Sturz in die Aare wirft Fragen auf: Ist die Ufermauer am Oltner Amthausquai zu niedrig?

Wer in Olten vom Bahnhofquai über die Aare zum Amthausquai blickt, mag positiv verwundert sein über die monumentale Ansicht, die sich jenseits des Wassers offenbart: Eine terrassenartig gestaltete Uferverbauung mit begrünter Böschung und quaderverkleideter Ufer-Stützmauer; entstanden in den frühen 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts eben als Amthausquai.

Sturz über die Mauer – schwer verletzt

Knapp 130 Jahre alt ist das Bauwerk also und hat bisher nur für wenig Schlagzeilen gesorgt, allenfalls für ästhetische. Letzte Woche allerdings ist eine junge Frau vom Quai in die Aare gestürzt und hat sich dabei schwer verletzt. Zwar sind ihre Verletzungen «nicht lebensbedrohlich», wie die Polizei Kanton Solothurn auf Anfrage vermeldet. Bislang aber konnte die Frau nicht näher befragt werden. Sicher scheint derzeit nur, dass sie ohne Fremdeinwirkung in die Aare stürzte. Über die Umstände, die zum Sturz über die Begrenzungsmauer am Klosterplatz hinweg führten, ist nichts Näheres bekannt.

Das nährt auch Spekulationen. Ist die Frau, auf der Mauer sitzend, etwa aus dem Gleichgewicht geraten und rücklings in die Tiefe gefallen? Immer wieder nämlich ist zu beobachten, dass Passanten, vor allem um die Mittagszeit, den Ort als Chillecke nutzen. Die Mauer ist, wie Oltens Stadtbaumeister Kurt Schneider erklärt, bestimmt weniger als einen Meter hoch. Eine Höhe, die gemäss Empfehlung der Beratungsstelle für Unfallverhütung aus Sicherheitsgründen eigentlich gefordert wäre.

«Wir haben uns vor einiger Zeit mit der Unfallgefahr an der Mauer beschäftigt»,

so der Stadtbaumeister weiter.

«Hier würde ich mich nie hinsetzen»

Er selber habe bei dieser Gelegenheit vom Zielempmäuerchen aus in die Tiefe geblickt und sei zum Schluss gekommen: «Hier würde ich mich nie hinsetzen.» Aus diesem Grund wurde auch eine Begrünung der Mauerflanke angestrebt. So sollte eine Nutzung als Sitzplatz zumindest eingeschränkt werden. Beobachtet: «Manchmal räumen die Leute das Grünzeug eben beiseite», weiss Schneider. Und was ist mit einem Maueraufbau? Ein solcher wurde aus denkmalschützerischen Gründen verworfen.

Klar: Das Mysterium Zielempschloss liegt in unmittelbarer Nachbarschaft, die Mauer ist offenbar Bestandteil der einstigen Anlage. «Es ist halt immer auch eine Frage der Priorisierung, wenn es um die Entschärfung von Gefahrenstellen geht», so Schneider, «in der Stadt gibt es unzählige solcher Stellen.» Es lasse sich nicht jede Gefahr über bauliche Massnahmen eliminieren. Und die Frage, ob eine Massnahme verhältnismässig sei, stelle sich obendrein. Menschen müssten sich eben auch bestimmter möglicher Gefahrensituationen bewusst werden und entsprechend handeln können.

Besorgter Grossvater meldete sich

Der Amthausquai ist also nicht ganz ohne. Bereits vor einem knappen Jahr wurde diese Zeitung von einem besorgten Grossvater aus Olten auf einen weiteren Umstand hingewiesen. Nämlich, dass neben der Mauer am Amt­hausquai auch der Staketenzaun entlang des steilen Bordes viel zu wenig hoch angesetzt worden sei. Der würde keinesfalls als Absturzsicherung dienen.

Wenn sich die Kinder ein bisschen übermütig benehmen würden, sei doch schnell ein Unglück geschehen. «Das Bord ist ausserordentlich steil. Ausser zwei, drei Stengeln des Wiesenschaumkrautes und ein paar emporschiessenden Tulpen gibt es nichts auf der Bordwiese, was einen Sturz in die Aare wirklich verhindern könnte», meinte der besorgte Grossvater damals leicht ironisierend.

Staketenzaun ist keine Absturzsicherung

«Der Zaun ist auch tatsächlich nicht als Absturzsicherung gedacht», gibt Schneider zu verstehen und verweist auf den Umstand, dass der Zaun in dieser Form schon seit einiger Zeit bestehe. Die niedrigen Holzlatten haben kaum eine Wirkung als Absturzsicherung und tragen der Bedeutung des Amthausquais überhaupt keine Rechnung. Aber selbst dieses Holzkonstruktiönchen aus der Strickart «Privatgarten» müsste, um eine wirksame Sicherheitsfunktion erfüllen zu können, mindestens die Höhe von einem Meter aufweisen und allenfalls in anderer Konstruktion gehalten sein.

Der Blick vom 130-jährigen Amt­hausquai hat absolut seinen Reiz und bietet denen, die dort innehalten, eine wohldistanzierte Ansicht auf Bahnhof und Bahnhofquai. Kein übersteigertes Postkartengefühl zwar, aber immerhin. Nur: Die fast monumental anmutende Uferverbauung birgt ihre Gefahren, die noch selten traurige Wirklichkeit wurden. Der 15. April bildet da die vorläufige Ausnahme.