
Sondermülldeponie Kölliken: Das Ende der Halle über der Gift-Grube

Der 150-Tonnen-Bagger mit der furchterregenden Zange hat gerade Pause, ein kleinerer Kollege reisst Bleche vom Dach und der mobile Raupenkran, einer der grössten der Schweiz, kommt bald. Er ist diese Woche noch beim Eppenberg-Tunnel im Einsatz. Nächste Woche wird er in Kölliken aufgebaut und am Montag, 16. April, hebt die Gewalts-Maschine den ersten Bogen der Hallenkonstruktion der Sondermülldeponie Kölliken (SMDK) weg. Bis zum 28. Juli wird die ganze Stahlkonstruktion entfernt. Also auch die imposanten Bögen über der Abbauhalle. Letztere sind als Ganzes zu schwer für den Kran. Sie müssen in der Mitte auseinandergeschraubt werden. Damit die Konstruktion nicht zusammenstürzt, ist der Bau eines Leergerüsts nötig. Es kommt Mitte Mai erstmals zum Einsatz und wird dann in Etappen von Osten nach Westen verschoben.
Bis fast unters Dach aufgefüllt
Gegen aussen ist der Abbruch der riesigen weissen Hallen so etwas wie der spektakuläre Schlusspunkt der Deponiesanierung – auch wenn die Arbeiten danach noch viele Jahre weitergehen werden. Das Gift ist längstens weg. An den Sondermüll erinnern nur noch ungefährliche Gerüche, die sich in der Hallenkonstruktion festgesetzt haben. Die Halle selber ist bis fast unter das Dach wieder aufgefüllt. Mit Ausbruchmaterial aus dem Eppenberg-Tunnels.
«Die Demontage der Halle ist sicherheitstechnisch fast heikler, als es der Rückbau der giftigen Stoffe war», erklärt SMDK-Geschäftsführer Benjamin U. Müller. Er erinnert daran, dass der einzige ernsthafte Unfall während der ganzen Sanierung in der Aufbauphase der Halle passierte. Ein Monteur stürzte von einem Träger des Daches.
Halle nur noch Schrott
Die Halle hat ihren Dienst getan. Sie wird nicht abgebrochen und irgendwo wieder aufgebaut, sondern verschrottet, recycelt. Der Abtransport des Stahls erfolgt über die Strasse, das Industriegleis auf das Gelände der SMDK wird im Sommer ebenfalls entfernt. Der Rückbau der Halle erfolgt von Osten nach Westen. Alle drei bis vier Tage wird ein Bogen entfernt. Wenn die Stahlkonstruktion weg ist, müssen noch die Seitenwände und die Bodenplatte entfernt werden. Beide sind aus Beton. Erstere wird ein Bagger «wegbeissen», was kaum Lärm verursacht. Die 1,5 Hektaren Bodenplatten müssen gespitzt werden. Dieses «Hämmern» wird deutlich zu hören sein. Und der Staub? «Wir bemühen uns, die Immission so gering wie möglich zu halten», erklärt Müller. Was den Staub anbetrifft, war es ein Riesenvorteil, dass das Eppenberg-Material letztes Jahr noch in der Halle deponiert werden konnte.
Nochmals ein Baugesuch
Ende Oktober, wenn die ganze Halle weg ist, wird das sieben Hektaren grosse Gelände aussehen wie eine Mondlandschaft. Auf eine Zwischenhumusierung wird wegen der hohen Kosten verzichtet. Das Oberflächenwasser (Regen) wird im Absetzbecken gereinigt und dann abgeleitet.
SMDK-Chef Müller hofft, Mitte 2019 mit dem weiteren Auffüllen beginnen zu können. Dank des Glücksfalls Eppenbergtunnel ist die ehemalige Grube im Moment schon zu 40 Prozent voll. Woher kommt das künftige Material? Primär von Aushuben. Davon fallen in der Region etwa 100 000 Tonnen jährlich an. Dieses Material muss entsorgt werden – kostenpflichtig. Die SMDK wird für das Deponiegut Geld bekommen. Müller betont: «Wir wollen nur sauberes Material. Wir werden sehr restriktiv sein.» Wann wird die ehemalige Tongrube voll sein? «Wenn es gut läuft, im Jahr 2023; wenn es schlecht läuft im Jahr 2025», erklärt Müller.
Bevor die Wiederauffüllung fortgesetzt werden kann, muss ein neues Baugesuch eingereicht und aufgelegt werden. Das soll in der zweiten Hälfte des Jahres geschehen. In diesem Baubewilligungsverfahren wird beispielsweise die definitive Form des Geländes festgelegt. Wo es Magerwiesen gibt, wo der Wald wieder aufgeforstet wird und wo Fruchtfolgeflächen geplant sind. Von Letzteren wird es viele geben.
Im Jahr 2028 geschafft?
In den 80er- und 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts sah es so aus, als sei die Sondermülldeponie Kölliken ein Schrecken ohne Ende. Zwischenzeitlich ist dem nicht mehr so. Die SMDK-Sanierung gilt europaweit als Pionierleistung. Wenn sie denn einmal abgeschlossen sein wird, dürfte sie Grössenordnung 850 Millionen Franken gekostet haben. Geld, das schwergewichtig von den vier Konsortialpartnern, unter anderem dem Kanton Aargau, aufgebracht werden muss. Der Bund beteiligt sich mit über 200 Millionen Franken aus dem Altlastenfonds.
Die SMDK hat im Moment noch 7,9 Stellen. Der Redimensionierungsprozess wird fortgesetzt. Im Frühling 2019 soll ein weiterer Arbeitsplatz wegfallen. Und wenn jemand kündigt, wird er nicht ersetzt. Die Arbeit wird dann extern vergeben. Viel hängt jetzt davon ab, wie lange die SMDK-eigene Kläranlage (2 Stellen) und das Wasserlabor (1,5 Stellen) weiterbetrieben werden müssen. Der Letzte, der noch bei der SMDK arbeiten wird, dürfte Geschäftsführer Benjamin U. Müller sein. Er wird 2028 pensioniert. «Ich hoffe, wir schaffen es bis dann», sagt Müller. Das Konsortium wird vermutlich darüber hinaus bestehen bleiben – für den Fall, dass in ferner Zukunft noch Überraschungen auftreten.