Strengelbach macht mobil – breiter Widerstand gegen «Gmeinds»-Entscheid

«Das ist nicht mehr demokratisch»

Roger Lussi ist Präsident der CVP Strengelbach und Sprecher des Komitees, das den Spitex-Entscheid kippen will. Im Interview erklärt er, weshalb er zusammen mit anderen Personen das referendum ergriffen hat.

Herr Lussi, der Entscheid an der Gmeind kam zwar knapp zustande, trotzdem war es ein demokratischer Entscheid. Ist ein Referendum dagegen nicht Zwängerei?

Wenn an einer Gemeindeversammlung 5,8 Prozent der Stimmbeteiligten teilnehmen – also 170 von 2931 – kann kaum von einem repräsentativen Volksentscheid gesprochen werden. Das ist nicht mehr demokratisch! In dieser Grössenordnung kommen partikulare Interessen stark zum Tragen und können eine Abstimmung entscheidend beeinflussen. Nehmen Sie nur die Tempo-30-Abstimmung im Gebiet Fischthür als Beispiel. An der Gmeind vom letzten Juni mit 72:39 Stimmen klar angenommen, die Stimmbeteiligung lag bei 4,2 Prozent, an der Urnenabstimmung mit 631 zu 279 Stimmen ebenso klar abgelehnt – bei einer Stimmbeteiligung von 31 Prozent. Ich zweifle daher stark an, dass die Spitex-Abstimmung ein demokratischer Entscheid war. Einen Solchen möchten wir aber gerne haben.

Welche Reaktionen haben Sie im Dorf mit Ihren Referendumsplänen erlebt?

Einige fragten noch am Freitagabend, ob man da wirklich nichts mehr machen könne. Teilweise verständnisloses Kopfschütteln, Verzweiflung, schlichter Frust, bereits kurz nach der Abstimmung. Das war in dieser Heftigkeit neu für mich. Nach dem Zeitungsartikel am Dienstag vor einer Woche im Zofinger Tagblatt über das geplante Referendum fragten mich Leute dann an, wo man unterschreiben könne … auch das hatte ich bisher noch nie erlebt! Auch von den politischen Parteien gab es in unkomplizierter Weise einen sehr schnellen Zuspruch, was mich sehr freute. Die im Komitee beteiligten Parteien hatten alle bereits im Vorfeld den gemeinderätlichen Antrag zur regionalen Spitex unterstützt, und pflichteten so auch dem Referendum bei. So kam das Komitee quasi «über Nacht» zustande.

Was ist in den nächsten Tagen und Wochen geplant, um die Leute von Ihrem Vorhaben zu überzeugen?

Nachdem wir das Komitee nun konstituiert haben, wurde die Unterschriftensammlung gestartet. Es liegt der Fokus nun auf dem Sammeln der Unterschriften. Diese müssen bis zum 28. Dezember beisammen sein. Dies wird von den Parteien und involvierten Privatpersonen selbstständig organisiert und durchgeführt. Jede Partei und Gruppierung wählt hierzu ihre eigene bevorzugte Vorgehensweise. Sicher ist das persönliche Gespräch für alle immer ein wichtiges Instrument.

Interview: Philippe Pfister

Das Komitee will den Spitex-Entscheid der Gemeindeversammlung vom 24. November rückgängig machen. An diesem Abend haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ganz knapp entschieden, der geplanten regionalen Spitex nicht beizutreten. Der Gemeinderat wurde beauftragt, mit dem Seniorenzenrum Hardmatt eine Leistungsvereinbarung abzuschliessen.

Ein erfolgreiches Referendum allein reicht jedoch nicht, um den Entscheid zu kippen. Deshalb hat das Komitee gleichzeitig eine Wiedererwägungsinitiative gestartet: Sollte die Hardmatt-Lösung an der Urne auf Ablehnung stossen, fordert diese Initiative den Gemeinderat auf, die regionale Spitex erneut an die Gemeindeversammlung zu bringen. Für diese Gemeindeversammlung wird das Komitee also mobilisieren müssen, um das Vorhaben erfolgreich abzuschliessen.

Nötig für das Referendum sind 10 Prozent der Stimmberechtigten. «Bis Weihnachten sollen mehr als die geforderten rund 300 Unterschriften beisammen sein», sagt CVP-Präsident Roger Lussi, Sprecher des Komitees (siehe Interview rechts).

Zehn Gründe

In einer Pressemitteilung führen die Initianten zehn Gründe an, warum sie die Hardmatt-Lösung nicht akzeptieren wollen:

– Nach allen Spitex-Abstimmungen in der Region Zofingen stehe Strengelbach als einzige Gemeinde mit einer völlig isolierten Insellösung da. «Ein Beitritt, erst in einigen Jahren, verunmöglicht uns eine aktive Mitgestaltung der Organisation.»

– Mit dieser Insellösung werde die Spitex Hardmatt gegenüber der beschlossenen Spitex Region Zofingen ins Abseits gedrängt «und damit zu einem unattraktiven Arbeitgeber, der bei der Suche nach gut qualifiziertem Personal schlechte Karten haben wird».

– Ohne gut qualifiziertes Personal werde es aber nicht mehr möglich sein, die vom Gesetzgeber geforderten Anforderungen in der ambulanten Pflege zu erfüllen. Weiterbildungen und der notwendige fachliche Austausch seien für eine einzelne Institution kaum zu leisten.

– Gerade der fachliche Austausch sei für das Personal aber essenziell. «Dieser ist mit dem Personal des Alters-und Pflegeheimes Hardmatt allein nicht möglich, da die stationäre Pflege andere Anforderungen stellt als die ambulante.»

– Das bestehende Team des Stützpunktes Strengelbach werde auseinandergerissen und müsse sich neu orientieren und teilweise neue Stellen suchen. «Für die Klienten heisst das, dass die Kontinuität der jetzigen Betreuung nicht mehr gegeben ist», schreibt das Komitee.

– Die Interessen eines Pflegeheims – «restlos alle Betten zu belegen» – seien mit den Interessen der Spitex-Organisation – «Patienten möglichst lange zu Hause behalten» – nicht zu vereinbaren.

– «Wir sind mit der Leistung der heutigen Spitex äusserst zufrieden», schreibt das Komitee weiter. «Wir wollen, dass das so bleibt.» Dies sei mit professionalisierten Strukturen in der Spitex Region Zofingen sichergestellt.

– Kritisiert wird weiter, dass eine Spitex Hardmatt «als Kleinorganisation an ihre Grenzen» stosse. «Anforderungen wie sieben Tage/24 Stunden Dienst, Ausbildungsverpflichtung, Reporting, Digitalisierung, Spezialisierung etc. wird sie nicht erfüllen können.» Nur mit der Regionalisierung der Spitex sei auf längere Sicht eine umfassende und flexible Versorgung mit ambulanten Pflegeleistungen gesichert.

– Das Spitex-Geschäft ist «strategisch relevant». In der vom Gemeinderat kommunizierten Strategie werde eine punktuelle Zusammenarbeit mit umliegenden Gemeinden angestrebt. «Dies gilt auch für den Bereich der Gesundheitsversorgung. Die Lösung Hardmatt widerspricht dieser Strategie.»

– Schliesslich begründen die Initianten ihren Schritt mit dem Argument des «Zufallsmehrs»: An der Gemeindeversammlung seien lediglich 170 von 2931 Stimmberechtigten anwesend gewesen: der Entscheid mit fünf Stimmen zugunsten der Hardmatt-Lösung sei «somit nicht repräsentativ».