Sollen Lotto-Gewinne steuerfrei sein?

Das Geldspielgesetz, das am 10. Juni zur Abstimmung kommt, ist ein Spaltpilz – entzweit Jung und Alt, wie auch das bürgerliche Lager und die Wirtschaft. Der Dachverband Economiesuisse ist gegen das Gesetz, weil es mit seinen Netzsperren ausländische Anbieter ausschliesst, Wettbewerb verhindert. Für das Gesetz tritt die Glücksspielbranche ein – sie umfasst 21 Casinos – die künftig in unserem Land exklusiv Geldspiele im Internet anbieten dürften. Unter den «Gambling House»-Betreiberinnen findet sich die Stadt Baden. Ihr gehört das örtliche Casino zu 50,01 Prozent.

Beim Geldspielgesetz geht es für die einen um viel Geld, für die anderen um die Freiheit des Internets. Eine Grundsatzdiskussion entfacht die vom Staat vorgesehene Netzsperre für ausländische Anbieter von Geldspielen. Das Gesetz will, dass nur Schweizer Casinos online sein dürfen – alle anderen ausgeschlossen bleiben. Die Gegner wettern gegen staatliche Zensur, sie sehen Zustände wie in Nordkorea oder China am Horizont.

Fakt – und dem Ja-Argumentarium des Bundesrats entnommen – ist, dass das Gesetz das Schweizer Geldspielrecht ins Internetzeitalter führen will. Man sieht aber auch eine neue Goldmine für die Alimentierung von AHV und Swisslos. Weil Glücksspielgewinne bis zu einer Million Franken künftig steuerfrei wären, erhofft sich der Bundesrat für das Geldspiel eine Attraktivitätssteigerung und mehr Einnahmen für die Gemeinschaft. Swisslos spricht in ihrem Bereich von 300 Millionen pro Jahr. Wo bleibt da die Spielsuchtprävention? Neu könnte sogar die Pokerrunde im Hinterzimmer legalisiert werden. Weshalb soll ein Glückspilz auf seinen Gewinn keine Einkommenssteuer bezahlen müssen? Wo bleibt da die Steuergerechtigkeit?

Um was geht es bei der Netzsperre, wie gefährlich für unsere Freiheit und unsere Wirtschaft ist sie? Kompetent ist da der Kölliker IT-Fachmann und SP-Gemeinderat Andreas von Gunten. Er wurde denn auch – von Gunten war im «Migros»-Magazin präsent – vom Fernsehen SRF in die «Arena»-Sendung ein- und umgehend wieder ausgeladen. Der Staatssender kennt eine eiserne Grundregel: Ist jemand Mitglied einer Partei, darf er nicht gegen eine Parole seiner Leute antreten – die SP will das neue Gesetz und somit indirekt einkommenssteuerbefreite Lottomillionäre.

Was spricht gegen Netzsperren für Online-Glückspiele ausländischer Anbieter? Der freie Markt – aber nicht nur. Tim Voser von den Aargauer Jungfreisinnigen warnt vor Zensur und weiteren Marktverzerrungen. Schon heute kann man als Schweizer im einen oder anderen Onlineshop in Deutschland nichts bestellen – wird auf ein inländisches Portal mit happigem «Swissness»-Zuschlag weitergeleitet. Das ist keine Netzsperre, sondern unfair. Was aber, wenn eine Schweizer Urheberrechtsverwerterin es nicht gerne sieht, dass Musik via Internetshop günstig im Ausland eingekauft wird? Schützt man die Glücksspielbranche vor Konkurrenz, wäre es nur recht und billig, dies auch für Urheberrechtsinhaber zu tun.

Als der Franken im absoluten Höhenflug war, jammerten die Grossverteiler über massivste Umsatzeinbussen – zögerten aber lange, ihre Margen zu reduzieren. Der Einkaufstourismus explodierte. Schutzmassnahmen – wie eine Reduktion der Freimengen bei der Zoll- und der Mehrwertsteuerabgabe? Diese Forderung lag auf dem Tisch. Die Politik blieb hart. Solche Schutzmassnahmen widersprechen dem freien Wettbewerb einer liberalen Marktwirtschaft – hätten die Schweiz endgültig zu einer Hochpreisinsel in Europa gemacht.

Wie weiter? Tim Voser schlägt eine liberale Umsetzung des Geldspielgesetzes vor und verweist auf die Regelung in Dänemark: Dort erhält jeder eine Onlinelizenz, der sich an staatliche Vorgaben hält. «Netzsperren» – sagt Voser – «sind wirkungslos und können mit wenigen Klicks umgangen werden.»