
SVP-Nationalrat Andreas Glarner fährt 13-Jährigen an: «Plötzlich sprang mir ein Jugendlicher vors Auto»
Es war eine unscheinbare Polizeimeldung: «Gestern Abend ereignete sich in Oberwil-Lieli ein Verkehrsunfall zwischen einem Auto und einem Jugendlichen. Der Schüler eilte vom Schulhaus her in Richtung Bushaltestelle. Dabei touchierte ein herannahendes Auto den 13-Jährigen. Dieser musste zur Kontrolle ins Spital gebracht werden.» Das teilte die Kantonspolizei am vergangenen Freitag mit. Nun zeigen Recherchen der AZ: Am Steuer des Unfallautos sass Nationalrat und Gemeindeammann Andreas Glarner.
Die «Privatschule am Mutschälle» in Oberwil-Lieli liegt unmittelbar neben der Careproduct AG, der Firma von Glarner. Dieser bestätigt auf Anfrage: «Ich hatte am Donnerstagabend eine Sitzung in meiner Firma, gleichzeitig fand bei der ‹Privatschule am Mutschälle› ein Elternabend statt.»
Mehrere Kinder hätten draussen gespielt, dies auch noch, als die geschäftliche Sitzung fertig war und er nach Hause fahren wollte. «Als ich den Parkplatz mit dem Auto schon verlassen hatte, bemerkte ich, dass auf dem Areal nochmals das Licht anging, offenbar ausgelöst durch den Bewegungsmelder», sagt Glarner. «Ich bin rund um das Gebäude gefahren und wieder auf das Areal eingebogen, als mir plötzlich ein Jugendlicher vor das Auto sprang. Obwohl ich sehr langsam fuhr, praktisch im Schritttempo, stürzte der Junge zu Boden.
Ich stieg aus, fragte ihn, wie es ihm gehe, er lief darauf zurück zum Schulhaus. Kurze Zeit später kamen dann Eltern und Lehrpersonen aus der Schule und riefen die Ambulanz.» Die Eltern des Jungen, der muslimischen Glaubens ist, waren nicht anwesend, sie hatten nicht am Elternabend teilgenommen.
Die Sanitäter untersuchten den Jungen, nahmen ihn zur Kontrolle mit und brachten ihn ins Kinderspital Zürich. «Zudem informierten sie die Polizei», so Glarner weiter, «kurz darauf traf dann die Regionalpolizei ein und nahm bei mir eine Alkoholkontrolle vor. Diese ergab ein Ergebnis von 0,0 Promille.» Nach Eintreffen der Kantonspolizei schilderte Glarner bei der Befragung den Ablauf des Unfalls aus seiner Sicht. Dabei habe sich herausgestellt, dass der Junge von der Schule zur Bushaltestelle rannte, und offenbar knapp dran war.
Opfer im Spital besucht
Am Freitag besuchte Glarner den Jungen im Kinderspital in Zürich. Dieser konnte noch am Freitag wieder nach Hause. «Wie die genaue Diagnose lautet, weiss ich nicht, mein Eindruck war, dass er allenfalls eine leichte Hirnerschütterung und Prellungen davongetragen hatte, sonst aber hauptsächlich geschockt war», sagt der SVP-Nationalrat. Glarner hält fest, gegen ihn sei kein Verfahren eröffnet worden und er sei der Meinung, sich nicht pflichtwidrig verhalten zu haben. «Ich hoffe, dass es dem Jungen inzwischen wieder gut geht, und wünsche ihm ansonsten weiterhin gute Besserung.»
Glarner wird nochmals befragt Bernhard Graser, Sprecher der Kantonspolizei Aargau, sagt auf Anfrage, der Junge habe beim Unfall eine Prellung am Knie und Schrammen im Gesicht davongetragen. Die Kollision sei wegen der tiefen Geschwindigkeit zum Glück glimpflich abgelaufen, der Junge nur zur Kontrolle über Nacht im Spital behalten worden. «Wie üblich hat die Polizei auf der Unfallstelle den Sachverhalt aufgenommen und erste Befragungen durchgeführt», sagt Graser.
Inzwischen habe man auch mit dem Jungen und dessen Eltern nochmals gesprochen, eine weitere Befragung von Andreas Glarner werde noch dieses Jahr stattfinden. «Die Eltern des verunfallten Jungen könnten einen Strafantrag stellen, haben dies bisher aber nicht getan», sagt der Polizeisprecher. Ob es für Glarner dennoch eine Strafe wegen Verstosses gegen das Strassenverkehrsgesetz gebe, werde die Staatsanwaltschaft entscheiden. «Nach der Befragung von Herrn Glarner werden wir einen Rapport erstellen, dieser bildet dann die Grundlage für den Entscheid der Staatsanwaltschaft.»
von Fabian Hägler — az Aargauer Zeitung