Trump und wir

Manche Tage im Leben vergisst man nie. Der Dreikönigstag 2021 wird für mich immer so ein Tag bleiben. Ich kümmere mich um die Front der Donnerstagszeitung und verfolge mit einem Ohr auf CNN die Senatswahlen in Georgia. Unvermittelt sind sie da, die verstörenden Bilder aus dem US-Kapitol. Ein Mob vertreibt das US-Parlament aus seinem Sitz. Bringt die zeremonielle Bestätigung der Präsidentenwahl zum Erliegen. Ich ertappe mich dabei, wie ich minutenlang mit geöffnetem Mund in den Bildschirm starre. Angezettelt hat das Ganze der amtierende Präsident selbst. Man erinnert sich: Am 11. September 2001 sollte eine Maschine in ein Regierungsgebäude in Washington – möglicherweise das Kapitol – stürzen, was die Insassen verhinderten. 44 Menschen starben. 19 Jahre später wird der symbol- und geschichtsträchtige Ort tatsächlich Schauplatz eines Terrorakts – Täter sind US-Bürger. Und der Kopf der Bande ist der Präsident. Man glaubt nicht, was man sieht. Das Bild, das den Trumpismus am besten illustriert, ist jenes der schiefen Ebene. Amerika hat sich darauf eingelassen und sieht jetzt, wo es gelandet ist. «Mr. Hass» nennt die «Bild»-Zeitung den US-Präsidenten. Sie hat recht. Nun, Amerika ist weit weg, mag man denken. Aber die Methoden des Trumpismus vergiften spürbar auch unser System. In kleinen Dosen, aber immerhin. Kennen wir nicht auch PolitikerInnen, die gekonnt auf der Hass-Klaviatur der sozialen Medien spielen? Die Verlierer versprechen, sie auf die Gewinnerstrasse zu führen – denen es aber immer nur um sich selbst geht? Der Trumpismus wird am 20. Januar nicht überwunden sein – auch bei uns nicht.