
Türke, der seinen Nebenbuhler niedergestochen hat, beteuert: «Wollte ihn nur verletzen»
Es sollte ein langer Verhandlungstag werden, welcher den 32-jährigen Angeklagten vor dem Gesamtgericht unter der Leitung von Katrin Jacober erwartete. Insgesamt zehn Stunden tagte das Gericht. Die Taten, die dem Türken zur Last gelegt wurden, waren denn auch massiv. Von versuchtem Mord sprach der leitende Staatsanwalt Simon Burger. Von versuchter schwerer Körperverletzung ging sein Verteidiger, der bekannte Zürcher Anwalt Valentin Landmann, aus. Während die rechtliche Würdigung des Falles Interpretationsspielraum bot, war zu keinem Zeitpunkt bestritten, dass der Türke im September 2016 vor dem a1-Center seinen Nebenbuhler niedergestochen hatte. Die Tat abzustreiten wäre angesichts der Beweislast hoffnungslos gewesen. Die Attacke wurde von mehreren Überwachungskameras festgehalten.
Opfer verbal bedroht
Der Beschuldigte hatte herausgefunden, dass seine Ehefrau mit einem anderen Mann Whatsapp-Nachrichten ausgetauscht hatte. Die beiden Männer hatten längere Zeit zusammen in einem Verein in der Region Zofingen Fussball gespielt und pflegten deshalb ein kollegiales Verhältnis.
«Ich war von meiner Frau, aber auch von ihm sehr enttäuscht», erinnerte sich der Beschuldigte vor Gericht. Er gab zu, dem Nebenbuhler vom Handy seiner Ehefrau aus – sie war beim Prozess ebenfalls anwesend – eine SMS geschickt zu haben, um ihn zu einem Treffen aufzufordern. Da sein Kontrahent nicht reagierte, rief er ihn noch an.
Das Opfer gab vor Gericht an, während dieses Telefonats habe ihn der Beschuldigte beschimpft und bedroht. «Er sagte, es kämen Verwandte aus Deutschland, um mich umzubringen», erzählte der 32-Jährige. Ein Freund des Beschuldigten schlug vor, sich zu dritt zu einer Aussprache zu treffen. Weil ein zweites Telefonat zwischen dem Täter und dem Opfer ruhiger verlief, stimmte der Nebenbuhler dem Treffen zu. «Ich rechnete damit, dass er mir ein paar Fäuste verpassen wird», gab das Opfer an. «Das wäre sein gutes Recht gewesen.» Die Männer einigten sich, im a1-Center gemeinsam einen Kaffee zu trinken.
Tatmesser war 12cm lang
«Ich hatte nicht das Gefühl, das es eskalieren könnte», erinnerte sich der Freund des Beschuldigten. Er habe nicht gewusst, dass der Ehemann in seiner Socke ein Messer mitführte. Die Männer trafen auf dem Parkplatz des Einkaufscenters aufeinander. Der Beschuldigte setzte sich auf einen Stein, das Opfer kauerte vor ihm. So unterhielten sich die beiden Männer eine Weile. «Das Gespräch verlief ruhig», bestätigten alle Beteiligten. Nach etwa fünf Minuten, das Gespräch schien beendet, kickte der Angeklagte seinen Kontrahenten völlig unerwartet mit dem Fuss ins Gesicht. «Er bezeichnete mich als ehrenlos. Deshalb habe ich ihn getreten», so der Angeklagte. Im Weiteren verpasste er seinem Gegenüber einen Schwedenkuss und mehrere Faustschläge. Es gelang dem Begleiter schliesslich, seinen Freund zurückzuhalten. «Die Situation beruhigte sich und ich dachte, das wars», sagte der Begleiter. Dann aber zückte der Beschuldigte das Messer mit der zwölf Zentimeter langen Klinge und begann auf seinen Nebenbuhler, der nicht zurückgeschlagen hatte, einzustechen. Laut einem Zeugen soll er dabei auf türkisch «Sie ist meine Ehre» gerufen haben.
«Bewusst ins Bein gestochen»
Die Staatsanwaltschaft warf dem Angeklagten vor, bei seiner Messerattacke auf den Oberkörper des Opfers gezielt zu haben. «Er nahm in Kauf, seinen Kontrahenten zu töten.»
Der Beschuldigte wies diesen Vorwurf weit von sich. «Ich wollte ihn nur verletzen und damit einen Denkzettel verpassen», sagte er. «Ich habe ihn extra und bewusst ins Bein gestochen.» Er habe denn auch von sich aus von seinem Opfer abgelassen und den Tatort verlassen.
«Er wollte den Geschädigten zu keinem Zeitpunkt umbringen, schon gar nicht der Ehre wegen», hielt auch der Verteidiger fest. Das Opfer indes gab an, der Begleiter habe den Angeklagten zurückgehalten und so Schlimmeres vermieden: «Er hätte mich sicher umgebracht, er war so am Ausrasten.»
Das Opfer erlitt mehrere tiefe Schnittwunden im Oberschenkelbereich sowie am Schienbein. Nach der Attacke lud der Freund des Beschuldigten das blutüberströmte Opfer in sein Auto und fuhr es ins Spital. «Wir einigten uns, dass wir keine Polizei wollen und die Sache erledigt ist», sagte der Freund und begründete: «Bei einem Autounfall braucht man ja auch nicht zwingend die Polizei.» Im Spital gab das Opfer deshalb zuerst an, sich die Verletzungen selbst zugefügt zu haben. Der Täter stellte sich später bei der Polizei. Vor Gericht beteuerte er, dass ihm die Vorkommnisse sehr leidtäten und er einen grossen Fehler gemacht habe.
Das Bezirksgericht Zofingen kündigte das Urteil anfänglich für gestern an, vertagte den Entscheid dann aber. Es folgt in den nächsten Tagen.