
Trotz hoher Antikörperzahl kein Zertifikat: Die ausgeschlossenen Genesenen
Unter dem Titel «Ein Pilzkontrolleur wirft den Bettel hin» schrieb das Zofinger Tagblatt am 21. September über den Kölliker Daniel Leutwyler. Er war Ende Januar an Covid erkrankt, erhielt aber nie ein Zertifikat, weil er damals zum Krankheits-Nachweis einen Antigen-Schnelltest und keinen PCR-Test gemacht hatte. Dadurch sei er von vielen gesellschaftlichen Anlässen ausgenommen, was ihm die Motivation genommen habe, weiterhin quasi ehrenamtlich als Pilzkontrolleur tätig zu sein. Er kündigte das Mandat per sofort.
Auch wenn Daniel Leutwyler ein Genesen-Zertifikat ausgestellt bekommen hätte: Inzwischen wäre dieses abgelaufen. Die Gültigkeit beträgt lediglich sechs Monate. Diese geringe Dauer bemängelt nun seine Frau Sandra Leutwyler (beide sind sie Anfang 50). Sie erkrankte kurz nach ihrem Mann, der sich mit dem Virus wahrscheinlich an der Schule angesteckt hatte, wo er als Lehrer arbeitet. «Ich hatte damals einen PCR-Test gemacht und bekam im Juni ein Zertifikat. Im August ist dieses aber ausgelaufen», sagt sie. «Meine Antikörperzahl ist aber immer noch sehr hoch, wie kürzlich getestet wurde. Weshalb ist dieses Zertifikat nicht länger gültig?»
Impfen ist für sie momentan kein Thema
Genesene können sich in der Schweiz eine Impfdosis spritzen lassen, um ein Geimpft-Zertifikat zu erhalten, das ein Jahr lang gültig ist. Impfen kommt für die Leutwylers momentan aber nicht infrage. Zu wenig erforscht seien die Impfstoffe und die mRNA-Impfungen noch zu kurz in der Praxis erprobt, finden beide. Auch die in ab kommender Woche erhältliche Vektorimpfung «Janssen» von Johnson und Johnson würden beide sich noch nicht spritzen lassen. «Auch hierfür gibt es noch keine mittel- und langfristigen Studien», sagt Daniel Leutwyler. Beide vertrauen auf die natürliche Immunität durch ihre Antikörper. Ein Covid-Test bleibt für die beiden somit die einzige Möglichkeit, um ins Restaurant oder an eine Veranstaltung zu gehen.
«Wir sind keine Impfskeptiker», sagt Daniel Leutwyler. Das Ehepaar und die zwei erwachsenen Kinder haben alle Standardimpfungen. In der Familie sei alles vertreten: Geimpfte, Ungeimpfte und Genesene. «Und dennoch respektieren wir die verschiedenen Meinungen», sagt Sandra Leutwyler. Innerhalb der Gesellschaft spüre sie hingegen einen erhöhten Grad an Aggressivität gegenüber Nichtgeimpften seit der Einführung der Zertifikatspflicht. «Es ist schade für unser Land, wenn man deswegen nicht mehr respektvoll miteinander umgehen kann», sagt sie. Gehässige Reaktionen auf den Rücktritt von Daniel Leutwyler als Pilzkontrolleur nach 18 Jahren haben die beiden bisher nicht erfahren. «Diejenigen Personen, die uns nach dem Entscheid kontaktiert haben, haben sich bei uns bedankt, ein Zeichen gesetzt zu haben», sagt er.
Möglicherweise wird das Zertifikat verlängert
Den Antikörpertest hat Sandra Leutwyler im Rahmen einer Jahreskontrolle bei ihrer Frauenärztin gemacht. Er zeigt, dass sie noch über einen sehr hohen Anteil an Covid-Antikörpern verfügt. Auf dem Zertifikat, das nicht als Covid-Zertifikat im Sinne des Bundesamts für Gesundheit (BAG) anerkannt ist, ist aber ausserdem vermerkt: «Zum jetzigen Zeitpunkt ist wissenschaftlich nicht bestätigt, ob und wie lange eine protektive Immunität besteht.» Immerhin: Die Chance, dass Sandra Leutwylers Zertifikat verlängert wird, ist real. Wie Patrick Mathys, Chef-Epidemiologe des BAG vor zwei Wochen gegenüber Fernsehen SRF sagte, werde eine Verlängerung des Schutzes geprüft. Denn: Als das BAG im Juni die sechsmonatige Dauer festgelegt habe, hätte die Datenlage noch darauf hingedeutet, dass der Schutz bei Genesenen kürzer als bei Geimpften sein könnte. Wie die deutsche Gesellschaft für Virologie gestern bekannt gab, könnte man Genesene bei Regelungen zur Pandemie-Bekämpfung den vollständig Geimpften zunächst für mindestens ein Jahr gleichstellen. Die Chance, dass zumindest einzelne Mitglieder der Familie Leutwyler ein Zertifikat erhalten, ist also da.