
So feierte die Region den 730. Geburtstag der Schweiz – Teil 3/3

Nationalfeier wie vor der Corona-Krise
In Holziken aufgewachsen, verkörpert die praktizierende Rechtsanwältin eine politisch engagierte Familie par excellence. «Die Grundstrukturen der Schweiz als eigenständiges Land mit direkter Demokratie machen das Land und die Kultur einzigartig, schützenswert und letztlich erfolgreich.» Barbara Borer-Ma-thys folgt der Parteilinie und spricht damit vielen Reitnauern aus der Seele. Dass der EU-Rahmenvertrag ad acta gelegt wurde, sei für sie nicht weiter tragisch, man müsse nur neue Wege mit Nachbarländern und Handelspartnern gehen. Sie räumt aber auch ein, dass man sich als kleines Land im Herzen Europas diesem nicht verschliessen kann.
Komplett auf den Kopf gestellt habe die Pandemie das Leben. Impfkampagnen befürwortet sie – schwere Krankheitsverläufe würden seltener und das Gesundheitswesen entlastet. Der Fortschritt in der Elektromobilisierung sei nicht aufzuhalten. «Allerdings muss man sich fragen, wie steigender Strombedarf gedeckt werden kann», äusserte Borer-Mathys ihre Bedenken. Mit Stromimporten begäbe man sich von einer Abhängigkeit in die nächste. Nachhaltigkeit reduziert die Rechtsanwältin nicht nur auf die CO2-Absenkung: Wann immer möglich geht sie zum Metzger und Bäcker ins Nachbardorf oder kauft das Gemüse im Hofladen. Im Dorf und im Job sei Engagement gefragt. Was einen Verein oder ein Gewerbe erfolgreich macht, würde auch das Land stärken – das spreche für politische Überzeugungskraft.
An einem Tag, an dem das Land zwei olympische Goldmedaillen errang, liess es sich leicht auf das 730-jährige Bestehen der Eidgenossenschaft anstossen. Der Jodlerklub Reitnau mit dem Jodellied «Dini Seel ä chli la bambälä la» und die Volkstanzgruppe Attelwil mit einstudierten Tänzen vergoldeten die Reitnauer Nationalfeier zusätzlich. (awe)

Die Kunst, in der Krisedas Positive zu sehen
Der Safenwiler Ammann Daniel Zünd (SVP) kam nicht aus dem Staunen heraus, als die Bevölkerung zuhauf ins Sporthaus Höchacker strömte. Er hatte anlässlich der Bundesfeier mit einer Handvoll Personen gerechnet, nun kamen trotz Regen und Corona so viele, dass die Letzten nur noch draussen unter den Sonnenschirmen Platz fanden. Die Feier war vor fünf Wochen dank der Mithilfe des Turnvereins spontan auf die Beine gestellt worden, als Walterswil pandemiebedingt absagen musste. Und nicht nur die Turner kamen mit der Umsetzung des Schutzkonzepts und der Verpflegung zum Einsatz, auch gaben Jodlerklub und Musikgesellschaft Safenwil-Walterswil nach über einem Jahr wieder ihr Können zum Besten.Die Jodlerinnen und Jodler übermittelten mit dem Lied «Chasch im Läbe nüt erzwinge, s’chunnt letschtendlich wien es wott» dieselbe Botschaft, die auch die Rede des geladenen SVP-Grossrats Christian Glur beinhaltete: Im coronabedingten Chaos und den finanziellen Sorgen auch Positives zu sehen. Für Glur war das die Entschleunigung des Alltags, durch die das Umfeld wieder mehr Zeit gehabt habe für Treffen und Gespräche. Auch der starke Zusammenhalt, den er seit Beginn der Pandemie beobachten konnte, stimme den Grossrat positiv. «Es wäre schade, wenn dieser nun verloren ginge, weil man sich wegen verschiedener Meinungen streitet.» Auch einen Wink nach Bern schickte Glur ab: Zur Erholung der Wirtschaft sei es jetzt «wichtig, dass es keine grösseren Einschränkungen mehr gibt». (fsi)

Ohne Fortschritt gibt es keine Zukunft
Seit diesem Jahr ist Saïmaa Müller im Vorstand des kantonalen Jugendparlaments vertreten. Einmal pro Woche übt sie sich in mittelalterlicher Fechtkunst in der Turnhalle Wiliberg. Mit der Vergangenheit verbunden denkt sie an die Zukunft der nächsten Generationen. Die junge Parlamentarierin wählte bewusst das Thema «Fortschritt» für ihre Ansprache zu Nationalfeier. Einer der bedeutendsten Fortschritte des Landes war für sie die Annahme des Frauenstimmrechts vor 50 Jahren als Wegweiser der direkten Demokratie. Die Herausforderungen der Gegenwart sieht sie im Klimawandel. «Flutwellen in der Schweiz, zerstörerisches Hochwasser im nördlichen Nachbarland und weltweite Hitzewellen mit brennenden Wäldern beweisen, dass der Klimawandel uns fest im Griff hat» so Saïmaa Müller. Auch den Rückgang der Artenvielfalt bei Vögeln und der Rückgang der Gletscher ist ihr eine Erwähnung wert.«Als fortschrittliche Schweiz dürfen wir uns nicht auf Erfolg und Wohlstand ausruhen. Wir leben in einem politisch stabilen System, können in Frieden und ohne Angst zusammen den Nationalfeiertag begehen und an den gegenwärtigen Herausforderungen wachsen» sind die Kernaussagen ihrer Ansprache. Das friedliche Zusammenleben, die kulturelle Vielfalt und die Toleranz gegenüber anderen Menschen sind Müller auch am 1. August wichtig: «Am Nationalfeiertag teilen wir gemeinschaftliche Gefühle, leben unsere Dorfgemeinschaft und fühlen uns als Nation und Volk verbunden». Ohne gemeinsames, fortschrittliches Denken und Handeln dürften künftige Herausforderungen nicht zu stemmen sein, könnte ihr Fazit lauten. Musikalische Aspekte steuerte das Akkordeontrio «Birchgässler» mit «‘s Träumli» und anderem Schweizer Liedgut bei. (awe)