Telefonbetrugs-Masche: Callcenter in der Türkei vermutet

Roland Jost arbeitet im Bereich Prävention der Luzerner Polizei in Sursee. Laut dem Sicherheitsberater wurden dieses Jahr auf Kantonsgebiet bereits rund 150 versuchte und ein vollendeter Betrugsfall gemeldet. In den meisten Fällen geben sich die Betrüger als Polizistinnen oder Polizisten aus und lassen sich immer neue Geschichten einfallen, um von ihren Opfern hohe Geldsummen, Kontoinformationen oder Passwörter zu erhalten. In einigen Fällen gaben sich die Betrüger auch als Mitarbeitende der Spitex aus. Jost schildert im Interview die Hintergründe und gibt nützliche Tipps, wie man sich schützen kann.

Roland Jost, weshalb nehmen Telefonanrufe mit betrügerischen Absichten zurzeit zu, hat die Polizei eine Erklärung dafür?

Für bestimmte kriminelle Kreise scheint dies ein lukratives Geschäft mit zunächst wenig Gefahr zumindest für die Drahtzieher zu sein. Entsprechend werden immer mehr solcher Callcenter eröffnet und Sprecher angeworben. Das Risiko einer Festnahme trägt meist nur der Abholer. Wo es vor Jahren nach Festnahmen einige Tage ruhig blieb, wird heute ungehindert weitertelefoniert. Den Anrufern steht der gesamte deutschsprachige Raum zur Verfügung. Weiter hat die Praxis gezeigt, dass auch die Sprache der Anrufer (meist Hochdeutsch) in der Schweiz kein Hinderungsgrund ist.

Wie viele Fälle gibt es?

Im Kanton Luzern wurden im Jahr 2021 bereits rund 150 versuchte und ein vollendeter Betrugsfall gemeldet. Total beziffert sich der gesamte Deliktsbetrag seit 2018 auf mehrere hunderttausend Franken. In der ganzen Schweiz wurden im Jahr 2021 bereits 792 gemeldete Versuche in nur zwei Monaten sowie 19 vollendete Taten registriert. Die geschätzte Dunkelziffer wird jedoch auf fünf Mal höher geschätzt. Dies, weil sich die Opfer oftmals selber Vorwürfe machen und sich für ihr Verhalten schämen.

Spezifisch zum «Spitex-Betrug»: Was ist hierbei das Ziel von Betrügerinnen und Betrügern?

Die Betrüger gehen sehr geschickt vor und missbrauchen oft seriöse und vertrauenswürdige Telefonnummern von Behörden und Firmen. Es kann auch die Notrufnummer 117 der Polizei auf dem Display erscheinen. Die (gefälschte) vertrauenswürdige Identität sorgt dafür, dass die Opfer kein Misstrauen hegen. In einigen Fällen gaben sich die Betrüger auch als Mitarbeitende von der Spitex Schweiz oder der Spitex des Kantons Luzern aus und wollten einen Berater vorbeischicken, der vor Ort informiere.

Was weiss die Polizei über das Täterprofil?

Die Callcenter werden in der Türkei vermutet. Die Anrufer dürften aufgrund ihrer Sprachkenntnisse in Deutschland (oder der Schweiz) aufgewachsen sein. Arbeitsteilig organisierte Strukturen sind wahrscheinlich. Ein Hinweis dafür ist, dass festgenommene Abholer selten Angaben über die Hinterleute machen.

Gibt es geografisch gesehen Hotspots für solche Betrugsversuche im Kanton Luzern?

Vorwiegend sind die Stadt Luzern und die Agglomerationsgemeinden betroffen. Der Grund dafür könnte darin liegen, dass dort sämtliche Banken eine Niederlassung haben. Für die Opfer ist dadurch der Weg zur Bank zeitnah machbar und in ländlicher Umgebung sind die Leute womöglich etwas kritischer. Zudem kann sich die Täterschaft bei einer allfälligen Geld- oder Schmuckabholung in der städtischen Menschenmasse anonymer bewegen. Durch die zahlreichen Hauptverkehrsachsen sowie den Bahnhof Luzern sind die Stadt Luzern und die Agglomerationsgemeinden sehr gut erschlossen.

Wie kann man sich davor schützen?

Im Grundsatz gilt: «Lassen Sie sich am Telefon nicht einschüchtern. Sobald es um Ihre Finanzen geht und je geheimer eine Sache scheint, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit einer Falle. Getrauen Sie sich, das Gespräch zu beenden und ziehen Sie bei den geringsten Zweifeln eine Vertrauensperson bei. Der grösste Fehler ist zu glauben, sowas könne einem selber nicht passieren! (Siehe auch Box mit Tipps links.)

 

So schützen Sie sich am besten vor Telefonbetrug

– Bei der Suche nach potenziellen Opfern orientieren sich Telefonbetrüger am öffentlichen Telefonbuch. Darin suchen sie gezielt nach Personen mit einem traditionellen Vornamen, da dieser einen Hinweis auf das Alter liefern könnte. Beugen Sie vor, indem Sie Ihren Vornamen im Telefonbuch auf den ersten Buchstaben reduzieren und somit anonymisieren.

 

– Seien Sie misstrauisch, wenn Sie jemand anruft und raten lässt, wer am Telefon ist. Stellen Sie Kontrollfragen, die fremde Personen nicht beantworten können (z. B. «Wann habe ich Geburtstag?», «Wie heisst meine Schwester?»).

 

– Wenn Sie jemand am Telefon unter Druck setzt, legen Sie den Hörer auf. Das ist nicht unhöflich, sondern dient Ihrem Schutz!

 

– Gehen Sie am Telefon nie auf eine Geldforderung ein. Halten Sie Rücksprache mit Personen aus Ihrem persönlichen Umfeld.Nehmen Sie Warnungen von Bankangestellten ernst und lassen Sie deren Unterstützung zu.

 

– Übergeben Sie niemals Bargeld oder Wertsachen an eine Ihnen unbekannte Person.

 

– Vorsicht vor «falschen Polizisten». Verschaffen Sie sich Sicherheit, indem Sie das Gespräch sofort beenden, den Hörer auflegen und bei der Polizei über die Notrufnummer 117 nachfragen, ob es diesen Polizisten bzw. diese Polizistin tatsächlich gibt.

 

– Gewähren Sie niemals einer fremden Person Zugriff auf Ihren Computer.

 

– Wählen Sie bei jedem Verdacht die Notrufnummer 117.

 

– Informieren Sie Ihre Angehörigen über diese Betrugsvariante.

Siehe auch www.telefonbetrug.ch