Rot- statt Weisstannen – was tun, wenn die «falschen» Bäume wachsen?

Peter Siegrist, Präsident des Gemeindeverbandes Forstbetrieb Region Zofingen, zeigt das Kernstück des Naturschutzkonzeptes im «Unterwald» (Gemeinde Vordemwald) mit einer Fläche von rund 97 Hektaren. ran
Peter Siegrist, Präsident des Gemeindeverbandes Forstbetrieb Region Zofingen, zeigt das Kernstück des Naturschutzkonzeptes im «Unterwald» (Gemeinde Vordemwald) mit einer Fläche von rund 97 Hektaren. ran
Peter Siegrist, Präsident des Gemeindeverbandes Forstbetrieb Region Zofingen, zeigt das Kernstück des Naturschutzkonzeptes im «Unterwald» (Gemeinde Vordemwald) mit einer Fläche von rund 97 Hektaren. ran

Wald ist nicht gleich Wald und Waldboden ist nicht gleich Waldboden. Auf dem Grundmoräneplateau der vorletzten Vergletscherung, der sogenannten Riss-Eiszeit (rund 300 000 Jahre vor Christus), haben sich zwischen Zofingen und Langenthal tonreiche, verdichtete, aber auch sehr saure Böden entwickelt. An diesen extremen Standorten wächst deshalb nur ein sehr artenarmer Wald. Nur wenige Baumarten, wie die Weisstanne (Tanne) und die Stieleiche, sind in der Lage, diese schweren und von Natur aus verdichteten Böden mit ihren Wurzeln zu erschliessen. «Darum sollten an diesen Standorten Tannen und Eichen Anteile von 60 bis 70 Prozent aufweisen und nicht weniger», sagt Ernst Steiner, Betriebsleiter des Forstbetriebes Region Zofingen. Die Rottanne (Fichte) mit ihren seitlich ausscherenden Wurzeln wächst auf diesen Böden zwar sehr gut und wird wegen ihrer stechenden Nadeln vom Wild kaum gefressen. «Sie darf aber aus Gründen der Bestandesstabilität und wegen der Gefahr einer weiteren Bodenversäuerung nicht überhandnehmen.» Da das Rehwild die Knospen der Weisstanne lieber frisst als die der Rottanne, findet im Moment an vielen Orten ein aus ökologischer Sicht unerwünschter Baumartenwechsel von der Weisstanne in den alten Baumbeständen zur Rottanne im Jungwald statt.

Seltene Waldstandorte

Der Waldtyp, der hier Peitschenmoos-Fichten-Tannenwald heisst, ist für die Region zwischen Zofingen und Langenthal typisch und häufig. Im Kanton Aargau ist er aber selten und im schweizerischen und europäischen Vergleich sogar eine ausgesprochene Rarität. «Der Forstbetrieb Region Zofingen hat deshalb seit längerer Zeit nach einem Projekt für diesen spannenden Standort gesucht», sagt Ernst Steiner. «Ziel ist es, die von der Zertifizierung und vom Waldrecht verlangten Naturschutzleistungen zu erfüllen und gleichzeitig die typischen Eichen-Tannenwaldbestände langfristig zu erhalten.»

Obwohl auch Flächen ausgeschieden wurden, die nicht mehr wirtschaftlich genutzt werden, hat bei diesem Projekt das nachhaltige und naturgemässe Waldbewirtschaftungskonzept Vorrang. «Das Projekt geht deshalb gezielt auf die Verjüngungsproblematik bei der ökologisch unverzichtbaren Tanne ein und versucht Lösungen aufzuzeigen», erklärt Ernst Steiner weiter. «Einfach nur ‹Urwaldreservate› auszuscheiden, schien uns angesichts der grossen Verjüngungsprobleme wenig lösungsorientiert.»

Eichen-Tannen-Wälder fördern

Der Forstbetrieb Region Zofingen, welcher die Wälder der Ortsbürgergemeinden Rothrist, Strengelbach und Zofingen mit einer Fläche von insgesamt 1705 Hektaren betreut, hat als Grundlage für die Zertifizierung schon vor vielen Jahren ein betriebliches Naturschutzkonzept ausgearbeitet. Im Rahmen der Revision des Betriebsplanes musste das Konzept im Jahr 2011 überarbeitet und ergänzt werden. «Unser Naturschutzkonzept umfasst insgesamt 187 Hektaren Naturvorrangflächen oder 11 Prozent der Betriebsfläche», sagt der Präsident des Gemeindeverbandes Forstbetrieb Region Zofingen und für den Wald zuständiger Zofinger Stadtrat Peter Siegrist. «Davon sind rund 43 Hektaren oder 3 Prozent mit Nutzungsverzicht belegt.» Ausgehend von den einzigartigen Standorten westlich der Wigger bildet ein Eichen-Tannenwaldreservat im «Unterwald» (Gemeinde Vordemwald) mit einer Fläche von rund 97 Hektaren das Kernstück des Naturschutzkonzeptes. «Im bewirtschafteten Teil dieses Reservats, das 77 Hektaren umfasst, sollen die standortsgemässen Tannen und Eichen konsequent gefördert werden», betont Peter Siegrist weiter. «In einer Kernzone wurde auf einer Fläche von 20 Hektaren ein Naturwaldreservat ausgeschieden, das in den nächsten 50 Jahren nicht wirtschaftlich genutzt wird. Zudem wurden fünf Altholzinseln mit einer Fläche von insgesamt 17 Hektaren bezeichnet, auf welcher ebenfalls auf die Nutzung verzichtet wird.

Für das Eichen-Tannenwald-Reservat sowie für die Altholzinseln wurden zwischen der Abteilung Wald des Kantons Aargau und dem Forstbetrieb Region Zofingen langfristige Verträge ausgehandelt, welche nach intensiven Diskussionen zu Fragen der Entschädigung, der raumplanungsrechtlichen Verankerung, der haftpflichtrechtlichen Situation und der Wildproblematik vom Vorstand kürzlich unterschrieben wurden. «Aufgrund des langfristigen Charakters des Projektes wurden die Vereinbarungen von den Gemeinderäten Rothrist, Strengelbach und Zofingen in Vertretung der entsprechenden Ortsbürgergemeinden mitunterzeichnet», sagt Stadtrat Peter Siegrist.

Grosse Herausforderungen

Die Mitunterzeichner sind überzeugt, mit diesem Projekt einen wichtigen Beitrag an die nachhaltige Entwicklung des Waldes zu leisten. «Mit dem Naturwald-Reservat und den Altholzinseln werden natürliche Prozesse bis zur Alters- und Zerfallsphase in heute schon weitgehend naturgemässen Waldbeständen ermöglicht», betont Ernst Steiner, Betriebsleiter des Forstbetriebes Region Zofingen. Auf absterbenden und toten Bäumen fänden viele Tiere und Pflanzen einen Lebensraum. Die Biodiversität werde deshalb zunehmen. Mit der Förderung von Tanne und Eiche im bewirtschafteten Teil des Reservates werde auf Baumarten gesetzt, welche auf diesen waldbaulich schwierigen Standorten heimisch sowie unverzichtbar seien. «Der Tanne und der Eiche werden zudem im Klimawandel mit einem Temperaturanstieg von mehr als zwei Grad Celsius gute Prognosen gestellt», weiss Betriebsleiter Ernst Steiner.

Die grösste Herausforderung in diesem Verjüngungsprozess sei das InSchach-Halten der Wildtiere (Reh und Rothirsch). «Ohne spezielle Schutzmassnahmen ist die gesetzlich vorgeschriebene natürliche Verjüngung des Waldes mit standortsgerechten Baumarten an vielen Orten unmöglich», sagt Ernst Steiner abschliessend. Er hofft, dass das Projekt von den Jägern mitgetragen wird und sie ihren Teil zum Gelingen beitragen.

Peter Siegrist und Ernst Steiner (ran)
Peter Siegrist und Ernst Steiner (ran)