
Ruedi Matter kennt die schönsten Oftringer Sagen
Stubete mit Ruedi Matter am Sonntag, 24. Oktober um 15 Uhr im Alten Löwen Oftringen.
Zahlreich sind sie – die Tatorte auf Oftringer Boden. Wo sich Sagenhaftes, Verwunderliches, Unheimliches oder gar Schauerliches abgespielt haben soll. So sollen einst neun Elfen am Looweiher getanzt haben, damit die schöne Küngold ihren Bewachern entwischen konnte, um sich mit ihrem liebsten Laurents zum Schäferstündchen zu treffen. Einem Schäferstündchen mit Folgen. Folgen, die sie ihrem rauherzigen Ehemann, dem Twingherrn auf der Wartburg, auf die Dauer nicht verheimlichen konnte … Ob die Geschichte glücklich endete und wieso die Sage schliesslich dem Dorf Küngoldingen den Namen gegeben haben soll, wird am kommenden Sonntag ab 15 Uhr im Dachgeschoss des Alten Löwen verraten.
Wiedersehen und -hören mit Ruedi Matter
Dabei kommt es im Alten Löwen zu einem Wiedersehen mit Ruedi Matter. «Ich habe das Rampenlicht nach meiner Pensionierung nicht mehr gesucht», sagt der Oftringer Dorfschullehrer, der sich nicht nur in der Region einen Namen als begnadeter (Laien-)Schauspieler gemacht hat. Erinnert sei an seine Auftritte auf der Aarburger Festung, als Matter Matter spielte. Konkret den Gauner Bernhard Matter im Freilichttheater «Gounerbluet» unter der Regie von Peter Völlmy. Die Aufführungen auf dem Richtplatz wurden damals vom «Blick» als bestes Freilichttheater der Saison ausgezeichnet. Schauspielerischer Höhepunkt in seiner «Theaterkarriere» sei aber sicher ein Engagement am Theater Biel-Solothurn gewesen, mit dem er auch auf Tournee gegangen sei. Ein Auftritt, den ihm Walter Küng, der beim Theater vom Richtplatz einige Jahre Regie führte, ermöglicht habe. «Dort durfte ich sogar ein Duett mit Silvia Jost singen», erinnert sich Ruedi Matter und der Kontakt zur bekannten Schweizer Schauspielerin bestehe noch heute.
Doch mit der Pensionierung war von einem Tag auf den andern Schluss mit den Auftritten auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Und es gab auch keine Übernahme von Stellvertretungen. «Ich wollte keine Verpflichtungen und Termine mehr haben», sagt Ruedi Matter. Deshalb habe er schon bald seine gesamten Unterlagen aus 40 Jahren Unterricht im Oberfeld-Schulhaus entsorgt. Und sich dann auf Fahrrad gesetzt – mit Ziel Atlantik-Küste. «Um gleich einmal etwas Abstand zu gewinnen», wie er lachend betont. «Und alles ohne Motor», wie der 71-Jährige nicht ohne Stolz ergänzt.
So ist es denn einer Anfrage von Ernst Roth, dem Präsidenten der Museumskommission Oftringen, zu verdanken, dass der Rückzug von Ruedi Matter aus der Öffentlichkeit zumindest für ein kurzes Zwischenspiel unterbrochen wird. «Wir kennen und schätzen uns seit vielen Jahren – da habe ich halt zugesagt», verrät Ruedi Matter.
In die hiesige Mundart übersetzt
Doch einfach bestehende Sagen ab Blatt vorlesen, das will Matter im Alten Löwen nicht. Dafür ist ihm die Sprache doch zu wichtig. Und sein schauspielerisches Talent wohl zu nahe. «Ich habe die vorliegenden Sagen-Texte allesamt in die hiesige Mundart übersetzt», sagt Matter. Zugleich werde er da und dort mit geschichtlichen Ergänzungen aufwarten, so etwa zum Looweiher. «Und sehr wahrscheinlich werde ich dem Publikum auch noch etwas Matter ‹unterjubeln›», sagt Ruedi Matter schmunzelnd. Matter ohne Matter – fast ein Ding der Unmöglichkeit.
«Es gibt einige Orte in Oftringen und Küngoldingen, um die sich Sagen ranken», weiss Ruedi Matter. Die Sage von der schönen Küngold und dem Tanz der Elfen am Looweiher ist nur eine davon. Es gibt auch jene von den Erdmännchen im «Chräitel», einem Steckhof zwischen dem Bad Luterbach und Walterswil. Oder die Sage vom Schwarzen Stier – die auf einem Bauernhof unweit des Tychs spielt, in der Nähe des heutigen Perry-Centers. Oder die Sage vom «Beerlibaum» im Engelberger Wald. Und auch um die beiden Festungen Wartburg (Ruine Alt-Wartburg) und Säli-Schlössli (Neu-Wartburg) ranken sich Sagen wie die Kletterpflanzen um die alten Gemäuer.
«Ich kenne alle diese Sagen», sagt der seit sechs Jahren pensionierte Dorfschullehrer. Allerdings sei er kein besonderer Sagen-Kenner und habe auch nie nach Sagen geforscht oder sie gesammelt. «Aber Sagen und Geschichten haben mich immer interessiert, auch im Rahmen meiner langjährigen Tätigkeit als Lehrer», führt Matter weiter aus.
Ursprüngliche Verfasser sind meist unbekannt
Sagen als Erzählungen von fantastischen, die Wirklichkeit übersteigenden Ereignissen basieren in der Regel auf mündlicher Überlieferung. Da diese meist mit realen Begebenheiten, Orts- oder Personenangaben verbunden werden, entsteht aus ihnen der Eindruck eines Wahrheitsberichts. Die ursprünglichen Verfasser von Sagen sind üblicherweise unbekannt, im Gegensatz zu den Sammlern und Herausgebern, welche die schriftlich fixierten Fassungen oft inhaltlich und sprachlich bearbeitet und literarisch geformt haben.
In der Schweiz werden Sagen seit dem 19. Jahrhundert systematisch gesammelt. Dass so viele Sagen aus dem Aargau überliefert sind, ist in erster Linie dem Aarauer Kantonsschulprofessor E. L. Rochholz zu verdanken. Mit Hilfe seiner Schüler und einer Anzahl Vertrauenspersonen trug Rochholz in den verschiedenen Regionen des Aargaus die beeindruckende Zahl von 536 Sagen zusammen, die er um 1850 in zwei Bänden veröffentlichte.
Trio sorgt für musikalische Zwischentöne
Doch zurück ins Oftringer Ortsmuseum, das am Sonntag von 15 bis 17 Uhr offen ist. Besucherinnen und Besucher dürfen sich nicht nur auf die sagenhafte Lesung von Ruedi Matter, sondern ebenso sehr auf die musikalische Umrahmung durch Astrid und Mathias Baumann im Zusammenspiel mit Christian Lienhard freuen.
Zudem sind im Alten Löwen ein letztes Mal die Bilder von Barbara Scherrer (Brittnau) zu besichtigen. Beachten Sie bitte, dass der Eintritt ins Museum ausschliesslich mit Covid-Zertifikat möglich ist.