Traditionen, die Debatten brauchen

Das «Gfächt» am Kinderfest in Zofingen hat eine lange Tradition. Genauso wie der Streit darüber, wie zeitgemäss der theatralische Aufmarsch von Kadetten und Freischaren auf dem Heitern noch ist. Der Unfall vom vorletzten Freitag hat die Debatte wieder aufflammen lassen. Und wie! Natürlich erreichten uns sofort Leserbriefe. Von unzeitgemässem Kriegsspiel war die Rede, aber auch von Polemik gegen eine schöne Tradition. Bei einer Online-Umfrage dieser Zeitung gab es über 800 Rückmeldungen, eine Rekordzahl; die Befürworter des «Gfächts» schwangen nur knapp obenaus — die Stadt scheint in der Frage, wie es damit weitergehen soll, so gespalten wie schon vor ein paar Jahren.

Klar ist: Es hätte weit schlimmer kommen können; der Vorfall mit einer ungewollt feuerenden Kanone ist glimpflich abgelaufen. Die Kinderfestkommission und Stadtrat haben richtig reagiert. Die Statements waren zurückhaltend, man will den Bericht der Untersuchungsbehörden abwarten, den Vorfall detailliert analysieren und dann allenfalls Massnahmen vorschlagen.

Manche möchten mit dem Hinweis auf die Verankerung des «Gfächts» in der Gemeindeordnung die Diskussion von Anfang an abstellen. Andere wollen den aus ihrer Sicht alten Zopf gleich sofort abschneiden. Beides halte ich für keine gute Idee.

Traditionen hält man nicht lebendig, indem man sie dem Diskurs entzieht, ihnen blindlings folgt. Genau das macht sie hohl. Sofort vor dem politisch korrekten Zeitgeist den Bückling machen und alles entsorgen, was vielleicht aus der Zeit gefallen sein mag, ist ebenso falsch. Als notorischer Optimist kann man bei allem Bedauern über einen verletzten Freischärler dem Vorfall auch etwas Positives abgewinnen: Es braucht vielleicht die Debatte, um das «Gfächt» für die nächsten Jahrzehnte – in welcher Form auch immer – in der Bevölkerung zu verankern. Einem Leserwunsch, der uns heute erreichte, werden wir also nicht nachkommen: Dass die «unnötige» Diskussion aufhören soll.