetzen, da alles von den Behörden abgenommen werden muss. Das hat uns zu Beginn der Coronavirus-Pandemie 2020 geholfen.
Was man momentan aber stark zu spüren bekommt, sind Verteuerungen bei diversen Rohstoffen. Dies gilt gerade bei den Lösungsmitteln oder auch zum Teil beim Pack- und Filtermaterial. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Gewisse Betriebe haben zu Beginn der Pandemie aufgrund der Vollbremsung durch einen oder mehrere Lockdowns die Kapazitäten reduziert und rechneten nicht mit einer so raschen Erholung.
Diese wieder hochzufahren, braucht Zeit. Bei den Lösungsmitteln liegt es vor allem auch daran, dass die Transportkosten stark gestiegen sind. Höhere Kosten bedeuten meist auch höhere Preise für unsere Kunden. Mit den einen haben wir Vereinbarungen, ab wann wir Preissteigerungen weitergeben können, mit anderen suchen wir das Gespräch. Lösungen finden sich eigentlich immer.»
Alu Menziken, Aluminiumhersteller: «Lieferausfall wurde verhindert»
Marc Tschudin, Kaufmännischer Leiter: «Der Aluminiumpreis ist im letzten Jahr um über 50 Prozent gestiegen. Grund dafür ist die V-förmige Erholung von weiten Teilen der Weltwirtschaft. Die Nachfrage fiel zu Beginn der Pandemie rasant, erholte sich aber fast ebenso rasch. Das hat bei allen Rohstoffen zu einer signifikanten Preissteigerung geführt, auch beim Aluminium.
Es ist branchenüblich, dass wir Projekte zu Ist-Preisen kalkulieren, das heisst, wir geben Preissteigerungen direkt an unsere Auftraggeber weiter. So profitieren sie von niedrigeren Preisen, tragen aber auch die Kosten, wenn die Rohstoffpreise anziehen. Natürlich sind auch wir von der Rohstoffknappheit betroffen. Durch partnerschaftliche und langjährige Beziehungen zu unseren Lieferanten und dank bewährter Prozessen konnten wir bisher einen kompletten Lieferausfall jedoch verhindern.
Dies liegt auch daran, dass wir eine konsequente Mehrlieferantenstrategie pflegen. Hinzu kommt, dass Alu Menziken über eigene Giessereien verfügt, in denen wir Alulegierungen aller Härtegrade herstellen. Ausgangsmaterial unserer Legierungen ist zu knapp 70 Prozent recyceltes Aluminium. Das bewährt sich gerade in Zeiten hoher Rohstoffnachfrage und macht uns unabhängiger als die Konkurrenz.
Die Coronapandemie hat vor allem unser Luftfahrtgeschäft massiv beeinträchtigt, insbesondere zu Beginn gingen die Aufträge stark zurück. Kurzarbeit hat uns bei der Überbrückung dieser Situation geholfen. Ende 2020 ist es gelungen, einen bedeutenden Auftrag aus dem E-Mobility-Sektor zu sichern. Unterdessen liegt der Auftragsbestand drei bis vier Mal höher als während normaler Zeiten.»
Sager AG, Dürrenäsch, Dämmstoffe: «Folienvorrat für drei Wochen»
Beat Bruderer, CEO: «Im Bereich Rohstoff-Beschaffung haben sich unsere Schwierigkeiten unterdessen ziemlich gelegt. Grosse Sorgen bereiten uns hingegen immer wieder die kleinen Dinge, wie zum Beispiel Einwegpalette oder eine spezielle Folie, die wir zur Verpackung unserer Glaswolle brauchen. Speziell an der Folie ist, dass sie es uns erlaubt, unser Produkt deutlich kompakter auszuliefern.
Allerdings kriegt der Produzent einen bestimmten Rohstoff nicht mehr, den er braucht, um die eigens für uns zusammengestellte Kunststoffmischung hinzubekommen. Der Vorrat der Hauben-Stretch-Folie reicht noch für zwei, drei Wochen. Danach ist Schluss und ohne diese Folie oder eine Alternative wissen wir nicht, wie wir unsere Glaswolle ausliefern sollen. Deshalb haben wir uns in den letzten Tagen und Wochen auf die Suche nach möglichen Alternativen gemacht.
Und wir haben tatsächlich einen möglichen neuen Lieferanten im nahen Ausland gefunden. Zugleich hat auch unser bestehender Lieferant nach Alternativlösungen gesucht und hat eine Lösung gefunden, die ähnlich dehnbar und zugleich stabil sein soll. Der Haken dabei ist: Beide Lösungen sind rund 40 Prozent teurer als die Lösung, die wir bisher hatten.
Das ist für uns ein Problem, weil wir in einem sehr kompetitiven Umfeld tätig sind. Bei den Dämmstoffen gibt es zahlreiche Alternativen und wenn es zu Preissteigerungen kommt, ist es gut möglich, dass andere Lösungen als Glaswolle bevorzugt werden, obschon diese kaum nachhaltiger und dämmtechnisch besser sein können.»