Traditionelle Taufe für Polygrafen-Lehrtochter – mit Galerie und Video

Freitag, 11 Uhr: Für Sina Wullschleger, Polygrafen-Lehrtochter der ZT Medien AG, verläuft der Tag bisher wie üblich. Dennoch ist sie angespannter als sonst: das «Gautschen» steht an. Wann es genau passiert, weiss sie nicht. Nach einem erfolgreichen Lehrabschluss werden die Lehrabgänger der Druckindustrie mit einem Wasserbad, in der Druckerbranche «Gautschen» genannt, in Form einer Art Taufzeremonie in den Kreis der Jünger Gutenbergs, dem Erfinder des Buchdrucks, aufgenommen. Zudem sollen damit die Sünden der letzten vier Lehrjahre abgewaschen werden. Die ZT Medien AG wählte dieses Jahr den Brunnen beim Lindenplatz aus.

Doch der Reihe nach: ZT-Gautschmeister Thomas Böttger organisierte im Vorfeld ohne Wissen der Lehrtochter die «Gautschete». Zu seinen Aufgaben gehören unter anderem den Termin und Brunnen bestimmen, Eltern und Bekannte sowie die Stadt Zofingen informieren, Tische im Restaurant für das Mittagessen reservieren und die «Packer» anfragen. «Packer» sind Arbeitskollegen, welche bereits in den Kreis der Jünger Gutenbergs aufgenommen wurden. Sie fangen die Lehrabgängerin ein und sperren sie für die Fahrt in die Altstadt in einen verschliessbaren Postwagen ein. Bei Lehrlingen, welche sich fest zur Wehr setzen, wird gerne mit Kabelbinder, Klebeband oder Seilen nachgeholfen. «Laut den Packern hat Sina gezappelt wie ein Fisch ohne Wasser. Deshalb wurde sie mit Seilen gefesselt. Davon konnte sie sich jedoch schnell befreien. Da muss das nächste Mal ein Pfadfinder ran», sagt Gautschmeister Thomas Böttger. Gelang es früher einem Lehrling beim Packen zu flüchten, musste er das Gautschessen, bei welchem er seine Arbeitskollegen nach der Lehrzeit zu einem Abschlussfest einlädt, nicht selber bezahlen. «Das ist heute natürlich nicht mehr so», sagt Thomas Böttger.

Der Weg zum Brunnen

Im Postwagen gefangen, geht es nun für Sina Wullschleger durch die Stadt zum Brunnen beim Lindenplatz. Auf dem Weg dahin wird sie von ihren Arbeitskollegen mit einem Eimer kaltem Wasser und einem nassen Schwamm bereits auf das kommende Bad im Brunnen vorbereitet. «Freut euch noch nicht zu früh, ihr werdet auch bald nass sein», droht Sina Wullschleger ihren Kollegen. Beim Lindenplatz angekommen, wartet bereits die Familie und Freunde. Nun folgt das Wichtigste der Zeremonie: Gautschmeister Thomas Böttger fordert die «Packer» auf, Sina Wullschleger aus dem Postwagen zu befreien und sie auf der Brunnenkante für das Brunnenbad bereit zu legen. Währenddessen folgt der Gautschspruch von Thomas Böttger: «Packt an! Lasst fallen ihren Corpus posteriorum auf diesen nassen Schwamm, bis triefen beide Ballen. Der durstigen Seel gebt ein Sturzbad obendrauf, das ist der Töchter Gutenbergs die allerbeste Tauf.» Kaum ist der Spruch beendet, liegt Sina Wullschleger auch bereits im kalten Wasser. Aus dem Brunnen wieder raus, darf sie die nassen Kleider mit den von den Eltern mitgebrachten Trockenen tauschen.

Was folgt, ist der gemütliche Teil des «Gautschen». Die Arbeitskollegen, Familie und Freunde stossen beim Brunnen gemeinsam mit Sina Wullschleger auf die bestandene Lehrprüfung an. Nach dem Apéro verschieben sich die Anwesenden in das nahegelegene Restaurant Dolce Vita zum gemeinsamen Mittagessen. Für Sina Wullschleger bedeutet das nun, Einladungen bereit machen und die Gautschfeier organisieren. «Ich freue mich auf das Fest. Zum Schluss kommt das Beste: Der Rückblick auf die letzten vier Jahre – Sündhaftes sowie Amüsantes», sagt Sina Wullschleger.

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