
Überraschender Verkauf von Möbel Pfister: Die Branche reagiert verunsichert
Es war ein Donnerschlag für die Schweizer Möbelbranche, als Ende Oktober bekannt wurde, dass die österreichische Lutz-Gruppe Möbel Pfister übernimmt. Ein Donnerschlag aus heiterem Himmel, ein Coup, mit dem selbst Insider nicht gerechnet hätten.
«Bis vor kurzem galt Möbel Pfister als unverkäuflich. Der Stiftungszweck war diesbezüglich mehr als klar. Dann plötzlich kommt es zu einer Neuinterpretation des Stiftungszwecks und alles geht. Das hat uns vor den Kopf gestossen», sagt Hans Dössegger. Er ist Geschäftsführer von Seetal Swiss, einem auf die Produktion von Tischen und Stühlen spezialisierten Möbelhersteller aus Seon.
Die Pfister-Stiftung wurde 1966 durch Patron Fritz Gottlieb Pfister gegründet. Zweck der Stiftung war, die Selbstständigkeit von Möbel Pfister zu bewahren. Der Stiftungsrat sollte zum Grossteil aus Mitarbeitern der Firma und ihrer Tochterfirmen zusammengesetzt sein.
Noch vor zwei Jahren sagte Verwaltungsratspräsident Rudolf Obrecht in einem Interview mit dieser Zeitung: «In unserer Stiftungsurkunde heisst es klipp und klar, dass wir nicht verkäuflich sind. Unmöglich, selbst wenn wir wollten.» Dass der Verkauf nun doch möglich wurde, ist einer behördlichen Verfügung zu verdanken. Die BVG- und Stiftungsaufsicht Aargau gestattete der Stiftung, den Zweck so anzupassen, dass der Verkauf möglich wurde.
Sie hätten XXXLutz bisher gar nicht beliefern dürfen, sagt Dössegger. Wegen Möbel Pfister. «Für uns ist es nun umso überraschender, dass Pfister ausgerechnet mit Lutz zusammengeht.» Sein Unternehmen habe sich nach dem Franken-Schock 2015 fast vollständig aus dem internationalen Geschäft zurückgezogen.
Wie Möbel Pfister zum Klumpenrisiko wurde
Möbel Pfister gehört heute zu den wichtigsten Kunden Dösseggers, rund 30 Prozent des Umsatzes macht Seetal Swiss via die Absatzkanäle von Pfister. Ein Klumpenrisiko. Gerade jetzt. Dössegger: «Lutz will zum grössten Möbelhändler Europas werden. Dieses Ziel verfolgen sie mit aller Konsequenz und nutzen ihre Marktmacht dafür. Einer unserer Partner in Deutschland bekam das zu spüren und musste aufgeben.»
So gross die Überraschung über den Verkauf, so gross ist die Verunsicherung bei Schweizer Möbelproduzenten. Das kommt auch klar zum Ausdruck, wenn man Johannes Weibel zuhört. Er ist Verwaltungsratspräsident von Intertime, Sofa- und Polstermöbelspezialist aus Endingen. «Noch haben wir laufende Verträge mit Pfister. Was darüber hinausgeht, ist schwer zu sagen. Nach Bekanntwerden der Übernahme haben wir uns umgehend mit dem Management von Pfister in Verbindung gesetzt. Aber dort weiss niemand wirklich, wie es nun weitergeht. Man hat uns bloss gesagt, dass sich kurzfristig nicht viel ändern sollte.»
Wie Dössegger rechnet aber auch Weibel damit, dass die Verhandlungen künftig schwieriger werden dürften. «Die Branche ist insgesamt härter geworden. Der Markt für Möbel ist in den letzten Jahren geschrumpft, die Ausgaben pro Kopf sind gesunken», gibt Weibel zu bedenken.
Pfister war und ist für Intertime ein wichtiger Kunde. Eine Partnerschaft mit der Lutz-Gruppe sei bis zur Übernahme von Pfister kein Thema gewesen, auch wenn man in der Geschäftsleitung schon seit geraumer Zeit darüber diskutiert habe, wie Lutz den Schweizer Markt verändern könnte.
Auch Patrick Brunner weiss nicht recht, was er von der ganzen Sache halten soll. «Die einzige Information, die wir bekamen, war ein kurzes Schreiben von Pfister, dass der Verkauf stattgefunden habe, sonst bleibe alles beim Alten», sagt der Geschäftsführer der Willisau Group.
Auch sie ist spezialisiert auf die Fertigung von Tischen und Stühlen. Er hat selbst 15 Jahre bei Möbel Pfister gearbeitet, ehe er quasi in seine heutige Position hineingerutscht ist. «Da blutet einem natürlich das Herz, es tut extrem weh.» Als er vor zwölf Jahren zur Willisau Group kam, war das Unternehmen nur in der Schweiz präsent.
Einen namhaften Anteil des Umsatzes verdankte man Pfister. «Wir konnten das Klumpenrisiko in den letzten Jahren stark senken, sind inzwischen auch in Deutschland, Österreich, den Benelux-Staaten und England präsent. Aber es täte immer noch extrem weh, wenn der Absatzkanal Pfister wegfallen würde. Darauf können wir eigentlich nicht verzichten», sagt er.
Noch etwas ist Brunner, Weibel und Dössegger gemein: Sie alle hoffen darauf, dass es bei Lutz künftig eine Schweizer Plattform gibt. Unter Pfister genossen die Schweizer Möbelhersteller grosse Wertschätzung. «Pfister hat sich über die Swissness definiert», sagt Hannes Vifian, Präsident des Branchenverbandes Möbel Schweiz.
Er hofft darauf, dass sich daran trotz der neuen Besitzer aus Österreich nichts ändern wird. Zugleich erwartet Vifian, dass die Schweizer Hersteller unter Druck kommen werden. «Das Preisniveau bei Pfister wird durch die Möglichkeiten, die XXXLutz hat, ins Rutschen kommen», sagt er. Es dürfte schwierig werden für Schweizer Produzenten, attraktiv zu bleiben, wenn ihre Möbel auf der gleichen Etage mit billigeren ausländischen Produkten ausgestellt würden, meint er.
«Der Umbruch dürfte in etwa zwei Jahren kommen»
Der anhaltend starke Franken, die Umwälzungen durch die Digitalisierung – Vifian ist der festen Überzeugung, dass die Schweizer Möbelbranche auch künftig geprägt sein wird von weiteren Konzentrationsprozessen.
Für kleine Hersteller und Händler dürfte es immer schwieriger werden, sich im knallharten Wettbewerb zu behaupten. «Bestehen kann nur, wer seine Nische gefunden hat, wer schneller, wendiger, näher am Kunden auftritt», prophezeit er.
Die Aussagen der neuen österreichischen Pfister-Besitzer, dass alles beim Alten bleibe, kann indes keiner wirklich glauben. Dann hätte Pfister ja einfach weitermachen können. Hans Dössegger sagt: «Wir gehen davon aus, dass der Umbruch in etwa zwei Jahren kommt. Dann dürfte der Wind drehen, dann dürfte es frostiger werden. Die Leute der Lutz-Gruppe sind ja nicht auf den Kopf gefallen, die wissen auch, dass sie in der Schweiz vorsichtig vorgehen müssen.»