SVP-Ständeratskandidat Hansjörg Knecht: «Ich habe das gleiche Ziel wie die Klimaaktivisten»

Leibstadt ist an diesem nasskalten Herbsttag auch nicht einladender als andere Dörfer. Draussen ist nur, wer muss – Bauarbeiter und Hansjörg Knecht, der uns vor seiner Mühle empfängt. Ausser dem Atomkraftwerk ist sie das markanteste Gebäude der Gemeinde, der Schriftzug ist weitherum sichtbar. Man kennt den Nationalrat und Ständeratskandidaten Knecht hier bestens und hält ihm die Treue. 64 Prozent der Stimmberechtigten haben am 20. Oktober die SVP gewählt. Hansjörg Knecht ist der bestgewählte Nationalrat des Kantons, doch er will in den Ständerat. Noch ist es nicht so weit, die Legislatur noch nicht zu Ende. Anfang Woche hatte er Kommissionssitzungen in Bern zum CO2-Gesetz – einer Vorlage, die dem SVP-Mann Sorge bereitet.

Waren diese Kommissionssitzungen Ihre letzte Handlung als Nationalrat?

Nein, vor Beginn der neuen Legislatur gibt es durchaus noch ein paar Sitzungen. Noch sind die vier Jahre nicht vorbei.

Wie stark gehen Sie davon aus, dass Sie ab Dezember nicht mehr im Nationalrat, sondern im Ständerat Platz nehmen werden?

Aufgrund des Ergebnisses aus dem ersten Wahlgang und jenem bei den Nationalratswahlen bin ich mit einem grossen Optimismus in den zweiten Wahlgang gegangen. Ich weiss aber, dass es auf jede Stimme ankommt, deshalb bleibe ich in den verbliebenen drei Wochen sehr aktiv.

Sie sind der bestgewählte Nationalrat im Aargau. Damit Sie den Sprung in den Ständerat schaffen, müssen Sie aber mehr tun als die SVP-Wähler von sich überzeugen. Schaffen Sie das?

Im ersten Wahlgang habe ich schon parteiübergreifend viele Stimmen geholt und diesen Anteil gegenüber von vor vier Jahren weiter gesteigert. Das trägt zu meinem Optimismus bei.

FDP und SVP unterstützen sich gegenseitig nicht. Sie brauchen aber höchstwahrscheinlich Stimmen von Freisinnigen-Wählern.

Diese hole ich garantiert. Ich habe in den letzten Tagen einige Zustimmung von FDP-Wählern erfahren – es gibt solche, die sogar Plakate von mir aufhängen, mich also aktiv unterstützen. Das stimmt mich zuversichtlich. Wir hatten von Anfang an ausgelegt, dass jede Partei mit ihrem eigenen Kandidaten in den Wahlkampf geht. Diese Ausgangslage hat sich gegenüber dem ersten Wahlgang nicht verändert.

Glauben Sie, dass Sie mit Thierry Burkart in den Ständerat einziehen werden?

Im ersten Wahlgang konnten wir einen deutlichen Abstand auf die Verfolger schaffen. Aber wie gesagt, es kommt auf jede Stimme an.

Mit wem würden Sie am liebsten den Kanton in Bern vertreten?

Ich bin ein Mensch, der mit allen zusammenarbeiten kann. Mir geht es darum, die besten Lösungen zu finden. Das habe ich in der Vergangenheit bewiesen und mache es auch jeden Tag im Geschäft. Dort muss ich die beste Lösung für das Unternehmen finden, in der Politik für die Bevölkerung, im Ständerat insbesondere für den Kanton Aargau. Entscheiden wird das Wahlvolk. Von der politischen Ausrichtung her ist es aber klar, dass für mich ein bürgerlicher Kandidat im Vordergrund steht.

Wäre der Kanton mit zwei bürgerlichen Ständeräten richtig abgebildet?

In der Vergangenheit gab es immer wieder wechselnde Zusammensetzungen: Frau und Mann, zwei Frauen, zwei Männer, mitte-links und bürgerlich. Meine Bilanz daraus ist, dass immer die besten Lösungen für den Kanton erarbeitet worden sind. Und das steht aus meiner Sicht im Vordergrund.

Spielt es also aus Ihrer Sicht keine Rolle, dass der Aargau dann keine Frau mehr im Ständerat hätte?

Das Geschlecht ist ein Faktor, um die Vielfalt des Kantons abzubilden. Es gibt aber noch weitere, so sollten beispielsweise auch die Regionen vertreten sein. Ich bin der einzige Kandidat, der nicht aus einem städtischen Umfeld kommt. Eine Analyse hat zudem gezeigt, dass nur etwa zehn Prozent der am 20. Oktober neugewählten Parlamentarier eine Berufslehre gemacht haben, die anderen sind Akademiker. Auch das widerspiegelt die Bevölkerung des Aargaus nicht. Als gelernter Müller wäre ich ein Gegengewicht zu immer mehr Juristen.

Die Forderungen nach einer ausgeglichenen Vertretung der Geschlechter sind aber im Jahr 2019 lauter denn je.

Ich habe vollstes Verständnis für dieses Anliegen und die Forderungen wurden ja auch teilweise erfüllt, denn entgegen den Befürchtungen wurden so viele Frauen gewählt wie noch nie. Das hat die Bevölkerung so entschieden, ganz ohne Quote. Die Geschlechterfrage ist damit eher in den Hintergrund getreten.

Es sind nicht nur viel mehr Frauen gewählt worden als in früheren Jahren, sondern auch mehr Grüne. Wie stehen Sie als SVP-ler zur Forderung nach einer Grünen Vertretung im Bundesrat?

Für mich stellt sich diese Frage jetzt nicht, zumal kein amtierendes Bundesratsmitglied seinen Rücktritt angekündigt hat. Ich bin für die Konkordanz, aber ich finde es schlecht, Amtsträger abzuwählen, das bringt Unruhe in die Politik. Es hat sich zudem bewährt, dass Parteien mit grossem Zulauf einige Zeit abwarten und Stabilität beweisen müssen, bevor sie Bundesratsansprüche stellen. Das ging der SVP nach 1992 auch nicht anders.

Zweifeln Sie denn an der Nachhaltigkeit des Erfolgs der Grünen?

Der Klimawandel war das Hauptthema im Wahlkampf. Jetzt müssen die Gewählten Lösungen finden, die mehrheitsfähig sind. Ich denke nicht, dass die Politik aufgrund einer Momentaufnahme auf den Erfolg reagieren und die Konkordanz verändern soll.

Sie selber leben umweltbewusst, Sie fliegen wenig, leben in einem Minergiehaus und bereiten ihr Warmwasser mittels Solarenergie auf. Reicht es denn, an die Eigenverantwortung zu appellieren, oder muss nicht auch die Politik agieren?

Ich teile die Sorge um das Klima und wir müssen den CO2-Ausstoss nach Möglichkeit auf null reduzieren. Die Massnahmen müssen für die Bevölkerung aber tragbar sein. Das CO2-Gesetz, wie es jetzt debattiert wird, kommt wahrscheinlich an die Urne und ich denke nicht, dass das Volk zustimmen wird. Denn so, wie es jetzt aufgegleist ist, ist das Gesetz asozial. Für die Landbevölkerung, die auf das Auto angewiesen ist, könnte die Umsetzung schmerzhaft werden, ebenso für jene, die sich Haussanierungen nicht leisten können, denn trotz Subventionen tragen nach wie vor die Besitzer die Hauptlast. Das hätte zur Folge, dass vor allem die Reicheren von Subventionen profitieren und die, die es sich nicht leisten können, die Zeche bezahlen.

Was wäre dann die Lösung gegen den Klimawandel?

Wir müssen ganz klar auf die Forschung und die Innovation setzen. Denn die Menschen wollen nicht mehr leben wie vor 50 Jahren, sie wollen Komfort, der aber nicht zulasten der Umwelt geht. Deshalb müssen neue Technologien entwickelt werden. Zudem muss das Problem natürlich in den Ländern mit dem höchsten CO2-Ausstoss angegangen werden. Etwa in Asien, wo nicht die gleiche Sensibilität der Umwelt gegenüber vorhanden ist, wie bei uns.

Ist es nicht trotzdem ein Problem des Westens? Immerhin produzieren europäische Unternehmen in Asien, haben das Problem also exportiert ….

… Und wenn wir die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft durch eine massive Erhöhung der CO2-Abgabe weiter verschlechtern, vertreiben wir noch mehr Unternehmen ins Ausland. Dann haben wir fürs Klima nichts gewonnen und der Schweiz geschadet.

Im Nationalrat arbeiten Sie in der Kommissionen für Umwelt, Raumplanung und Energie, wäre das auch Ihre Wunschkommission im Ständerat?

Das ist eine hoch spannende Kommission, vor allem im Energiebereich. Aber ich interessiere mich auch für die Wirtschaftskommission und für den Verkehr. In diesen Kommissionen könnte ich natürlich auch am besten Einfluss auf die Anliegen des Aargaus nehmen.

Was sind denn die Probleme, für die es im Aargau Lösungen braucht?

Es gibt vor allem drei Hauptanliegen, welche ich fokussiert für den Aargau im Ständerat angehen will. Das sind gute Verkehrsanbindungen, die Förderung der Innovation und der Forschung und eine sichere Stromversorgung. Mit der Energiestrategie 2050 kommen diesbezüglich Probleme auf den Aargau zu. Mit meinen Erfahrungen in der Politik und der Wirtschaft bringe ich beste Voraussetzungen mit, diese Herausforderungen anzupacken.

Sie sind ein Wirtschaftsvertreter, das sagen Sie selber. Dass Sie die Begrenzungsinitiative befürworten, wird deswegen kritisiert. Was sagen Sie Ihren Kritikern?

Viele Wirtschaftskapitäne haben eine kritische Haltung zur Personenfreizügigkeit und zum Rahmenabkommen. Ich möchte den bilateralen Weg unbedingt beibehalten, er funktioniert mit 99 Prozent der Verträge. Nur bei der Personenfreizügigkeit haben wir ein grösseres Problem. Und hier hat die Stimmbevölkerung der Masseneinwanderungsinitiative zugestimmt, welche jedoch nicht umgesetzt wurde. Dieses Votum der Bevölkerung gilt es ernst zu nehmen. Daher müssen wir das Heft bei der Zuwanderung wieder selber in die Hand nehmen.

Geht es also einfach darum, die Einwanderung im Sinne der SVP zu regulieren?

Ich sehe den Widerspruch zur Wirtschaftsvertretung nicht, im Gegenteil: Jetzt haben wir eine starke Zuwanderung im Niedriglohnbereich, wo wir genug Arbeitskraft haben. Also verdrängt die Einwanderung einheimische Arbeitskräfte, insbesondere die Arbeitnehmenden über 55 Jahre. Wir brauchen aber hochqualifizierte Personen aus dem Ausland. Diese Diskussion zwischen der Schweiz und der EU muss auf Augenhöhe unter gleichberechtigten Partnern stattfinden. Das tut sie heute nicht, da die EU vor allem diktiert. Die Begrenzungsinitiative verlangt, dass diese Diskussion geführt wird. Nur, falls es kein Ergebnis gibt, wäre der Vertrag gefährdet. Ich bin aber überzeugt, dass wir mit der EU eine Lösung finden werden, sie ist auch auf uns angewiesen.

Aber klar weniger als umgekehrt. Und insbesondere der Aargau als Grenzkanton ist doch an einer guten Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU interessiert, oder nicht?

Natürlich kommt es hier zu einem Machtpoker und es sagt niemand, dass es einfach wird. Aber inzwischen ist die Zuwanderung um ein Vielfaches höher, als beim Abschluss der Verträge gesagt worden ist. Wir können nicht immer mehr Menschen aufnehmen, schon gar nicht Arbeitnehmende, welche die einheimischen Arbeitskräfte konkurrenzieren.

Dass Sie diese Meinung so stark vertreten, erstaunt. Innerhalb der SVP gelten Sie nicht als Lautsprecher. Wie passen Sie in diese Partei, in der doch eher die «Polteris» beheimatet sind?

Die SVP setzt sich aus meiner Sicht am stärksten für die Volksrechte und die direkte Demokratie ein, das ist mir wichtig. Hinzu kommt mein persönlicher Bezug, ich bin Gewerbler und stehe als Müller der Landwirtschaft nahe. Für diese Gruppierungen setzt sich die SVP ein. Nicht zuletzt waren mein Vater und mein Grossvater bereits in der SVP respektive der Vorgängerpartei. Ihre Politik hat mich geprägt. Zudem bin ich nicht der Mann für dicke Schlagzeilen, sondern jemand, der in erster Linie gute Lösungen für den Kanton Aargau erarbeitet. Interessant ist auch ein kürzlich in den Medien publiziertes Ranking über Firmenchefs. Dieses zeigt auf, dass die besten CEOs der Schweiz nicht diejenigen sind, die dauernd in den Medien präsent sind, sondern die stillen Schaffer.

Noch einmal zum Schluss: Werden Sie Ständerat? Was sagt Ihr Gefühl?

Ich bin in einer guten Ausgangslage. Den Penalty habe ich im ersten Wahlgang herausgeholt, jetzt muss ich den Ball versenken.