
Trotz Misstrauen und Propaganda-Verdacht: EU prüft Zulassung von Russen-Impfstoff
Skepsis herrschte, als Russland bereits im vergangenen Sommer und damit Monate vor allen anderen erste Bürger und Bürgerinnen mit seinem Coronaimpfstoff Sputink V versorgte. War das alles bloss eine typische Propaganda-Aktion aus dem Kreml? Belastbare Studien über das in Rekordzeit entwickelte Vakzin gab es keine. Selbst heute noch ist die Datenlage im Vergleich zu westlichen Impfstoffen dürftig, auch wenn eine Untersuchung Anfang Februar eine Wirksamkeit von Sputnik V von über 90 Prozent zeigte.
Vor dem Hintergrund, dass nun immer mehr europäische Länder die Verwendung von Sputnik ansteuern, beginnt die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) mit Sitz in Amsterdam aber die Prüfung. Es handle sich um ein «rollendes review», teilt die EMA mit. In diesem Verfahren werden klinische Studien und Tests fortlaufend analysiert. Die Dauer bis zur Zulassung – wenn denn erfolgreich – lag in der Vergangenheit zwischen mehreren Wochen und Monaten.
Orban wollte nicht warten
Neben den westlichen Impfstoffen von Pfizer/Biontech, Moderna und Astrazeneca kommt Sputnik V heute in Europa bereits in Ungarn zum Einsatz. Ministerpräsident Viktor Orban wollte nicht auf die EMA warten und gab den Impfstoff mittels nationaler Notfallzulassung frei. Zwei Millionen Sputnik-Impfdosen hat Ungarn in Moskau bestellt. Die Slowakei oder Tschechien wollen nun den Impfstoff ebenfalls kaufen oder haben das bereits getan. Selbst Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz telefonierte kürzlich mit Russlands Präsident Wladimir Putin, um eine mögliche Produktion und den Einsatz von Sputnik zu besprechen. Und auch der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn sagte, es spreche nichts gegen den Einsatz von aussereuropäischen Impfmittel, sofern diese von der EMA zugelassen werden. Neben dem Russen-Impfstoff könnte dies auch für das chinesische Produkt Sinopharm gelten, welches ebenfalls in Ungarn bereits eingesetzt wird.
Grüner Impfpass: Auch mit Sputnik hindernisfrei Reisen?
Mit einer Zulassung von Sputnik durch die EMA würde sich auch das Problem entschärfen, das sich mit einem «Grünen Impfpass» stellt, wie er in Europa im Sommer kommen soll: Um hindernisfrei in Europa reisen zu können, dürfte die Anerkennung des Impfstoffes durch die EMA die Bedingung sein. Bürger und Bürgerinnen, die mit einem nicht anerkannten Impfstoff immunisiert wurden, hätten dann wohl das Nachsehen. Vorausgesetzt, Sputink V schafft die Zulassung in Europa, dürfte sich dieses Problem erledigt haben.