Sprachliche Brillanz, gepaart mit treffsicheren Metaphern

Er war Musiker, Schriftsteller. Doch erst als er mit über 40 noch zum Poetry Slammer mutierte, ging sein Stern so richtig auf. Christoph Simon hat mit seinen geschmeidigen Pointen und Sätzen, die fein wie Nadeln stechen, unter anderem zwei Schweizer-Meister-Titel abgeräumt. Seit 2015 verdichtet er das Epische des Romans mit der Präzision des Wortgefechts zur abendfüllenden, kabarettistisch geschliffenen Geschichte. In Berndeutsch only und in Anzug und Schlips

«I ha dr Stoubsugerroboter vor Tür gschteut u ha gseit: Du bisch frey.» Der namenlose Vagabund ist, wie es der Titel des Programms sagt, «Der Richtige für fast alles». Als ihm eine neue Badewanne in die Wohnung montiert werden soll, haut er ab. Seither vagabundiert er durchs Land, wäscht seine Haare in der «Rägeglungge» und macht sich nichts draus, ob er die Almosen nun bekommt, weil er Strassenmusik macht oder weil er endlich damit aufhört. Und er freut sich, so vieles entdecken zu dürfen. «Cordon bleu bechumi im Groubünde mit Bündner Bärgchäs, im Friburgische mit Greyerzer, im Wallis mit Raclettechäs … Die viufaut!» Da ist er schon, der typische Witz von Christoph Simon, der Widersprüchlichkeiten aufeinander zurasen lässt.

Gitarre vor dem Gemächt

Weil die Strasse Abschiede so leicht macht, begegnet der obdachlose Vagabund Leuten, die er in der Wohnung meiden würde, mit Genuss. Das geht so lange gut, bis er in Zürich strandet und fast von einem Stromschlag niedergestreckt wird. Die Karrieretusse Frau Fink hat beinahe seinen Verstärker mit ihrem sirupgesüssten Lifestylekafi überschüttet. Seine Kleider hat sie hingegen nicht verfehlt. Sie nimmt ihn in den Waschsalon mit, wo er gleich alles in die Maschine wirft. Seine Männlichkeit gerade noch mit einer Gitarre bedeckend, bahnt er mit ihr ein tiefsinniges Gespräch an. «Wi lang bruchsch für dini Frisur, chöntsch demit dr erscht Priis anere Hundeussteuig gwünne?», er schafft es trotzdem, dass sie die Sonnenbrille von ihrer Nase nimmt und ihm verweinte Augen präsentiert. Enttäuschte Liebe. Erzählt in betriebswirtschaftlichen Kategorien, zudem beispielhaft für die Rückwirkungen des Konsumkapitalismus auf das Liebesleben. Einen Freund suchen will er ihr in der Folge trotzdem.

Während er ihr mit zweifelhaftem Erfolg Typen zuhält, wirft der Vagabund die wunderbarsten Landschaftsbilder zur Schweizer Befindlichkeit in den Raum. «Warum wärde die Fahne-schwinger immer besser? steckt am Änd z’viu Gäud drin», fragt er sich beispielsweise und seziert auf brillante Art den angesichts der europäischen Abhängigkeiten immer mehr ins Artifizielle ausufernden helvetischen Nationalismus. Scheinbar harmlos mit Selbstironie überzuckert, entwickelt Christoph Simons Witz seine Kraft erst, nachdem er die eine oder andere Hirnwindung überwunden hat. Was bleibt, ist ein präziser Stich, der umso besser spürbar ist, weil er sich so heimlich anschleicht.

Des Kupplers Glück

So einfach lässt sich der Vagabund über die Monate mit wiederholten Treffen nicht gegen die Karrierentusse Frau Fink ausspielen. Sie ist eine Frau aus Fleisch und Blut und macht eine Entwicklung durch, während er merkt, dass er vor der Liebe zu ihr doch nicht flüchten kann. Doch scheint sie schon seinem Freund Steve verfallen, der ihren Menstruationsschmerz mit Elektroden Marke Eigenbau – zum Schreien komisch – am eigenen Leib nachempfindet. Trotz fehlender grosser Gefühle soll Steve ihr ein Baby machen. Als Übungsfigur zu diesem Zeugungsakt will der Vagabund dann doch nicht herhalten – obwohl er es ist, den Frau Fink letztlich meint.

Wie sie dann am Ende doch noch zusammenkommen irgendwo in Chile, ist eine verwickelte Geschichte. Sie lässt ihm dann Gerechtigkeit widerfahren: «Dini Partnervermittlig het äbe doch funktioniert. Du hesch sogar dr schwirigscht Fau chönne verkupple.» «Aha, ja?».«I ha vo dir gredt.»

Rund 100 Minuten lang zieht Christoph Simon mit seiner sprachlichen Brillanz und seinen schrägen, aber sehr treffsicher Metaphern das Publikum in seinen Bann. Die Story ist aus einem Guss, das Timing perfekt. Die kleine Kunst trumpft hier selten gross auf – und trifft auf scheinbar abwegigen Routen doch stets ins Zentrum.