Tag der Kapitulation

Der Sommer ist fast vorbei, und rechtzeitig zum Schluss der Outdoor-Partysaison fiel gestern der Startschuss zum sechsten nationalen Clean-Up-Day. Eigentlich müsste es Clean-Up-Days heissen, denn offensichtlich reicht ein Tag nicht mehr, um all den Müll wegzuräumen, der auf Grillplätzen, an Flussufern und in Strassengräben rumliegt. «Schweizweit engagieren sich Tausende von Helferinnen und Helfern», freut sich die «IG saubere Umwelt» (IGSU), die Organisatorin des Clean-Up-Days, auf ihrer Webseite.

Vielleicht bin ich etwas gar konservativ gestrickt, aber mir ist es etwas peinlich, dass es die IGSU hierzulande überhaupt gibt. Wie wäre ich stolz, meinen Freunden aus Indien, Deutschland oder Italien sagen zu können: «Clean-Up-Day? In der Schweiz gibt es nichts aufzuräumen!»

Damit Sie mich recht verstehen: Natürlich bin all den Freiwilligen, die gestern und heute unterwegs sind, dankbar. Ich verneige mich vor ihnen. Gleichzeitig muss ich sagen: Clean-Up-Days sind der beste Beweis dafür, dass Littering zur gesellschaftlich akzeptierten Normalität geworden ist. Ein bisschen sensibilisieren, wie es im Aktivisten-Slang heisst, ein bisschen aufräumen – das wars. Kann man halt nichts machen. Wenn es um Recht und Ordnung geht, markieren gerade bürgerliche Politikerinnen und Politiker immer wieder die Starken. Angesichts einer vermüllten Schweiz werden sie weich wie Kerzenwachs. Die drei Affen grüssen: nix hören, nix sehen, nix sagen. Gestern machte Brigitte Herde, Leiter in des Ladens Unverpackt, in dieser Zeitung eine Rechnung: 2820 Zigi-Stummel seien bei der letzten Clean-Up-Aktion im Bahnhof Aarau zusammengekommen. «Das wären, bei rigorosem Büssen, 112’000 Franken in die Stadtkasse gewesen», rechnet Herde vor.

Ich bin voll und ganz bei ihr.

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