
Schmutz wird mit CO2 eiskalt abserviert
Michael Müller kennt man als ehemaligen Zofinger Einwohnerrat und Präsidenten der SVP-Stadtpartei – aber er ist auch ein «Ice-Man». Der Reihe nach. Eigentlich ist Müller Betriebsökonom. Mit diesem Bildungshintergrund war er Finanzchef – CFO – namhafter, grösserer Unternehmen. «Zu meinen Aufgaben gehörten auch Firmenzukäufe», sagt Müller. Danach musste jeweils «verschlankt» – Personal entlassen werden. Für den Ökonomen logisch – aber ethisch? Er wollte nicht mehr und suchte die Veränderung. «Nein ein eigenes Geschäft wollte ich eigentlich nicht», sagt er. Dann stiess er per Zufall im Internet auf das Thema Trockeneisstrahlen – im Gegensatz zu Sandstrahlen vor neun Jahren in Europa kaum ein Begriff. «In den USA setzte man bereits in den 1950er Jahren beim Entlacken von Flugzeugen auf das Verfahren», sagt Müller – «Die Methode schont die Metallfläche.»
Tiefenwirkung und «Verbrennen»
Was ist Trockeneisstrahlen? Hier wird Kohlenstoffdioxid (CO2) bei einer Temperatur von minus 79 Grad Celsius eingesetzt. «Die Partikel, die anschliessend direkt zu Gas werden, prallen mit fünf Bar Druck und mit zehn Kubikmeter Luft pro Minute getrieben auf die zu reinigende Fläche», sagt Müller – «dies mit einer Geschwindigkeit von 1,5 Mach.» Gefährlich? In der Handhabung nicht anspruchsvoller als ein Hochdruckreiniger im Haushalt – einzig der Kontakt mit dem Trockeneis muss vermieden werden; wegen der enormen Kälte. Die aber hat auch ihre Vorteile, wenn es um organische Verunreinigungen (Flechten, Moos) geht. Die werden nicht nur weggesprengt, sondern durch die Kälte zusätzlich «verbrannt». Gartenplatten ohne Gift mit Trockeneisstrahlen reinigen? Ja, sagt Müller. Der Quadratmeter kostet allerdings 33 Franken und eine Mindestfläche ist unabdingbar. Arbeit, Gerätschaft und Trockeneis sind nicht ganz billig – für Fassaden oder Dachunterseiten aber eine günstige Alternative. Normalerweise, sagt Müller, arbeitet «DryiSo» – der Name steht für Dry, Ice and Solutions – im Bereich Immobilien und Industrie. Graffiti entfernen, Brandschäden (oberflächliche Verkohlungen) beheben und alte Farben abtragen. Das geht mit Trockeneis Schicht für Schicht – speziell bei historischen Gebäuden zur Freude des Kostenträgers und des Heimatschutzes. Ach ja – auch Kaugummi ist ein Thema für Trockeneisstrahlen. DryiSo setzt für solche Arbeiten regelmässig Leute aus sozialen Institutionen der Region wie etwa «Chance Z» ein – nicht zum Billiglohn, wie Müller betont.
Wirtschaftsförderung
Beim Stichwort Industrie wird es spannend. Die Reinigung von Maschinen und Motoren in der Industrie sind ein bedeutendes Marktsegment. Die Platzverhältnisse sind jedoch eng – und die Düsen der DryiSo-Reinigungslanzen gross. Kleinere Düsen? «Die waren recht rasch verstopft», sagt Müller. Dann ein zufälliges Treffen und ein Gespräch mit dem regionalen Wirtschaftsförderer Andreas C. Brändle. «Gelandet» ist Michael Müller schliesslich beim Hightech Zentrum Aargau. «Die nehmen sich auch Kleinunternehmen an, wenn sich aus der Problemstellung ein Forschungsauftrag für die Fachhochschule ergibt», durfte Müller erfahren.
Inzwischen ist ein Prototyp einer neuen Düse entwickelt und wird aktuell für die Praxis optimiert und unter verschiedensten Bedingungen getestet. «Ohne das Hightech Zentrum Aargau hätte ich ein solches Forschungsprojekt nicht umsetzen können», sagt Müller. Diese Aussage gilt nicht nur für die Arbeit der Wissenschaftler und Studenten, sondern auch für die Kostenseite. Geforscht wurde nicht gratis, aber für einen verkraftbaren Kostenanteil.