Sven Lüscher schiesst scharf

Dienstagabend. Zehnter Spieltag in der Aargauer 2. Liga. Auf dem Sportplatz «Neumättli» in Gontenschwil läuft die 93. Minute. Das Heimteam liegt gegen Mutschellen 2:3 zurück und startet einen letzten Versuch, die Niederlage abzuwenden. Es geht auch um die Antwort auf die Frage: Hält oder bricht die Serie? Was dann passiert, beschreibt der Klubchronist der Gontenschwiler so: «Der eingewechselte Frangiosa verlängerte einen langen Ball mit seinem Kopf zu Lüscher. Letzterer drosch den Ball mit seiner gewohnten Überzeugung unter die Latte zum viel umjubelten Ausgleich.» Niederlage abgewendet. Mit 25 Punkten bleiben die Gontenschwiler Tabellenführer. Aber was hat es mit dieser Serie auf sich?

Der Reihe nach: Sven Lüscher also hat das 3:3 erzielt. Also jener ehemalige Stürmer des FC Aarau, der im Sommer 2016 seine Profikarriere beendete. Wie so viele Ex-Profis lebt auch der 33-Jährige seinen Spieltrieb nun im Amateurbereich aus – seit dieser Saison beim FC Gontenschwil. Vier seiner fünf Trauzeugen spielen beim Klub aus dem Wynental. Das Versprechen, bald zusammen für den gleichen Verein aufzulaufen, hat sich das Quintett im Sommer 2016 auf Mallorca gegeben. Marc Zahnd, Spielertrainer bei Gontenschwil und seit dem Sandkasten-Alter mit Sven Lüscher befreundet, sagt: «Primär geht es um die Freundschaft.» Dass sie mit dem früheren Aarau-, Winterthur-, YB- und Kriens-Profi keinen mit dem Ballgefühl eines Goldfischs bekommen, wussten Zahnd und seine Kollegen auch.

Aber dass Sven Lüscher gleich so einschlägt? Zahnd witzelt: «Wenn wir ihn im Sturm aufstellen, ist die Grunderwartung die, dass er trifft.» Es ahnte aber niemand, dass Lüscher zur vielleicht spektakulärsten Serie ansetzt, die der Aargauer Regionalfussball je gesehen hat. 17 Tore hat der frühere Spieler des SC Zofingen und FC Rothrist in der laufenden Meisterschaft erzielt, womit er die Torschützenliste um drei Längen vor Köllikens Albert Marku und Gezim Zeqiraj (Othmarsingen) anführt.

Lüscher bringt es in dieser Saison auf 1,7 Tore pro Spiel. Das Verrückte daran: Er hat in jedem Spiel getroffen, in sieben davon gar doppelt. Nur beim Cup-Out gegen den 4.-Ligisten Turgi reihte sich auch Lüscher ins Kollektivversagen des Favoriten ein.

Nur ein Training pro Woche
Auch so ist die Serie aber mehr als beeindruckend. «Es wäre ja etwas nicht gut, wenn ich mich auf diesem Niveau nicht behaupten könnte», kommentiert Sven Lüscher trocken, wie man ihn kennt. «Auch wenn es um den Spass geht: Wenn der Match läuft, will ich gewinnen.» Die nicht mehr ganz so gute körperliche Verfassung spüre er zwar schon. «Aber sobald ich Raum habe, kann ich etwas bewirken.» Fragt sich, wie lange die Räume noch da sein werden. Denn Lüscher hat bemerkt: «Meine Torgefährlichkeit scheint sich rumgesprochen zu haben. Mittlerweile teilen mir die Gegner einen persönlichen Bewacher zu.»

Bemerkenswerter ist Sven Lüschers Lauf angesichts der Tatsache, dass er nur ein Mal pro Woche mit Gontenschwil trainiert. An den anderen Tagen ist er U15-Trainer, Stürmercoach und Videoanalyst beim Team Aargau. «Die Arbeit macht viel Freude, die Jungs sind lernwillig. Dass ich Ex-Profi frisch ab Presse bin, steigert meine Glaubwürdigkeit», sagt Lüscher. Bleibt zu hoffen, dass es ihm gelingt, den Stürmer-Talenten des Team Aargau sein Rezept zum Toreschiessen einzuimpfen. (wen)