Seit Jahren stehen geblieben

«Du Scheiss-Neger, geh dorthin zurück, wo du herkommst.» Oder «geh Baumwolle pflücken». Solche und ähnliche Beschimpfungen musste sich Joshua Heuberger als kleiner Junge öfters anhören. Aufgewachsen in Titterten, einem 400-Seelen-Dorf im Oberbaselbiet, war der schweizerisch-nigerianische Doppelbürger als einer der wenigen dunkelhäutigen Menschen in der Gemeinde immer wieder Zielscheibe von rassistischen Äusserungen. «Oft wurde ich auch im Alltag aufgrund meiner Hautfarbe bewertet und beleidigt», erinnert sich der heute 23-jährige Unternehmer.

Sport und die Leistung als verbindendes Element

Mit der Zeit hat sich Joshua Heuberger an diesen Umstand gewöhnt. Treibende Kraft hinter dieser Entwicklung waren seine Eltern, die ihn schon früh lehrten, «dass ich solche Sachen nicht persönlich nehmen soll». Auf der anderen Seite spielte auch der Sport in diesem Prozess eine entscheidende Rolle. «Mein Vorteil war, dass ich immer gut gewesen bin und mit Leistungen meine Antwort geben konnte», sagt Heuberger.

Seit zwei Jahren stellt der frühere Leichtathlet seine Fähigkeiten als 1.-Liga-Stürmer bei Unihockey Mittelland unter Beweis. Obwohl dunkelhäutige Spieler in der Schweizer Unihockey-Szene eher die Ausnahme sind, komme es sehr selten zu rassistischen Vorfällen. «Sport verbindet die Leute mehr, als dass er sie auseinander treibt», sagt Heuberger, der seine innere Gelassenheit als weitere Stärke bezeichnet. «Ich bin nur schwer zu provozieren», sagt Heuberger. Geht ihm die Diskriminierung dennoch zu weit, versucht er, die Situation mit Worten zu lösen. «Wenn es Sinn macht, suche ich das Gespräch», sagt Heuberger, «sonst ignoriere ich diese Person, weil mich das in diesem Fall einfach nur nervt.» Solche Fälle bestätigen ihn in seiner Meinung, dass Rassismus viel mit Erziehung zu tun habe. «Ich denke jeweils, wie schade es ist, dass dieser Mensch nicht über den Tellerrand schauen kann», sagt Heuberger.

Die Hautfarbe alleine löst üble Anfeindungen aus

Auch Lelo Toni wurde wegen seiner Hautfarbe bereits in jungen Jahren angefeindet. In einer Begegnung mit der U14 des FC Aarau gegen eine liechtensteinische Equipe warf ihm ein Gegenspieler nach einem Foul Beschimpfungen der übleren Sorte an den Kopf. «Meine Mitspieler eilten mir schnell zu Hilfe, trotzdem hatte ich danach lange ein Problem damit und sprach mit meiner Mutter darüber», blickt Toni, dessen Vater aus dem Kongo stammt, zurück. Auch im Dress des SC Schöftland, für den der 25-jährige Stürmer seit Juli 2018 seine Fussballschuhe schnürt, ist Toni vor rassistischen Vorfällen nicht gefeit. «Vor einem Spiel in Einsiedeln warnte mich unser Captain Gianni Barile, dass ich von gewissen Zuschauern nicht alles ernst nehmen sollte», erzählt Toni. Tatsächlich bekam er dann während des Spiels den einen oder anderen Ausdruck zu hören. «Ich bin stolz, Kongolese und Schweizer zu sein und werde trotzdem aufgrund meiner Hautfarbe angegriffen. Das ist schade und beschäftigt mich schon im ersten Moment», sagt der Lostorfer, der als Verkäufer im Innendienst tätig ist. Früher habe er solche Gedanken in sich «hineingefressen» und versucht, sie zu vergessen, heute spricht er die Leute nach solchen Aktionen aktiv an. «Ich will nur Fussball spielen und es den Leuten so zeigen», so Lelo Toni.

Vor einigen Tagen hat Lelo Toni bei sich zuhause ein Armband mit dem Spruch «Stand Up Speak Up» in der Hand gehalten. Unter diesem Motto lancierte der US-amerikanische Sportartikel-Hersteller Nike 2005 eine weltweite Kampagne gegen Rassismus im Fussball – anscheinend ohne nachhaltige Wirkung. «Wir sind noch immer am gleichen Punkt», sagt Toni, der verlangt, dass vor allem in den unteren Ligen mehr gegen Rassismus unternommen wird. «Die Frage ist aber, was», sagt er, «abseits der Öffentlichkeit sind solche Massnahmen sehr schwer umzusetzen.»

Auch Joshua Heuberger teilt die Ansicht, dass man dieser Debatte nie zu wenig Aufmerksamkeit schenken darf. Gerade deshalb seien internationale Bewegungen wie «Black Lives Matter» ein gutes Mittel, um das Bewusstsein der Menschen zu schärfen. «Jeder muss selber an sich arbeiten. Wer nichts aus dieser Geschichte lernt, wird auch sich selber nicht ändern.»

Kommentar

Es gibt im Leben auch Grautöne

Mein Nachname verrät es und auch nach drei Wochen an der karibischen Sonne kann ich es nicht verleugnen: Ich bin weiss. Und dennoch habe ich – in sehr bescheidenem Rahmen – schon erlebt, wie es ist, der «Andere» zu sein. Vor ein paar Jahren sind meine Frau und ich nach Tansania gereist, um unsere Patenkinder zu besuchen. Nur ein paar Schritte ausserhalb des Flughafengebäudes von Dar-es-Salam hatte sich bereits eine wild gestikulierende Traube aus Taxifahrern und «Vermittlern» um uns gebildet. Nachdem wir mitgeteilt hatten, wohin wir wollen, ging das Feilschen los. Letztlich einigten sich die Taxifahrer – ohne uns zu fragen – darauf, dass die Fahrt an unser Ziel 400 Dollar kosten solle. Einer der «Vermittler» nahm uns zur Seite und teilte uns mit, dass dieser Preis nur für Weisse gelte, sein Fahrer würde es für die Hälfte machen. Wir nahmen an. Im Nachhinein verriet uns unser Begleiter von «World Vision», dass wir dennoch kräftig übers Ohr gehauen wurden. 

Wertvoll war die Erfahrung für uns trotzdem. In drei Tagen Tansania sahen wir keinen einzigen weissen Menschen, ausser einem der Albino-Kinder, die in Tansania aus Aberglaube verfolgt werden. Wir erfuhren, was es heisst, die oder der «Einzige» zu sein und angestarrt zu werden. Kein schönes Gefühl, das aber zum Nachdenken angeregt hat. 

Gegen Rassismus – und damit meine ich nicht die wenig erbauliche Diskussion über Süssspeisen beim Grossverteiler – muss mit aller Macht vorgegangen werden, auch wenn er beim Menschen und selbst in der Tierwelt nicht auszurotten ist. Es ist nicht immer blanker Hass, der ihn entstehen lässt, sondern kann auch Angst vor dem Fremden, vor dem Anderen sein: Anders aussehen, anders leben, anders sprechen. Das Wort Rassismus suggeriert es zwar, betrifft aber bei weitem nicht nur die Hautfarbe, sondern auch die sexuelle Orientierung, die Körperfülle oder sogar das Geschlecht. 

In einem Bereich, in dem Sympathie und Hass so nahe beieinanderliegen wie im Sport, darf es nicht überraschen, dass sich gewisse Individuen der Rassismuskeule bedienen. Auch die beiden Athleten aus der Region, die von ihren Erfahrungen erzählen, wurden schon mit Beleidigungen aus der untersten Schublade konfrontiert. Das muss möglichst hart bestraft werden – auch wenn die Aussicht auf Besserung bei gewissen Menschen bescheiden ist.