Todesursache von Haustieren eruieren: Der Chihuahua auf dem Seziertisch

Da liegt Daisy. Fell und Haut abgezogen, neben dem leblosen Körper zusammengefaltet. Der glänzend rote Kopf neigt sich nach hinten, die schwarzen Augen starren ins Leere. Vor einigen Tagen war sie noch kerngesund. Dann wurde die 14-jährige Chihuahua-Dame unter Vollnarkose operiert. Nun ist sie tot. Die Besitzer wollen wissen: Was ist geschehen?

Das versucht eine Pathologin gemeinsam mit Studentinnen der Vetsuisse-Fakultät am Tierspital in Zürich ausfindig zu machen. Geschickt führt sie das Skalpell durch Muskeln und Sehnen und löst sorgfältig die Organe aus dem kleinen Körper. Blutspuren tröpfeln über ihre weisse Schürze. Vor dem Betreten des Sezierzimmers roch es im Pathologiegebäude steril nach Krankenhaus. Nun liegt ein anderer Geruch schwer in der Luft. Es riecht wie in einem unsauberen Stall, einfach stärker. Auch die süsslich riechende Verwesung strömt durch den Raum. Aus den aufgeschnittenen Tierkadavern drängen die Gerüche der Innereien nach aussen. Es wird schwer, durch die Nase zu atmen.

Wer ist schuld?
Links von Daisy liegt ein Alpaka, der lange Hals hängt über den Tischrand schwer zu Boden. Auf dem Tisch rechts nebenan eine 915 Kilogramm schwere Kuh. Zwei ihrer Beine sind an einem Kran befestigt. Eine Mitarbeiterin muss viel Kraft anwenden, um mit der rund 20 Zentimeter langen Klinge ihres Messers durch das Gewebe des Tiers zu schneiden. Mit beiden Händen greift eine zweite in einen aufgeschnittenen Magen, um dessen Inhalt zu entnehmen – hauptsächlich Gras.

Es gibt verschiedene Gründe, weshalb ein Tier auf dem Seziertisch der Veterinärpathologie landet. Bei den Nutztieren ist es meist, um eine ansteckende Krankheit auszuschliessen und die übrigen Tiere des Hofs zu schützen. Es kommen jedoch auch Haus- und Kleintiere wie Vögel oder Kaninchen in der Veterinärpathologie an. Auch deren Besitzer wollen wissen, warum die Tiere verstorben sind. War es ein natürlicher Tod, oder hat beispielsweise der Nachbar den Hund vergiftet?

Besitzer tragen die Kosten
«Das gibt es sehr selten», sagt Monika Hilbe, die diensthabende Seniorpathologin. Meist sterben die Tiere altershalber oder haben eine Krankheit, von welcher die Besitzer nichts gewusst haben. Aber die Besitzer wollen die letzte Sicherheit. Das bestätigt auch Veterinärpathologe Andreas Pospischil: Während seiner langen Karriere hat er beobachtet, dass die Sektion von Haustieren stark zugenommen hat. Er hat von 1987 bis 2013 das Institut für Veterinärpathologie geleitet und im April ein Buch über die Geschichte der Veterinärpathologie in Zürich veröffentlicht.

In den letzten Jahren ist die Zahl der Untersuchungen von Haustieren auf hohem Niveau stagniert. «Die emotionale Bedeutung von Haustieren hat in unserer Gesellschaft zugenommen», erklärt Pospischil. «Stimmt ein Besitzer einer Sektion zu, spielen finanzielle Belange meist keine Rolle.»

Anders bei den Landwirten: Wie Hilbe erklärt, ist es für diese oft schwierig, das Geld für die Untersuchung auszugeben. Dennoch ist es wichtig, um die anderen Tiere vor allfälligen ansteckenden Krankheiten zu schützen und allenfalls korrekt zu behandeln. Die beiden Mitarbeiterinnen haben die Kuh mittlerweile genauer untersucht. Die Diagnose: Abszesse im Darmbereich. «Wegschauen», rät Hilbe den Zuschauern, bevor das Messer einen der Abszesse aufsticht.

Kleiner Hund, grosses Herz
Auf dem Nebentisch wird das Innere der Chihuahua-Dame immer leerer. «Für den kleinen Körper haben Chihuahuas ein verhältnismässig grosses Herz», sagt die eine Studentin und zeigt auf das winzige Organ, das sie gerade aus dem Körper des Hundes geschnitten hat. Für die Studenten ist das Sezieren von Tieren neben der Theorielehre einer der wichtigsten Teile der Ausbildung im Fach Pathologie, wie Institutsleiterin Anja Kipar erläutert.

Jetzt wird die Kuh von einem Kran auf einen Stapel bereits untersuchter Tierkadaver gelegt. Eine Mitarbeiterin spritzt mit dem Schlauch Blutspuren und andere Flüssigkeiten vom Boden, während Hilbe den Studentinnen die Befunde der toten Daisy erklärt. Woran die Hündin gestorben ist, ist noch nicht eindeutig zu erkennen. Aber sie weist Herzklappenveränderungen auf. Erst mikroskopische Untersuchungen von histologischen Schnitten der Organe werden exakte Antworten liefern. Und somit den Besitzern bestenfalls etwas Ruhe verschaffen.