Töffli-Auferstehung lässt Kassen klingeln: «Die Leute spinnen total»

Jahrelang fristeten sie ein tristes Dasein in Kellern, in Scheunen, in der hintersten Ecke der Garage. In aller Stille träumten sie von der Zeit, als sie bei der Dorfjugend der coolste fahrbare Untersatz überhaupt waren, damals, in den 1970er- und 1980-Jahren: Töffli von Ciao, Puch und Pony. Träumten von der glorreichen Zeit, als sie mit Höllenlärm durchs Quartier fahren durften, etliche Runden vor dem Schulhaus drehten, die Pneus rauchten und der Zweitaktmotor glücklich aufheulte. Bis zum Geht-nicht-mehr frisiert.

In den 1990ern dann der Untergang. Als die Gesellschaft ihr ökologisches Gewissen entdeckte, war es vorbei mit den Schnäppern, den Hödi oder den Pfupfs, wie die Kleinmotorräder mit Pedalen von den Töfflibuebe und -meitli genannt wurden. Zu laut, zu dreckig, nicht cool – die Jugend stieg auf den Bus oder aufs Velo um. «Clean» musste es sein. Die Mofas, sie galten als tot, der Rost frass sich fortan in ihre Seelen. Nur noch zwielichtige Herrschaften, die sich entweder kein Auto leisten konnten oder gar nicht mehr Auto fahren durften, donnerten weiter durch das Dorf und verstanken alles. Pfui Teufel!

Auf der Retro-Welle mitreiten
Die Wiederauferstehung begann vor zehn Jahren, weiss Gott, warum. Aber Gott muss ein Faible für Zweitaktmotoren haben. Möglich auch, dass die Töffli auf der hippen Retro-Welle mitreiten. Jedenfalls tauchten im Netz plötzlich Adressen auf wie «toefflibuebe.com» oder «puch-teile.ch», und in den Dörfern ratterte und knatterte es und roch wieder nach Benzin: Die Töfflibuebe von einst holten einer nach dem anderen ihre alten Geräte aus dem Keller und möbelten sie auf. Zur selben Zeit startete Red Bull mit dem Alpenbrevet, einer Töffli-Rallye. Nahmen zu Beginn vielleicht hundert Mofas teil, sind es heute an die 1000 Verrückte, die mit vibrierendem Sattel über die Pässe der Innerschweiz dröhnen.

Willy Wermelinger bietet seit vier Jahren mit seiner Zuger Eventagentur event & more Töfflitouren in der ganzen Schweiz an. Den Entscheid, die Touren ins Angebot aufzunehmen, hat er bis heute nicht bereut: «Das Töffli ist ein Stück Schweizer Kulturgut, da gehen die Emotionen hoch. Ich bin mit dem Umsatz mehr als zufrieden.» Den Fuhrpark musste er schnell vergrössern, von 10 auf heute 55 Töffli. Zweigangautomaten sind es, von Pony aus Feuerthalen und Tomos aus Holland, die auf Kundschaft warten. Was sie niemals lange müssen: «Die Begeisterung der Leute hat uns richtig überfahren, sie finden das absolut cool», sagt Wermelinger. Und es seien nicht nur Nostalgiker, die das Freiheitsgefühl von damals kosten wollten. «Das sind Familien, Verwaltungsräte von Grosskonzernen, Lehrlinge und ihre Chefs, 25-jährige Mütter oder Polterabendgruppen.» Sie alle hätten eines gemeinsam: «Kaum sitzen sie im Sattel, strahlen sie wie Kinder», sagt er. Langsam sei der neue Lifestyle. «Wenn man mit 35 Stundenkilometern durch die Lande tuckert, ist das die perfekte Entschleunigung zum hektischen Alltag.»

Unter anderem deshalb hat sich der Basler Kulturveranstalter Tino Krattiger vor zehn Jahren ein Velosolex, das Mofa aus der Nachkriegszeit, angeschafft – entdeckt in einem Hauseingang. «Ich bin draufgesessen und war sofort angefixt.» Ein blitzschneller Porsche bringe ihm da gar nichts. «Auf dem Solex kannst du den Leuten zuwinken, herumschauen, so wie früher.» Zudem sei es das beste Beförderungsmittel in einer Stadt, wo die Durchfahrt mit dem Auto nur zu wenigen Zeiten erlaubt seien. «Bei einem dichten Terminkalender ist der Zweitakter ein Segen.» Nur die Ersatzteile zu besorgen, sei zuweilen nervenaufreibend, sagt Krattiger.

«Die Leute spinnen total»
Das ist bei den Puchs, den Ponys und den Ciaos nicht anders. Deshalb schiessen jetzt in Dörfern, Städten und Internet Shops, die Ersatzteile anbieten, wie Pilze aus dem Boden. Zu den erfolgreichsten gehört Roger Schwegler, der vor sechs Jahren im aargauischen Tegerfelden eine alte Werkstatt aufkaufte, die Töffli aus ihrem Dornröschenschlaf holte, restaurierte und seither für gutes Geld verkauft: «Früher bezahlte man für ein Puch Maxi 500 Franken. Heute ist ein liebevoll restauriertes Modell schnell 2500 Franken wert», sagt Schwegler. Weniger nachgefragt würden neue, klimafreundlichere Modelle von Pony oder Tomos. «Es muss tönen, ein bisschen stinken.»

Selbstverständlich gehört eine grosse Auswahl an Ersatzteilen zum Sortiment, die Schwegler aus China und Holland importiert oder aus Altbeständen nutzt. Von Motorblocks über Zündmodule bis zum Vergaser ist alles dabei. «Die Leute spinnen total, wir kommen vor lauter Nachfrage kaum nach», sagt Schwegler. Mittlerweile bietet er alles auch online unter 2rad4you.ch an. Zu seinen Abnehmern, sagt er, gehörten zunehmend Junge. Und er weiss auch, wieso: «Das Töffli ist ein Aufstand der Jugendlichen gegen das ihrer Ansicht nach uncoole Elektrovelo der Eltern.» Von wegen ökologisches Gewissen.